Ein längs gespaltenes Hiebgerätefragment aus Amphibolit

Begonnen von thovalo, 19. Juli 2015, 14:57:08

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thovalo



Auch wenn das ggf. über die Bilder nicht einfach nachvollziehbar ist, handelt es sich bei diesem Artefaktfragment am ehesten um das Stück einer spitznackig auslaufenden Beilklinge aus Amphibolith.

Es ist der zweite Beleg einer Beilklinge von der Fundstelle aus Amphibolit. Die Stelle überliefert ein insgesamt sehr reines Fundinventar der jungneolithischen Michelsberger Kultur das überwiegend aus großen Klingen gefertigte Gerätschaften und Rohklingen überliefert.

Das Inventar wird in den letzten Jahren offenbar unmittelbar aus den Befunden gerissen und zunehmend fragmentiert. Immer wieder passen gebrochene Segmente an einander an. Häufig finden sich aber auch noch unbeschädigte und vollständig erhaltene Belegstücke.

Felsgesteinbeilklingen der Michelsberger Kultur finden sich insgesamt nur selten. Die Verwendung von Amphibolit lässt sich, wenn auch nur selten, auch für die MK feststellen.


Das Gestern aufgelesene Fragment ist wohl der Überrest einer spitznackig zulaufenden, bipolar sekundär als Schlagstein verwendeten Beilklinge. Während des Schlagens spaltete sich der Korpus auf sodass der Blick auf das Rohgestein möglich geworden ist.

Die Amphibolithvarietät zeigt nur wenige eingeregelte große Hornblendekristalle. Das gilt auch für das Gestein eines sekundär ebenfalls als Schlagstein verwendeten Überrestes eines Breitkeiles der "Rössener Kultur" von einer anderen Stelle auf dem Fundgelände.


Die Länge des neu aufgelesenen Fragments beträgt: 9.8 cm


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Wenn ich das Ding hier aufgelesen hätte, wärs ein Dechsel geworden. Aber 100 pro! Bei deiner Fundstelle weist du aber besser Bescheid. Hast du mal ein Beispiel, für ein solches MK-Beil, wo du das ranpuzzlen würdest?
Dechsel
Gruss....

thovalo

#2
Zitat von: Nanoflitter in 19. Juli 2015, 15:44:39
Wenn ich das Ding hier aufgelesen hätte, wärs ein Dechsel geworden. Aber 100 pro! Bei deiner Fundstelle weist du aber besser Bescheid. Hast du mal ein Beispiel, für ein solches MK-Beil, wo du das ranpuzzlen würdest?
Dechsel
Gruss....


An einer so langen Dechselklinge müsste auch schon am erhaltenen Teil die Seitenlinie abfallend überschliffen worden sein, wie an Deinem neu eingestellten Fundbeleg besonders markant erkennbar wird.  :glotz:


Eine Studie zum Amphibolitgebrauch und der Herkunft des Rohgesteins ist hier kurz zusammenfassend dargestellt

http://www.uli-schuessler.de/22.html


"Als wesentliches Ergebnis hat sich gezeigt, dass der Großteil der Werkzeuge aus allen untersuchten Grabung aus ein- und demselben Amphibolit-Typ besteht, und zwar einem sehr speziellen, feinkörnigen Aktinolith-Hornblende-Schiefer mit filziger Struktur und hohem Anteil an Erzmineralen, der mit größter Wahrscheinlichkeit aus einem einzigen geologischen Vorkommen stammt. Dieser Amphibolit – ein metamorphes Gestein – stammt geochemisch gesehen von einem Alkalibasalt mit Intraplatten-Charakter ab. Isotopen-Daten deuten auf ein oberproterozoisches Alter hin, die Altersdaten sind aber eher diffus, wahrscheinlich wegen einer unvollständigen Homogenisierung der isotope während der Grünschiefer- bis niedrig Amphibolit-faziellen Gesteinsmetamorphose. Natürliche Vorkommen dieses Amphibolit-Typs sind aus dem Fichtelgebirge in NE-Bayern und aus dem Isergebirge in der Tschechischen Republik nahe Jistebsko bekannt. Die Vorkommen des Fichtelgebirges sind allerdings winzig und nur aus dem Lesesteinbefund nachgewiesen. Die Vorkommen aus dem Isergebirge sind deutlich größer, und ein Abbau während des Neolithikums ist dort inzwischen sicher nachgewiesen (Šreinová et al. 2003; Prostředník et al. 2005). Die Kollegen aus der Tschechischen Republik konnten auch zeigen, dass ein Großteil des Amphibolits böhmischer Steinwerkzeuge aus diesem Vorkommen bei Jistebsko stammt. Man muss nach dem derzeitigen Kenntnisstand davon ausgehen, dass während der gesamten Jungsteinzeit große Teile Mitteleuropas mit Amphibolit aus dem Isergebirge versorgt wurden. Nur in manchen Siedlungsbereichen und auch nur sehr untergeordnet wurde lokaler Amphibolit verwendet, z.B. in der Wetterau Amphibolit aus dem benachbarten Spessart."
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Zitat von: thovalo in 19. Juli 2015, 16:45:05

An einer so langen Dechselklinge müsste auch schon am erhaltenen Teil die Seitenlinie abfallend überschliffen worden sein, wie an Deinem neu eingestellten Fundbeleg besonders markant erkennbar wird.  :glotz:



Bei einem glatten Bruch einer schichtförmigen Struktur könnte auch der angeschliffene Radius im Unterteil verblieben sein. Wo liegt denn die Größenbegrenzung für Dechsel?
Gruss...

stonehunter

Zitat von: thovalo in 19. Juli 2015, 14:57:08
Auch wenn das ggf. über die Bilder nicht einfach nachvollziehbar ist, handelt es sich bei diesem Artefaktfragment am ehesten um das Stück einer spitznackig auslaufenden Beilklinge aus Amphibolith...
Zitat von: Nanoflitter in 19. Juli 2015, 15:44:39
Wenn ich das Ding hier aufgelesen hätte, wärs ein Dechsel geworden. Aber 100 pro! ...
Das denke ich auch.
Zitat von: thovalo in 19. Juli 2015, 14:57:08
... Die Verwendung von Amphibolit lässt sich, wenn auch nur selten, auch für die MK feststellen...
Kannst du da mal bitte eine seriöse Quelle angeben, möglichst eine, die das auch für dein Suchgebiet belegt?

thovalo

#5
Zitat von: stonehunter in 19. Juli 2015, 19:56:06
Das denke ich auch.Kannst du da mal bitte eine seriöse Quelle angeben, möglichst eine, die das auch für dein Suchgebiet belegt?



Ich "suche" im Niemandsland. Da gib es keine Literatur, noch nicht. Das seit 13 Jahren laufende Projekt wird seit dem vergangenen Jahr von der DFG und dem LVR getragen. Nach den geo-magnetischen Prospektionen und den geologischen Untersuchungen, die das Gelände als besonderes Naturdenkmal definieren konnten, beginnen Im August laut Planung erste Sondagen.


Beilklingen aus Amphibolith sind z.B. in Hessen zu finden. Vom selben Fundplatz hier stammt bereits eine kleinere Beilklinge aus Amphibolit, doch liegt sie bereits mit der kompletten Sammlung im Landesmuseum in Bonn. Es gibt aus der Zeit des Siedlungsbeginns auf dem Gesamtfundareal auch Hinweise auf Beziehungen zum Mittelrheingebiet.


Im link werden die beprobten Inventare benannt

http://www.uli-schuessler.de/22.html

In das Projekt wurden repräsentative Proben aus folgenden früh- bis endneolithischen Grabungen einbezogen

" Grabung Vaihingen/Enz (Region Stuttgart): Linearbandkeramik
Grabung Buchbrunn (Region Vorsteigerwald): Linearbandkeramik
Grabung Müddersheim (Region Bonn): Linearbandkeramik
Region Braunschweig: Linearbandkeramik + Rössen
Region Kassel-1: Linearbandkeramik bis Michelsberg
Region Wetterau: Linearbandkeramik bis Michelsberg
Region Aschaffenburg: Linearbandkeramik (Einzelproben bis Schnurkeramik)
Grabung Ippesheim (Region Vorsteigerwald): Großgartach
Grabung Edertal-Böhne (Region Kassel-2): Michelsberg
Grabung Wattendorf (nördliche Frankenalb): Schnurkeramik"
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.