Ein Kostenki-Ende des Magdalenién

Begonnen von thovalo, 19. Februar 2025, 22:37:15

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thovalo

Moin!

Heute kamen weitere Auswertungen zu den neueren Funden aus meinen Nachbegehungen im Bereich des spätaltsteinzeitlichen Lagerplatzes in Düsseldorf an. Darunter die Ansprache eines eingemessenen und merkwürdigen Artefakts aus einem "Strandgeröll" (der bevorzugte Ausdruck, wenn ein kugeliges Geröll nicht als Maasei identifiziert werden kann).


Dieses Artefakt wurde jetzt bei der facharchäologischen Auswertung als "Kostenki-Ende" bezeichnet. Kostenki-Enden repräsentieren eine spezifische Bearbeitungsweise des Paläolithikums.

Aus Floss STEINARTEFAKTE  S. 459

Jens A. Frick

"Kostenki-Enden (Dorsalabbau an Grundformen)
 
Artefaktbeschreibung

Als Kostenki-Enden werden durch Schlag erzeugte Steinartefakte bezeichnet, die an einem Ende eine steile Retusche auf der Ventralfläche erfahren haben. Meist zeigen sich von dieser Retusche aus Negative, die flach auf die Dorsalfläche ziehen .... usw."

Diese Barbeitungsweise datiert ausschließlich in das Paläolithikum und in Mitteleuropa bis in die Zeit des Magdalenién.

"Im Laufe der Zeit wurde bekannt, dass so genannte Kostenki-Enden nicht allein im Gravettien (in Osteuropa Pavlovien oder Kostienkien) in Europa vorkommen (siehe Abb. 1.4-1.6), sondern ebenso im Magdalénien Westeuropas (z.B. Rocher-de-la- Caille, Alix et al. 1995; Gönnersdorf, Eickhoff 1988 oder Andernach, Floss & Terber- ger 2002; siehe auch Abb. 1.1-1.3) ......."

Das würde tatsächlich bedeuten, dass es auf dem Fundareal bei Düsseldorf auch noch einen älteren Aufenthalt gegeben hat. Bereits für einen ungewöhnlichen Stichel vom Typ "bec du perroquin" wurde angenommen, daß er auch aus dem der Federmesserkultur vorangegangenen Magdalenién stammen könnte. Ebenso steht ein beidendig retuschiertes Rückenmesser in Verdacht, gleichfalls älter als spätpaläolithisch sein zu können.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Moin,

eher unscheinbares Objekt.  :glotz:
Aber wenn es stimmt, sehr cool!


mfg

thovalo

Zitat von: hargo in 19. Februar 2025, 23:46:38Moin,

eher unscheinbares Objekt.  :glotz:
Aber wenn es stimmt, sehr cool!


mfg

Das trifft es genau auf den Punkt!  :winke:
 
Es bleibt weiter ein Herantasten.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Dieser Stichel war das erste Artefakt, das von den Bearbeitern tendenziell eher dem Typ des  spätmagdaleniénzeitlichen "bec de perroquin" (Papageischnabelstichel) zugeordnet wurde.

In den kommendne Jahren werden sich vielleicht weitere Artefakte zeigen, die einen älteren Aufenthlat dann absichern können. Wenn nicht wäre es auch kein Problem! Es bleibt immerhin weiter spannend!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hargo

Der Papageischnabelstichel ist dann tendenziell ein Zinken. Oder?

mfg

thovalo


Moin, lieber Fred!

Angesprochen werden die Stücke nach den entscheidenden Merkmalen und den Unterschied gegenüber einem Zinken macht hier der Stichelschlag aus, der an diesem Fundbeleg auch maximal deutlich ausgeprägt ist.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.


Steinkopf

Moin Thomas,

das ist ein interessanter Fundbericht!
Vielleicht gibt es im Laufe der Zeit ja noch weitere dazu passende Funde.

LG
Jan

thovalo

#8
Moin!

Ja, das muss sich Alle erst noch zeigen. Für mich war dieses Artefakt eher ein Meißelchen mir einer tatsächlich außergewöhnlichen Zurichtung zur Herstellung einer geraden Schneide.


Inzwischen konnte ich mich mit dem Bearbeiter dazu auch austauschen. Formal und faktisch ist die Ansprache als Kostenki-Ende tatsächlich korrekt. Doch sonst sollte, so ist das meine Meinung, Alles in alle mögliche Richtungen offen bleiben.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo Großer,

danke für's Zeigen und Beschreiben dieses seltenen Stückes. Man ist ja nicht gerade mit Magdalenien gesegnet hier in Deutschland. Bisher kenne ich das nur von Michi, und da auch nur wenige Stücke. Das macht seinen Platz jetzt nun noch ein Stück besonderer.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

Zitat von: RockandRole in Heute um 13:06:37Hallo Großer,

danke für's Zeigen und Beschreiben dieses seltenen Stückes. Man ist ja nicht gerade mit Magdalenien gesegnet hier in Deutschland. Bisher kenne ich das nur von Michi, und da auch nur wenige Stücke. Das macht seinen Platz jetzt nun noch ein Stück besonderer.

Liebe Grüße Daniel


Das Magdalénien hat im Rheinland wichtige Stationen, darunter Gönnersdorf mit den vielen Schiefergravuren.


https://de.wikipedia.org/wiki/Gravierte_Schieferplatten_von_G%C3%B6nnersdorf


Einer der Bearbeiter der Schiefergravuren nimmt das Fundinventar hier auf. Von einer Fundstelle mit einem Federmesser in der dem hier betroffenen Fundplatz benachbarten Ort liegt auch ein graviertes Schieferstück vor, das ich ihm zur erneuten Bearbeitung in die Hand gegeben habe. Erneut, weil es bereits zweimalig bearbeitet worden ist. Ich bin gespannt zu welchem Ergebnis er kommen wird und halte meine eigene Erwartung sehr klein.


lG Thomas 
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo


Die alt gebrochene Platte ist bereits zweimalig bearbeitet worden, einmal in Monrepos, wo auch die Platten des Fundplatzes Gönnersdorf aufbewahrt werden und einmal im Rahmen einer Arbeit an der Universität Köln. Zweimal wurde sie als authentisch eingeschätzt und ist auf Anfrage auch in Ausstellungen zur eiszeitlichen Kunst, u.a. im Reiss-Engelholm-Museum in Mannheim, ausgestellt worden.

Ich habe und werde mich persönlich jeglicher Vorstellung enthalten, was die Datierung dieses Stücks betrifft.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.