die Mutter der Kratzer (Kombiwerkzeug)

Begonnen von RockandRole, 06. September 2020, 10:15:54

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

RockandRole

Hallo Leute,

gerstern war Papa alleine unterwegs auf einer unserer Spätpal/Meso Fundstellen. Deutlich abseits der Fundstreuung geht der Boden wieder von Sandig in Löss über. Dort fand er einsam und alleine diesen mit 59x54 mm, für unsere Gefilde größten Kratzer den wir bisher finden konnten.

Das Stück ist wohl ein Kombiwerkzeug und hat an der Seite eine scharfe Kante, welche wohl zum Schneiden benutzt wurde, was die Gebrauchsspuren eindrucksvoll belegen. Hart und direkt geschlagen ist das Stück, mit deutlicher Schlagnarbe und großem Bulbus.

Beim Material bin ich mir nicht so sicher, erst dachte ich an Bohnerzhornstein. Das kommt einem aber nur so vor, weil das Stück recht stark patiniert ist.

Jetzt mal die Patina weggenommen, haben die geschätzten Damen und Herren (DIV) in ihren spätpaläolithischen/mesolithischen Aufsammlungen solche ´Giganten´? Im Vergleich habe ich einfach mal einen recht großen Kratzer der LBK mit hinzu gelegt.

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Merle2

Moin Daniel,

Ein tolles Riesenteil, hab ich so nie in unserer Heimat gesehen. Ich hab schon einige Kratzer, aber diese Dimension ist nicht vertreten. Letzte Woche fand ich einen ähnlich großen Kratzer/ Schaber auf einer frühmesolithischen Fundstelle, seither bin ich auch am Zweifeln ob solche Giganten vielleicht im Mesolithikum vorkommen ( vielleicht ja im Norden, das wäre für hier evtl. eine Erklärung, aber bei dir?)
Ich glaube eher an älter...
Viele Grüße
Marc

Danske

Hallo Daniel,

leider habe ich so einen schönen Kratzer bei mir noch nicht finden dürfen.

Bei Lutz Fiedler, Altsteinzeit von A-Z, ist ein vergleichbarer Kratzer aus Büdingen, datiert ins Spätpaläolithikum, abgebildet.

Könnte das Material feinkristalliner heller Quarzit sein?

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Wiesenläufer

Moin Daniel,

zu eurem Fundmaterial und Fundspektrum kann ich ja nichts beitragen aber ich finde ihn gut.  :super:

Im Neolithikum wäre diese Größe bei uns im Norden ja durchaus "normal",
umso interessanter wenn es bei Dir in dieser Größe auch was gibt.

Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

hargo


RockandRole

Guten Morgen Leute,

danke für eure Beiträge. Jedenfalls würde das, alleine von der Form her, schon mal ins Spätpaläolithikum/Mesolithikum passen. Es tauchen ja immer mal wieder diese Kratzer mit dem gleichen Umriss, nur eben viel kleiner auf. Auch in der Literatur, welche ich zuhause habe, sind die gezeichneten Kratzer aus dem Spätpaläolithikum vielleicht nur halb so groß. Vielleicht nur ein Ausreißer?

Das mit dem feinkristallinen Quarzit würde ich mal verneinen. Das Stück hat sogar an der Kratzerkappe einen Teilbereich, welcher transluzit ist. Auch sind die für Quarzit charakteristischen funkelnden Partien nicht vorhanden.

Feuchtbodenpatina ist ein guter Einwand. Neben den sandigen Böden dort, gibt es auch eine Quellsituation in der Nähe und dementsprechend Wasser. Wer weiß wie das früher so ausgesehen hat. Ausschließen kann ich das nicht. Was aber noch viel wichtiger ist! Dein Hinweis hat mich daran erinnert, dass der Boden dort eisenhaltig ist. Das kann also auch genauso vom Eisen kommen. Nur ist mir diese Art von Patina bisher eigentlich auf keinem anderen Artefakt dort aufgefallen. Muss aber erst einmal nichts heißen.

Ein weiteres patiniertes Artefakt von dem Acker ist der hier. Ein Kernstein, eher Klingentechnologie, welchen man als Klopfstein weiter benutzt hat. Der lag aber recht weit entfernt. Auch mal zum Vergleich die Patina.

liebe Grüße Daniel


gefährliches Drittelwissen

Danske

Hallo Daniel,

bei meiner Einschätzung, dass es sich um hellen Quarzit handeln könnte, bin ich von der Farbe der rezenten ? lateralen Beschädigungen, die auf Foto 8 zu erkennen sind, ausgegangen. Handelt es sich dabei um die Grundfarbe? Wenn ja, käme auch opaker Flint in Betracht?

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

hargo

Zitat von: RockandRole in 07. September 2020, 08:50:59
... Was aber noch viel wichtiger ist! Dein Hinweis hat mich daran erinnert, dass der Boden dort eisenhaltig ist. Das kann also auch genauso vom Eisen kommen. Nur ist mir diese Art von Patina bisher eigentlich auf keinem anderen Artefakt dort aufgefallen. Muss aber erst einmal nichts heißen.
...

Soweit ich weiß, wandert mit dem Wasser Eisen ein und führt zu einer braunen, sekundären Verfärbung.
Das wäre dann keine Patina im eigentlichen Sinne.

mfg

RockandRole

Guten Morgen  :winke:

ich glaube zum Rohmaterial muss man mal eingehend recherchieren. Ich habe aber meiner Erinnerung nach, einen neolithischen Kratzer aus dem gleichen Material. Muss mal sehen ob ich den finde. Vielleicht weiß ich aber schon heute mehr.

Hargo, du meinst, dass das Eisen den Stein durchfärbt und es keine ,Randerscheinung' ist?

Liebe Grüße Daniel

gefährliches Drittelwissen

Danske

Hallo Daniel,

schau mal hier http://www.quartaer.eu/pdfs/1964/1964-65_01_lindner.pdf

Die Ausführungen von Lindner sind zwar schon ein paar Jährchen alt, darin wird aber ganz gut erläutert, was hargo meint, nämlich, dass die mit der Durchtränkung des Gesteins einhergehende Verfärbung der Oberfläche zwar allgemein als Patina angsprochen wird, streng genommen aber keine ist.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

RockandRole

Guten Morgen Holger,

ja, vielleicht sollte man das beim nächsten mal differenzierter bezeichnen. Habe den Artikel aber nur angelesen, hatte noch nicht so viel Zeit. Danke fürs einstellen  :-)

Zusammen mit den gezeigten Funden von Jan, sollte die Farbveränderung an der Oberfläche hier wohl mit ziemlicher Sicherheit dem Eisen im Boden zuzuschreiben sein.
Vielleicht ist er gar nicht so alt und wir haben das Jungneolithikum nur noch nicht zwischen den Artefakten entdeckt, wer weiß.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

Moin Moin,

habe mir jetzt mal eine Auswertung für Bayern zum Spätpaläolithikum angeschaut.

Stichwort: Spätpaläolithische Landnutzungsmuster in Bayern

Da sind die Kratzer im Mittel 26x22 mm lxb. Maximalwerte waren 64x49 mm, wobei die auch von 2 verschiedenen Werkzeugen stammen könnten und 64 mm könnte auch ein Klingenkratzer sein.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Danske

Moin Daniel,

die zeitliche Einordnung deines Kratzers wird wahrscheinlich nicht einfach sein. Letztlich wirst du den Fund einem Fachmann zur Begutachtung vorlegen müssen, auch, was die Einschätzung der Oberflächenveränderung, Patina ja oder nein, angeht. Entscheidend wird sein, wie das Stück im Gesamtkontext der anderen Funde einzuordnen ist.

Spätpaläo könnte m.E. durchaus passen. Für den Fall, dass du das Buch von Fiedler nicht hast, habe ich ein Foto der zeichnerischen Abbildung des infrage kommenden Kratzers (Nr. 4) beigefügt. Die Maße des Stückes sind zwar etwas kleiner und ein Vergleich mit deinem Stück anhand der Zeichnung vage, aber zumindest die Form ist gegeben. Abschlag- und Klingenkratzer sind halt auch eine über einen längeren Zeitabschnitt gleichförmige Werkzeugart.

LG Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

RockandRole

Hallo Holger,

ja der ist schon recht ähnlich, jedenfalls von der Kratzerkapp. Er ist nur dorsal reduziert, damit man einen extra starken Abschlag hinbekommt. Meiner hat dieses Merkmal nicht  :glotz:

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen