Dechselchen vs. Beilchen

Begonnen von RockandRole, 20. Dezember 2015, 11:10:47

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RockandRole

Hallo Steinzeitfreunde  :winke:

Dieses Fundstück ist von einer Linerarbandkeramischen Siedlungsstelle in der nähe von WÜ. Ich denke hier ist es nicht wirklich klar, mit welcher Art dieses Teilchen einmal geschäftet war. Ich tendiere eher zu Dechsel, obwohl die Schneide so gut wie gar nicht aufgewippt ist. Dafür ist sie etwas dezentral.

Hab es aber mal zur Verwirrung als Beilchen dargestellt. Immer eine Frage des Betrachtens denke ich. Man kann mir hier ruhig Manipulation nachsagen  :-D

Was haltet ihr von dem Stück?

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

sven

Hallo Role,

ich habe auf einer bandkeramischen Fundstelle ein ähliches Fundstück aufgelesen. Ob Beil oder Dechsel wird sich nicht klären lassen, vom Typ her sollte es ein Beil sein, von der Verwendung dürfte es aber in der Bandkeramik quer geschäftet und somit eine Dechselklinge sein.  :kopfkratz:

Viele Grüße

Sven

teabone

Hallo  :winke:

Ich denke das beide quergeschäftet waren.
Interessant sind beide, hab was Ähnliches in der Sammlung. Der formal strenge Codex der Beile und Dechselklingen aus der Zeit wird fallweise doch gebrochen. Aufgewippte Schneiden sind in meiner Fundgegend bei breit/flachen Dechselklingen nicht selbstverständlich, bei schmal/hohen durchwegs.
Der Zweck heiligt die Mittel.

LG Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

Nanoflitter

So ein Teil hab ich auch. Die Schneide ist zwar leicht krumm, aber nicht so eindeutig daraufhin geschliffen. Laut Hahn kann aber auch alles, was kein Loch hat, als Beil bezeichnet werden, unabhängig von der Schäftung.
Gruss...

thovalo



Der von Dir benannte Oberflächenfundzusammenhang und Material sprechen doch recht klar für einen Hiebgeräteeinsatz bandkeramischer Zeitstellung! So kleinformatige Exemplare von Hiebgeräteeinsätzen sind ja nach der Neuformung nach Beschädigung kein Einzelfall. Dabei modifiziert sich auch der Bereich der Schneidenpartie.

Bei der Ansprache typologischer Merkmale ist die Dynamik von Beschädigung/Abnutzung und Wiederzurichtung sowie die progressive Überformung der Merkmale von Artefakten mit im Spektrum der Möglichkeiten.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo Leute

Dechsel wird wohl wirklich die Werkzeugart sein. In meiner Region gibt es wesentlich mehr kleinformatige wie große. Das kann aber auch daran liegen, dass die großen schon in irgendwelchen Altsammlungen liegen, oder wie Thomas gesagt hat, eben die kleinen nach dem Wiederaufarbeiten des wertvollen Rohstoffes übrig bleiben.

Liebe Grüße und danke fürs Zeigen
gefährliches Drittelwissen

Furchenhäschen

Zitat von: RockandRole in 21. Dezember 2015, 21:29:08
Hallo Leute

Dechsel wird wohl wirklich die Werkzeugart sein. In meiner Region gibt es wesentlich mehr kleinformatige wie große. Das kann aber auch daran liegen, dass die großen schon in irgendwelchen Altsammlungen liegen, oder wie Thomas gesagt hat, eben die kleinen nach dem Wiederaufarbeiten des wertvollen Rohstoffes übrig bleiben.

Liebe Grüße und danke fürs Zeigen

Hallo Daniel,
dieses Phänomen kann ich in meiner Fundgegend ebenfalls beobachten.
Ich führe das aber aus meiner Sicht eher auf die geänderte Feldbearbeitung zurück.
Früher, also vor 15 bis 20 Jahren fanden sich deutlich größere Beil- und Dechselklingen.
Im Laufe der Jahre wurden diese Fundstücke immer kleiner, bis hin zu den viel bewunderten Miniaturen.
Ich meine das hängt mit der "modernen Landwirtschaft zusammen.
Es wird eigentlich überhaupt nicht mehr Tiefgepflügt, grubbern ist das landwirtschaftliche Zauberwort.
Das Resultat daraus ist, dass im Erdbewegungshorizont (welch ein doofes Wort) nur noch kleinere Beile bewegen und im verborgenen liegen. Die Erdschollen werden ja auch immer kleiner, wo sollen denn die großen Beil und Dechselklingen noch herkommen. Den Rest, die Kleinsten der Kleinen Felsgesteinartefakte bleiben dann für die "späten" Sammler.

Die Tendenz geht in der Landwirtschaft allerdings wieder zum tieferen Pflügen, mit weniger Kunstdünger und Spritzmittel. Sollte sich dies durchsetzen können werdet ihr auch wieder größere Felsgesteingeräte aus tieferen Schichten auflesen können.
Da gehe ich jede Wette mit euch ein.
Übrigens, einen schönen Thread habt ihr da aufgemacht.
Gruß
Peter

RockandRole

Hallo Peter,

als ich Angefangen habe zu suchen, ca vor 15 Jahren, konnte ich auch keine großen Teile mehr finden. Nur mit viel Glück ist das ein oder andere größere Stück hinzu gekommen. Ansonsten besteht unsere Aufsammlung wirklich nur aus Miniaturen. Mein kleinster Dechsel misst gerade mal 2,3 cm und ist rundum geschliffen. Vielleicht ist es auch eher so etwas wie ein Meiseleinsatz.

Tief gepflügt wird bei uns an manchen Feldern alle paar Jahre. Pflanzenschutzmittel gehen aber meiner Meinung nach zurück. Die neuen Zwischenbegrünungen sind richtig nervig.

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

Zitat von: RockandRole in 22. Dezember 2015, 19:49:03
Hallo Peter,

als ich Angefangen habe zu suchen, ca vor 15 Jahren, konnte ich auch keine großen Teile mehr finden. Nur mit viel Glück ist das ein oder andere größere Stück hinzu gekommen. Ansonsten besteht unsere Aufsammlung wirklich nur aus Miniaturen. Mein kleinster Dechsel misst gerade mal 2,3 cm und ist rundum geschliffen. Vielleicht ist es auch eher so etwas wie ein Meiseleinsatz.

Tief gepflügt wird bei uns an manchen Feldern alle paar Jahre. Pflanzenschutzmittel gehen aber meiner Meinung nach zurück.

[b]Die neuen Zwischenbegrünungen sind richtig nervig.

[/b]
liebe Grüße Daniel


right!  :nono:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Schönen guten morgen

Letztes Jahr haben wir bei uns im Landkreis bei einer Ausgrabung einer privaten Grabungsfirma mitgeholfen. Bei den Vorbereitungen für Straßenbaumaßnahmen ist eine mittelneolithische und metallzeitliche Siedlung entdeckt worden.
Ich habe im Umfeld in einiger Entfernung dieses Felsgesteingerät gefunden. Diesmal tendiere ich aber eher zu einer Längsschäftung. Auf Christians Seite habe ich gelesen, dass im Mittelneolithikum auch Übergangsformen vorkommen können. Vielleicht handelt es sich ja um so eine.
Zum Schluss wollte ich noch eine verdächtige Stelle einige hundert Meter weiter begehen. Durchschnittlich kamen da alle 3 Meter eine Scherbe zum Vorschein. Der Schnee hat mich aber dann vertrieben.

Das Stück hat eine gesamte Länge von 8,2 cm und die Schneide ist nicht aufgewippt. Bisher ist es auch das einzige vollständige, welches wir in unserem Landkreis finden konnten.

Jürgen Weiner hat mich noch darauf hingewiesen, das terminologisch der Ausdruck Beilchen vs. Dechselchen eigentlich sehr unglücklich ist. Normalerweise hätte ich schreiben sollen "Parallelbeilchen vs Querbeilchen". Dechselklingen sind zugleich Beilklingen, so dass aus logischen Gründen dort genauso gut "Beilchen vs Beilchen" stehen könnte.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

StoneMan

Moin,

Deine Beilchen bewundere ich allesamt. Dies ist auch wieder ein Feines.

Vom Gefühl  könnte ich ein mir ein ehemals Quergeschäftetes vorstellen, was dann
vielleicht zum Ende ´umfunktioniert´ wurde.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#11
Zitat von: RockandRole in 17. Januar 2016, 08:43:29
Schönen guten morgen

Letztes Jahr haben wir bei uns im Landkreis bei einer Ausgrabung einer privaten Grabungsfirma mitgeholfen. Bei den Vorbereitungen für Straßenbaumaßnahmen ist eine mittelneolithische und metallzeitliche Siedlung entdeckt worden.
Ich habe im Umfeld in einiger Entfernung dieses Felsgesteingerät gefunden. Diesmal tendiere ich aber eher zu einer Längsschäftung. Auf Christians Seite habe ich gelesen, dass im Mittelneolithikum auch Übergangsformen vorkommen können. Vielleicht handelt es sich ja um so eine.
Zum Schluss wollte ich noch eine verdächtige Stelle einige hundert Meter weiter begehen. Durchschnittlich kamen da alle 3 Meter eine Scherbe zum Vorschein. Der Schnee hat mich aber dann vertrieben.

Das Stück hat eine gesamte Länge von 8,2 cm und die Schneide ist nicht aufgewippt. Bisher ist es auch das einzige vollständige, welches wir in unserem Landkreis finden konnten.

Jürgen Weiner hat mich noch darauf hingewiesen, das terminologisch der Ausdruck Beilchen vs. Dechselchen eigentlich sehr unglücklich ist. Normalerweise hätte ich schreiben sollen "Parallelbeilchen vs Querbeilchen". Dechselklingen sind zugleich Beilklingen, so dass aus logischen Gründen dort genauso gut "Beilchen vs Beilchen" stehen könnte.

Liebe Grüße Daniel

In diesem Fall handelt es sich mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit um eine in Hessen und in der Mainregion üblichen becherzeitliche Rechteckbeilklinge aus dort gleichfalls im Gebrauch dieser späten Zeitstellung üblichen Amphibolith.

Mit einer Übergangsform geht das nicht konform, weil zu viel Zeit und kultureller Wandel dazwischen liegt!


Für diejenigen die Interesse an entsprechender Literatur haben:


Roland Wiermann:

Die Becherkulturen in Hessen, Glockenbecher-Schnurkeramik-Riesenbecher
in: Freiburger Archäologische Studien 4

Verlag Marie Leidorf GmbH

2004


Auch dieser Fund zeigt nochmal wie eigen die Mainregion in Bezug auf Materialtraditionen ist:  der dunkel-schwarze Lydit als scheinbares Hauptmaterial in der Verwendung zurzeit des Paläolithikums und die extrem lange Zeit in der Amphibolit im Gebrauch für Hiebgeräteeinsätze üblich gewesen ist. Beide Materialien habe dort auch ihre Vorkommen. In diesem Rahmen sind das regionale Traditionen oder Gebrauchsgewohnheiten. Da führt der Vergleich mit überregionalen Tendenzen verschiedener Zeitstellung eher auf Glatteis.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo Leute  :winke:

ich muss wirklich mal schauen, was bei den Scherben die ich ein paar hundert Meter aufgelesen habe dabei war. An Randformen und Verzierungen kann ich mich gerade nicht erinnern.
Thomas, danke dass du den Stinker als Parallelbeilchen entlarvt hast. Das bringt mich mit meinen Nachforschungen in diesem Gebiet weiter. Bisher konnte ich in den letzten drei Jahren 5 neue Fundstellen in der näheren Umgebung entdecken, die alle nur unverzierte Keramik und kein Silex geliefert haben. Beim Amt liegen da schon Fundsachen von 2 Fundstellen unbestimmt, seit 2,5 Jahren herum. Jetzt habe ich aber mal wieder nachgefragt und man wird sich (evtl.) darum kümmern. Mit der Zeit und mehr Begehungen wird sich der Nebel aber sicher etwas lüften.

Das Beil hat bisher auch keine Beifunde.

Ich werfe dann mal die Ultraschallreinigung an.  :zwinker:

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen