Klinge Materialfrage

Begonnen von RockandRole, 23. September 2018, 09:45:43

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RockandRole

Hallo ihr Steinzeitverrückten  :winke:

seit nun fast 2 Monaten helfe ich sporadisch bei einer Grabung vom Spessartprojekt.

http://www.spessartprojekt.de/?page_id=21534

Besonders habe ich mich natürlich über unseren ersten Steinzeitfund gefreut.
Die Klinge ist proximal ein wenig gebrochen, ob sie nun vorher gekerbt wurde oder das zufällig entstanden ist, kann ich hier nicht genau nachvollziehen.

Ich habe natürlich gesagt, dass es bei einer Klinge unmöglich ist, da eine Zeitstellung festmachen zu wollen. Ich habe aber versprochen, doch noch einmal euch fragen, was ihr dazu meint.

Das Material erinnert natürlich stark an den Silex jaune cire du berry, das kann man aber meiner Meinung nach wegen der Entfernung ausschließen. Eher gehe ich davon aus, dass das Stück eine Waldpatina hat (Huminsäure). Da ich bisher ja nur Funde vom Acker kenne, kann ich das aber nur vermuten.
Trotzem sieht man makroskopisch (nahezu) keinen Unterschied.

Da die Grabung auf einer Burg ist, könnten dort einst Hügelgräber gestanden haben. Dort gibt es nahezu auf jeder Bergkuppe welche. Könnte also durchaus endneolithisch sein. Aber halt auch genauso gut jede andere Zeitstellung.

Ja..eine Klinge bleibt eine Klinge bleibt eine Klinge

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Steinkopf

Moin Daniel,

ein schöner Fund und ein bemerkenswert reines Material.

Der Farbton kann  - wie Du schreibst - durch die Lagerung im Boden beeinflusst werden.

Interessanter ist dann schon die Cortex(?) Anhaftung.
Die kann evtl. für bestimmte Silexvariationen charakteristisch sein.

LG

Jan

RockandRole

Moin Jan,

danke für deinen Beitrag  :-)  diese beiden Flecken sind Sinter. Das deutet darauf hin, dass das Stück kürzlich aus einer ungestörten Schicht gekommen ist.

Das ist wirklich sehr reines Material. Mit ganz kleinen Einsprengseln  :glotz: vielleicht ist er etwas rauer wie der französische Silex  :nixweiss:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

gefährliches Drittelwissen

psearch

Hallo,

an gelblichen Feuerstei kenne ich noch Rullen Feuerstein. Er kann leicht mit Rijckholt hat verwechselt werden, hat aber nur weisse und keine dunkle Punkte in der Matrix. Allerdings habe ich den noch nicht in Natura gesehen. Vielleicht kann jemand der den schon mal gefunden hat was dazu sagen. Wäre mal interessant ... .
Ansonsten natuerlich Färbung durch Patinierung möglich.

MFG Psearch

Steinkopf

Hi Daniel,

danke für den Sinter Hinweis. Den gibt es bei uns im sauren Milieu  nicht.

LG

Jan

RockandRole

Guten morgen  :-)

das interessante dabei ist, dass der Sinter evtl vom Mauermörtel der Burg stammen könnte. Das Grundgestein müsste dort Gneis sein. Das Milieu also eher sauer, weil Gneis den sauren Regen nicht Puffern kann, wenn ich das richtig verstandenen habe. Die Schicht von Gneis ist dort 45 Grad aufgeworfen. Sieht schon faszinierend aus.

Bei uns gibt es aber viele verschiede, teils kleinformatige Gesteinsvorkommen wie Diorit, Amphibolith, Basalt oder auch Rhyolit

Rullen Feuerstein muss ich heute mal recherchieren, noch einmal danke

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo


Als Rullenfeuerstein kann ich die Materialvarietät von Daniels Funden nicht erkennen.  :glotz:
Der ist auch lange nicht so weit gekommen, sondern begrenzt sich auf die Niederlande und das unmittelbar angrenzende Rheinland.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

psearch

Hallo Thovalo,

Rullen gibt es bei uns im Landkreis Darmstadt-Dieburg in Südhessen auf allen mittelneolithischen Fundstellen, und das ist schon ziemlich weit weg von den Niederlanden.
Leider habe ich davon ausser auf Fotos noch nix gesehen oder in meinen Funden nicht erkannt.
Rijckholt gibt es ja auch schon glasig, wie es bei Rullen ist weiss ich leider nicht.
Was ist deine Vermutung ?

MFG Psearch

thovalo

Zitat von: psearch in 24. September 2018, 19:49:38
Hallo Thovalo,

Rullen gibt es bei uns im Landkreis Darmstadt-Dieburg in Südhessen auf allen mittelneolithischen Fundstellen, und das ist schon ziemlich weit weg von den Niederlanden.
Leider habe ich davon ausser auf Fotos noch nix gesehen oder in meinen Funden nicht erkannt.
Rijckholt gibt es ja auch schon glasig, wie es bei Rullen ist weiss ich leider nicht.
Was ist deine Vermutung ?

MFG Psearch


Es ist immer die Frage ob stimmt was gesagt oder wie ein Silex eingeschätzt wird!
Heute wird das im Rheinland sehr viel kritischer Besprochen als noch vor einigen Jahren.

Da ging es "Pi mal Daumen"  :super:  ... sieht so aus wie ... !

In unserem "Sammlerkreis" gibt es etliche hoch engagierte und sensbilisierte Materialkundige die selber Proben gesammelt und sich insbesondere auf die nähere Bestimmung von Silices aus der Maasregion konzentriert haben. Dabei ist immer wieder deutlich geworden, das kleinere Stücke ohnehin nicht sicher angesprochen werden können, da sie nur einen minnimalen Ausschnitt aus der enormen Bandbreite der Varietäten und Varianten von Silices aus dem Maasgebiet wieder geben.
Beim hellgra-belgischen Silex muss man SEHR genauf hinsehen und wer keine Originalstücke vorliegen hat tendiert oft zu Rijckholt.
Die Unterschiede sind speziel und bei dieser speziellen Varietät insbesondere auch haptisch fühlbar.

In einem anderen Forum wurde für diese Fundbelege Rullen bereits deutlich abgewiesen und "baltischer Feuerstein" als wahrscheinlich vermutet. Aber selbst das ist nach Bildern angesprochen auch nur ein ergebnisoffener Hinweis. Grundsätzlich würde ich immer von Dem ausgehen was in der Regeion üblicherweise verwendet worden ist.

Rullen hat insbesondere im mittleren Neolithikum am Niederrhein seinen Gebrauchsschwerpunkt und ist auc in Richtung der Hellwegzone gelangt. Später wird er nur noch beiläufig mit verwendet. Je weiter weg von der Lagerstätte und der genannten Austauschlinie umso weniger wahrscheinlich ist eine Verbreitung.

Der Lanayefeuerstein vom Rijkholttyp ist ebenso hoch variabel. Die glasartige Variatene wirkt optisch von tief bräunlich bis schwarz. Die Artefakte klingen glasartig bis hell metallisch durch die besondere Homogenität des Materials.

Das ist insgesamt eine Wissenschaft "für sich" und Fehlzuschreibungen sind schnell getan.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

psearch

Hallo Thovalo,

ja, beim Maasfeuerstein kann man schon verzweifeln ... . Aber gerade die Herkunft des Rohmaterials ist eine wichtige Information die man aus Lesefunden ziehen kann. Es bleibt spannend ... .

MFG Psearch

thovalo

Zitat von: psearch in 26. September 2018, 19:45:17
Hallo Thovalo,

ja, beim Maasfeuerstein kann man schon verzweifeln ... . Aber gerade die Herkunft des Rohmaterials ist eine wichtige Information die man aus Lesefunden ziehen kann. Es bleibt spannend ... .

MFG Psearch



Es gibt in Hessen sicher noch andere und näher gelegene Quallen die bei der Suche nach der HErkunft wieter Vorne anstehen dürften. Das war ein Armeleuteland in dem aus allen Ecken gehogen und genommen u wurde was man bekommen konnte.

Folgt man der grundlegenden "down-the-line"-Theorie" für den Güteraustausch im Neolithikum dann erscheint vor diesem Hintergrund eine Herkunft des Materials aus Rullen eher unwahrscheinlich. Das war ein Gebrauchsmaterial mit einem Austauschradius der nicht allzu weit über die Region der Lagerstätte hinaus ging.

Das Material hatte gegenüber jeden anderne alternativen Material keinen Vorteil.

Bei Rijkcholt war das deshalb anders, da man daraus große und sehr große Klingen fertigen konnte, die aus anderen Silices so nicht regelhaft gewonnen werden konnten.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinsucher

#12
Hallo Daniel, hallo Forum,
sehr interessante Diskusion. Irgendwie ist alles bisher beigesteuerte irgendwie richtig und ich traue mir auch nicht zu das Problem zu lösen  :heul: .

Eigentlich hatte ich das Problem mit dem Material immer. Mir sind da nur ein paar Diskussionen mit "Him himself" eingefallen. Oft haben wir für das nicht lösbare hier im Heinsberger Raum dann die Lösung gefunden - "kommt aus dem Schotter". Das wäre vielleicht auch in diesem Fall gar nicht so abwegig. Im "Floss" Seite 57 oben sagt er:"Erstaunlicherweise kommt in den Rheinschottern vereinzelt auch echter Feuerstein vor. An den Mittelrhein gelangt er über Nebenflüsse der Mosel uind die Mosel selbst ". NUn weiss ich auch dass ihr nicht an der Mosel liegt, aber die Entfernung dahin ist ja nicht so groß wie nach Rullen.

Schotterfeuerstein ist sicher immer wieder und in allen Perioden benutzt worden, wenn irgendwo ein Aufschluss war. Und es gibt auch bei mir einiges, was nicht in das gewohnte Bild passt. Hier am Niederrhein war so ziemlich alles im Schotter was auch aus lokalen Abbaustellen bekannt ist (vielleicht ausser Lousberg?). In den Diskussionen wurde auch erwähnt, dass es im Schotter Feuerstein gibt vom Typ Valkenburg und, dass dabei auch Exemplare sind, die durchaus nicht rau und fast durchscheinend sind. Ich habe ein Teil, bei dem selbst das Amt sich nicht sicher war ob es "Valkenburg" oder "Rullen" sein könnte.

Nachdem hier Rullen-Feuerstein immer wieder erwähnt wurde, hänge ich mal zum Vergleich ein von JW identifiziertes Stück Rullen an und auch dieses unbekannte Schotterteil zum Vergleich. Ich werde beide aber noch ausführlich getrennt einstellen.

Gruß aus Heinsberg,
Fritz.

hargo

Lasst es uns einfach aufgeben. Die Bestimmung von Feuerstein scheint fuer den Laien hoffnungslos.

Woran hat JW das Kratzermaterial fest gemacht?
Anzuzweifeln ist es nicht.

mfg

Steinsucher

#14
Hallo hargo,

ich denke mal er hatte genug Vergleichsmaterial und er hat so gut wie alle Vorkommen hier persönlich erlebt. Es war ja sein Beruf und seine Berufung. Bei diesem Teil aus Ederen war jedenfalls kein Zögern zu erkennen. Wie gesagt, ich stelle es morgen noch mal als eigenen Tröt ein.

Für alle Makro-Fans hier schon mal ein Bild

psearch

Danke für die Bilder   :super: