Ein für mich besonderer Fund (I): Unfertige neolithische Pfeilspitze

Begonnen von Jondalar, 13. September 2024, 06:44:15

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Jondalar



Hallo zusammen,

wollte gerade meinen Beitrag einstellen, las vorher noch den von Jan und musste schmunzeln. Auch ich halte sein Stück für ein Projektil. Und vielleicht waren es ja die direkten Nachfahren, die nach Süden gewandert waren und dann folgenden Fund erstellten...   ;)


Ich lief vor ein paar Tagen ein kleines, vor den starken Regenfällen bereits zweimal begangenes Feld erneut ab. An der Flanke einer langgestreckten ehemaligen Düne gelegen, lassen sich dort Funde vom Spätpaläolithikum bis zum Neolithikum nachweisen.

Ihr kennt ja sicherlich das Gefühl, keine große Erwartungen zu haben und dann plötzlich etwas gänzlich Unerwartetes vor sich liegen zu sehen...

Das für mich Spannendste an dieser unfertigen, meiner Meinung nach spätneolithischen Pfeilspitze (32 / 20 / 4mm) ist, dass sich daran der Herstellungsprozess leicht nachvollziehen lässt, sowohl die Schritte, die bereits erfolgt sind, als auch die, die bis zum Endprodukt noch erforderlich gewesen wären.
 
Weiß jemand etwas über den leicht schwarz gesprenkelter Flint, der als Ausgangsmaterial für meine Gegend eher untypisch ist?
Viele Grüße

Jondalar

Wiedehopf

ZitatWeiß jemand etwas über den leicht schwarz gesprenkelter Flint, der als Ausgangsmaterial für meine Gegend eher untypisch ist?

Moin Jondalar,

wir hatten hier schon mal eine Diskussion über so einen hellen, leicht schwarz gesprenkelten Flint:

https://sucherforum.de/steinartefakte/klingenkratzer-aus-wei223em-flint-von-schadhaften-beilen/

Vielleicht gehört dein schöner Fund auch in diese Kategorie.

Viele Grüße
Michael   

 

Jondalar

Hallo Michael,

vielen Dank für Deinen Hinweis. Immer wieder erstaunlich, was das Forum alles an Informationen bietet... Eine wahre Fundgrube!

Es könnte sich bei dem Material der unfertigen Pfeilspitze tatsächlich um den von Euch thematisierten Flint handeln. Ist der Herkunftsort seit Eurer Diskussion mittlerweile eindeutig lokalisiert worden?
Allerdings denke ich, dass für mein Stück kein Beil die Ursprungsform gewesen ist, sondern eher eine ganz normale Klinge...
Viele Grüße

Jondalar

Wiesenläufer

Moin Jondolar,

komme zwar nicht mehr aufs Feld, so wie ich es gerne machen würde aber ich denke, dass sie nicht unfertig ist, sondern da dürfte die SPITZE "nur" abgebrochen sein.

Alles andere lasse ich mal, da wissen die Anderen mehr. Ein sehr schönes Teil :super:
BZ würde ich auch sagen.

Liebe Grüße

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Jondalar

Hallo Gabi,

tut mir leid, dass Du nicht mehr so aufs Feld kommst, wie Du gerne möchtest. Ich lese Deine Begehungs- und Fundbeschreibungen sehr gerne.

Vielen Dank für Deine Einschätzung. Verzeih' bitte, ich bin skeptisch. Wie würde dann die komplette (bronzezeitliche) Projektilform aussehen? So etwas habe ich noch nicht gesehen, was ja nichts heißen muss...
Na, bald nenne ich den Floss mein eigen und ich kann mir vielleicht eine derartige Form ansehen... Was denken denn die anderen Forumsteilnehmer?
Viele Grüße

Jondalar

hargo

Zitat von: Jondalar in 07. Oktober 2024, 17:42:46...
Na, bald nenne ich den Floss mein eigen und ich kann mir vielleicht eine derartige Form ansehen... Was denken denn die anderen Forumsteilnehmer?
...


Puh, das kann dauern. Aber ich gucke auch mal.
Der "Floss" ist umfassend und ziemlich dick ; )

mfg

Steinkopf

Hi Jondolar,

Du stellst hier ein besonderes Artefakt vor.

Kann man annehmen, daß die Spitze abgebrochen ist?
Vielleicht kann ein Foto oder die Beschreibung wie sich der Bruch anfühlt?

LG
Jan


Wiedehopf

ZitatWas denken denn die anderen Forumsteilnehmer?

Hallo Jondalar,

ich gehe hier auch von einer abgebrochenen Spitze aus. Das Besondere an dem Stück sind die nahezu parallel verlaufenden Seitenkanten ohne jede Zuspitzung nach oben. Es würde mich wundern wenn du so ein besonderes Stück in der hiesigen Standardliteratur findest. Ich zumindest habe mehrere Bestimmungsbücher ohne Erfolg durchgesehen. Eine gewisse Ähnlichkeit stelle ich zu diesem Stück aus einem Museumskatalog aus Dänemark fest:

http://sol.sydvestjyskemuseer.dk/?mode=detail&genstandsnr=200087898&side=2&antal=21&indexno=26&search=Fladehuggede%20pile&sid=5454f80eaadd57e97ad9cf53467374d8&tt=133

Die Datierung ist hier Spätneolithikum bis frühe Bronzezeit.

Viele Grüße
Michael 

Neos

Hallo, Jondalar,

ich bin ganz bei meinen Vorrednern: Das ist ein Fragment einer fertigen, aber abgebrochenen, spätneolithischen oder frühbronzezeitlichen Pfeilspitze. Und ich denke auch, dass Michael mit seiner Vermutung richtig liegt, dass du sehr wahrscheinlich in der Fachliteratur – wenn überhaupt – dann nur per Zufall einen Vergleichsfund finden wirst. Deine Spitze ist schon sehr besonders, und zwar hinsichtlich Formgebung und verwendetem Flint. Ich kenne diese Flint-Varietät leider auch nicht. 

Schönes Stück! :Danke2:

Viele Grüße

Frank

StoneMan

Moin,

wenn ich nichts weiß, halte ich gerne meine Schnute.

Auch wenn ich etwas glaube zu wissen, aber nicht nachweisen kann, halte ich mich zurück. Vorsichtshalber
möchte ich erwähnen, dass ich "meine", dass so etwas Ähnliches mal als Doppelbohrer gezeigt wurde - nur wo? :kopfkratz:

Im Anhang ein Beispiel aus "Flint fra Danmarks oldtid", Peter Vang Petersen.
Auf der Seite 92, Abb. 130 ist ein Beispiel einer Pfeilspitze, die es vermutlich nicht
ein weiteres Mal so gibt.

Möglich, dass das von Jondalar vorgestellte Stück hier einzureihen ist.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Jondalar

Hallo zusammen,

vielen Dank für Euere Einschätzungen. Immer wieder spannend, was für ein profundes Wissen hier im Forum vereint ist und zu welchen Interpretationsmöglichkeiten das führt. Toll dass Du, Michael, tatsächlich ein ähnliches Stück 'ausgraben' konntest. Und auch die Abbildung von Jürgen lässt die Parallelität der Seitenkanten plausibel erscheinen.
 
Ich stelle anbei noch eine Seitenansicht des Stückes ein. Auffallend finde ich, dass sich das Stück nach oben im letzten Viertel schon sehr verjüngt. Es ist am 'Ende' nur noch 1mm stark...
 
Ist es wirklich denkbar, dass da ursprünglich noch eine ja mindestens 1cm lange Spitze oder gar eine komplexere Form anschloss? Und ist in der späten Phase der Steinzeit oder der frühen Bronzezeit, die ja durchaus (zumindest so weit ich das überblicke) oft 'normierte' Formen hervorgebracht hat, eine derartig singuläre Form wahrscheinlich? Nicht das ich mich dagegen wehren würde, ein derartiges Stück aus seltenen Material aufgelesen zu haben...   ;)

Wenn ich das Stück im oberen Viertel zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen. könnte ich mir vorstellen, selbst als blutiger Anfänger, eine 'banale' Pfeilspitze daraus fertigen zu können...
Viele Grüße

Jondalar

Wiedehopf

#11
Hallo zusammen,

das von Jürgen gezeigte Stück PVP Nr. 130 gehört zu den dänischen 'Prestigepfeilspitzen' mit denen die Flintmeister in der ausgehenden Jungsteinzeit angesichts der aufziehenden Bronzezeit noch mal ihr gesamtes Können demonstrieren wollten. Vieles war da möglich und folgte auch nicht immer rein praktischen Erwägungen. Petersen spricht ja selbst vom 'Schwanengesang der Flintschmiede': Kurz vor dem Ende einer Tradition wird noch mal alles gegeben. Danach tritt eine Verflachung oder Simplifizierung ein: Steinspitzen werden aus praktischen Erwägungen zwar weiter genutzt erreichen aber nicht mehr diese Kunstfertigkeit.

Ich denke eher nicht, dass Jondalars interessantes Stück hier einzureihen ist.

Viele Grüße
Michael   

hargo

Zitat von: Jondalar in 07. Oktober 2024, 17:42:46Na, bald nenne ich den Floss mein eigen und ich kann mir vielleicht eine derartige Form ansehen...


Zitat von: hargo in 07. Oktober 2024, 23:26:41Puh, das kann dauern. Aber ich gucke auch mal.
...

Vielleicht spätbronzezeitlich, siehe Floss S.815, Abb. 3 / Nr. 29.
Ist identisch mit Floss S.938 / Nr. 5 (beide Nagy 1994)

Sonst nichts vergleichbares gefunden im Floss.
Dein Fundstück hat stärker ausgeprägte Flügel.
Heißt: Es muss nicht passen.
Die Richtung sollte  m. E. aber stimmen.

mfg

Jondalar

Vielen Dank für Euere weiteren Bemühungen. Den Floss werde ich erst in einigen Wochen geschenkt bekommen, hoffentlich ;) Dann schaue ich mir die angegebenen Stücke an.

Wie Michael denke auch ich, dass das Stück nicht zu den 'Prestigepfeilspitzen' (unglaublich, die abgebildeten Exemplare) zu zählen ist. Dazu erscheint es mir zu grob gearbeitet.
Viele Grüße

Jondalar

Wiedehopf

Zitatunglaublich, die abgebildeten Exemplare

Dann schau dir die mal an:

https://www.pugetsoundknappers.com/interesting_stuff/Ray%20Harwood%20Articles/Extreme%20Notching.html

Hat aber mit praktischer Nutzanwendung nichts mehr zu tun, das ist reiner Silex-Fetischismus  :zwinker:

Viele Grüße
Michael 

Jondalar

Unfassbar!!!

Kannte zwar aus dem Buch 'Flinthandwerk'  bifaziale mittelamerikanische Eccentrics (S.346/347), aber die Arbeiten, die man auf Deinem link zu sehen bekommt sind ja viel graziler...
Vielen Dank, Michael.
Viele Grüße

Jondalar

Steinkopf

#16
Moin,

 spätestens mit dem link zu den 'Eccentrics' springt der content zur 'experimentellen Archäologie'.
Das kann man machen, aber Bezugsrahmen und Orientierung sind dann völlig anders:

Eine große Knapperscene in US macht abseits von Prä-Historischer Orientierung wirklich
spektakuläre Werke. Dabei werden auch moderne Technologien eingesetzt.
So werden z- B. für diese Arbeiten dünne gesägte Platten als Ausgangsmaterial genommen.
Das ist dann nicht mehr vergleichbar mit der Arbeit an Naturstücken mit ihrer oft
tückischen Materialbeschaffenheit.

Eccentrics kommen übrigens auch im alten Ägypten vor.

LG
Jan