Beilbeleg Nr. 116: Funde der 9. Begehung in drei Wochen auf demselben Acker

Begonnen von thovalo, 31. Mai 2010, 20:33:37

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thovalo

 :winke:

Auch wenn es jetzt die 9. Begehung in drei Wochen auf derselben Feldflur war: es lohnt sich immer!

Neben dem größeren Fragment einer Schleifplatte aus quarzitisch gebundenen Gestein, ein unregelmäßiger Kernstein aus "nordischen " Feuerstein, Beilklingenbeleg Nr. 116 von dieser Stelle (Herkunft der Feuersteinvarietät unbekannt), sonstige Artefakte (darunter ein Kleinkratzer (> 3cm), Keramik und eine Münze.


Dafür, dass ich bei der Sammelei und auf dem Rückweg mit dem Rad Kletschnass geworden bin, eigentlich ein gutes Ergebnis!  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.


chabbs

Hey,

sehr schöner Komplex. Den leeren Acker gibt es nicht :super:

Ist die Keramik ungefähr datierbar?

thovalo

@ rentner

das "schmakerl" hat die Metallfraktion als Berliner Prägung unter Friedrich dem Großen identifiziert! Es gab am Ort ein Gefecht mit den französischen Revolutionstruppen. Dabei ist wohl einem preussischen Husaren der Groschen (24 einen Thaler) aus der Tasche gefallen!

@ chabbs

Auf dem Platz ist es mit der Keramik äußerst schwierig: Das hier ist meiner Einschätzung nach einheimisch "germanische" Gefäßkeramik der römischen Kaiserzeit (1. - 3. Jh.). Darunter zwei Stücke "Rotlehm" (Oben) die nicht von Gefäßen sondern von einem Ofen oder einer abgebrannten Hauswand mit Lehmverstrich stammen werden. Fundregion ist der rechte Niederrhein!

Ist schon wahr, dass es keinen leeren Acker gibt, aber dieser eine sehr übersichtliche Platz hat inzwischen allein schon annähernd 1.000 lithische Artefakte geliefert und das ist nur eine Konzentration innerhalb eines riesigen Gesamtfundkomplexes.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

der finder

Moin,

die Münze müßte aus Ostfriesland kommen.

gruß der finder
Glaube kann Berge von Wissen ersetzen!

chabbs

Zitat von: der finder in 31. Mai 2010, 23:07:57
Moin,

die Münze müßte aus Ostfriesland kommen.

gruß der finder

Nö. Preussen. FR(iesland) ist es nicht :zwinker: Fridericus Rex.

thovalo

Mein Fehler! Entschuldigt bitte! Ich habe die Rückseite vergessen!!!!  :winke:


A ist nach der Auskunft wohl das Kürzel für den Prägeort BERLIN.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

chabbs

Schon ok. War ja nicht böse gemeint.


#@ Thovalo, danke für die Info zur Keramik. Ich habe gerade noch einen Haufen von exakt dem Zeug in der Meldung. Nur dauert das noch, bis ich da Infos zurückkriege.

thovalo

Hallo Björn!

Sammelst Du im Rheinland oder in einer anderen Region? Die germanische Irdenware hier steht der urgeschichtlichen Keramik sehr nahe, unterscheidet sich aber insbesondere durch den Quarzbruch und die Einglättung der Magerung in die Oberfläche.

Dummerweise ist auch ein Teil der spät- bis endneolithischen Keramik auf derselben Feldflur mit Quarzfraktur gemagert. Die "ragt" bei den urgeschichtlichen mit Quarz gemagerten Fragmenten jedoch öfter deutlicher aus der Oberfläche heraus, ist wie in einen Teig unregelmäßig dicht eingeknetet und manchmal knallhart gebrannt. Da ist eine nähere Unterscheidung nicht einfach!   :glotz:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

chabbs

Wie gesagt, ich werd´s ja noch genauer erfahren. Dauert nur...

Ich suche im Münsterland. Der Acker hat von EGK neol.-frühbronzeztl. bis Mittelalter und wieder zurück so einiges zu bieten. Nur Scherben waren es wenige. Wenn aber meist von ähnlichem Aussehen wie bei Dir.

Wir Sondengänger haben mit dem Scherbenzeugs ja häufig unsere Probleme :narr: Naja, aber ich nehm immer alles mit...

thovalo

Na, dann lass mal später wissen, wie Deine Scherben eingeschätzt worden sind!  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

rolfpeter

Servus,

kannst Du bitte noch mal näher auf die Unterscheidungsmerkmale von eisenzeitlicher und spätneolithischer Keramik eingehen, lieber Thomas?

Eine meiner größten jung-, spätneolithischen Fundstellen, größer als ein km², ist völlig "romfrei", eigentlich die Ausnahme im Rheinland. Beackert ist die Fläche aber schon lange, man findet Protosteinzeug und 'ne Menge Wellfüße.
Die einzige vorgeschichtliche Keramik ist eine grob quarzgemagerte Ware, die so schlecht gebrannt ist, daß sie in nassem Zustand manchmal sogar noch irgendwie flexibel ist. Man kann sie bis zu einem gewissen Grad verbiegen, ohne daß sie zerbricht. In feuchtem Zustand ist die Farbe schwarz, nach dem Trocknen ergibt sich eine schmutzigbraune Färbung, wobei die Außenseite meist dunkler als die Innenseite ist. Die Wandstärke ist immer recht dick, so zwischen 8 und 15 mm. Die Scherben sind auch nicht groß genug, um eine Gefäßform bestimmen zu können. Die Gefäße waren aber verhältnismäßig groß, etwa Kaliber Putzeimer. Bei der Menge, die ich gefunden habe, sollte statistisch auch das eine oder andere Randstück dabei sein. Identifizieren ließ sich aber kein einziges, alle Details sind weggebröselt.

Ist die eisenzeitliche Keramik härter als die neolithische?

Fragen über Fragen....

HG
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

Lieber rolfpeter!

Eigentlich gaaaaaanz  ..... einfach!  :zwinker:

Hier in der Region liegen mit mehreren Tausend Bestattungen die größten eisenzeitlichen Gräberfelder im Rheinland (Niederrheinische Grabhügelkultur). Mein Heimatort heisst Lintorf und wird aufgrund der wirklich überall rum liegenden Keramiktrümmer der Eisenzeit auch scherzhaft "Laténedorf" genannt! Und wenn ich eins nicht mehr sehen kann, dann eisenzeitliche Keramik!!!!!   :nono:

Die Keramik der Eisenzeit 7. - 1. Jh. v. Chr ist hier weit überwiegend im Alltag verwendete und zerbrochene Grobkeramik (wird auch in älterer Literatur bildlich gut zutreffend als "Kümmerkeramik" genannt). Die Grundform ist häufig das "Faß", eine mehr oder weniger zylindrische Grundform. Putzeimer triffts auch ganz gut!

Die eisenzeitliche Keramik bricht, zum haptischen Vergleich, "wie Schokolade":
Bis zu einem bestimmten Punkt gut belastbar und dann gibt es einen kurzen "Knacks".

Der Magerung der eisenzeitichen Grobkeramik enthält hier am rechten Niederrhein in wechselnden Anteilen organisches Material und/oder "Schamotte" und Sand. Quarzburch kommt vergleichsweise selten und nicht in sehr hohen Anteilen in der Tonmasse vor! Diese eisen zeitliche "Ware" vom rechten Niederrhein ist nach der Literatur ausdrücklich NICHT zweifelsfrei von neolithischer Grobkeramik der Michelsberger Kultur zu unterscheiden.

Die Färbung ist auf der Oberfläche Innen wie Außen weit überwiegend rötlich und im inneren des Bruchs dunkel: dunkel rötlich, bräunlich bis Schwarz.

Die Feinkeramik, insbesondere der älteren Eisenzeit, zeigt noch deutlicher gegliederte Gefäßformen, zumeist S-förmig geschwungene Schalen mit geglätterter, hier nur selten intensiv polierter Oberfläche. Dekore sind Fingertupfen und selten aufgelegte Leistenbänder mit Fingertupfendekor. Meist bräunlich bis schwarz und auch im Bruch recht dunkel.  :glotz:


Die Keramik die Du beschreibst und die Du hier ja auch in einigen Belegen von den Plätzen hier gesehen hast passt daher sehr viel eher in den Zeitraum des späten Neolithikums oder in ein spätes Endneolithkum/frühe Bronzezeit (2.200 - 1.800 v. Chr.). Vor einigen Tagen habe ich etwas Material des Spätneolithikums aus Süddeutschland gesehen, das dem hier (vom rechten Niederrhein) und dem von Dir beschriebenen gut entspricht. Keine klaren Gefäßformen, keine besonderen Dekore: "Kümmerkeramik".

Ich kenne die Keramik der "mittleren Schnurkeramik" der Sammlung Krull aus Neuss und dahin passt die von Dir beschriebene und auch die hier gefundene stark quarzgrusgemagerte "Ware" überhaupt nicht.

Die späten Becherzeitlichen (ab 2.200 - 2.000 v. Chr.) und frühen Bronzezeitlichen Keramikvarietäten (2.000 - 1.800 v. Chr.) sind dann gleichfalls in den Gefäßformen kaum oder ungegliedert, oft stark mit Quarzbruch gemagert, doch in der Regel SEHR hart gebrannt. Beim Aneinanderschlagen der Fragment ergbit sich zumeist ein hoher, heller Klang. Einer der wenigen Fundplätze ist Ochtendung, Kreis Mayen-Koblenz: die Keramik ist dicht mit Quarzgrus gemagert, mit Tupfen- oder Leistenbändern verziert; ein gut erhaltener Becher mit Standring und Knubben weiter unterhalb des Randes. Die frühbronzezeitliche Keramik aus Neuwied-Heddesdorf ist wiederum kaum mit Quarzburch gemagert, doch reich mit tupfenverzierten Leisten versehen.

Ein Fundplatz hier auf dem Großfundareal hat Keramikfragmente geliefert die ab dem späten Neolithikum, sicher nicht "schnurkeramisch" und "glockenbecherzeitlich", sondern eher noch endneolithisch bis frühbronzezeitlich datieren können und (noch) mit Nichts näher zu vergleichen sind!
Von diesen Stücken stelle ich mal Bilder mit den mit gefunden lithischen Artefakten ein!  

Das so klare Abweichen von allem Üblichen die Du beschreibst weist mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die angesprochenen Zeithorizonte hin: Spätneolithikum oder spätes End- bis Frühneolithikum. Der enorm weiche Scherben den Du beschreibst geht auf das Brennen der Gefäße bei sehr geringen Temperaturen zurück. Die Tonmasse ist im Brand kaum dehydiert und nimmt offenbar Heute noch außerordentlich stark Flüssigkeit auf.


Das war die Theorie  :belehr::zwinker:


Ich würde mich freuen, wenn Du Bilder von Deinem Material zeigen könntest!

LG thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

a.k.a. rentner

Lieber Thomas!
Danke für die ausführlichen Ausführungen.......auch für andere Suchergefilde interessant.
Kleine Ergänzung aus süddeutschem Raum: HA - Keramik kenne ich aus Siedlungsfunden auch sauber und hart gebrannt, zu grabbeigablicher Töpferei sagt der A. unseres Vertrauens in schwäbischer Mundart: "Da hent se halt gschpart....", sprich zerfällt auch mal beim Putzen.......
Sicher keine Formel, aber hoffentlich amüsant......
m :winke:

rolfpeter

#14
Auch von mir eine herzliches Dankeschön für den ausführlichen Beitrag.

Ich habe mal einige Bilder von der wahrhaft kümmerlichen Keramik geschossen. Irgendwelche Oberflächenverzierungen kann man nicht erkennen, bei keinem einzigen Stück. Die einzige optische Auffälligkeit gibt es an der oberen linken Scherbe auf den ersten Foto: die hat eine flache, längliche Knubbe, auf dem 2. Bild im Profil dargestellt.
Dann habe ich einige exemplarische Stücke von beiden Seiten und im Profil fotografiert und noch Details zu Magerung drangehängt.

Jetzt bin ich aber mal gespannt wie ein Flitzebogen.  :-D

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

rolfpeter

So, nun noch die Bilder mit den Magerungsdetails.

Damit ihr euch mal eine Vorstellung von der Fundstelle machen könnt und auch davon, wie seltsam die Fundverteilung ist, habe ich mal die Daten ins GIS eingefügt.
Der Kartenausschnitt ist etwa 1300 m breit.
Rot sind die Beilklingen,
blau die Kratzer,
braun die Keramik,
grün die Mahlsteine,
pink die Spitzklingen.

Die übrigen Kategorien, meist Bruchstücke großer Rijckholt-Klingen, habe ich der besseren Übersicht halber weggelassen. Das Feuersteinmaterial besteht zu über 90% aus Rijckholt-Flint. Alle dargestellten Funde gehören ins Jung- oder Spätneolithikum.
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

Lieber rolfpeter!

Gerade das Fragment mit der Knubbe, die das einzige besondere formtypologische Merkmal ist, würde nach meiner Ansicht gut in ein spätes Neolithikum passen, wie auch die wie in einen Kuchenteig eingebrachte Quarzfraktur, dazu der nur schwach gebrannte Scherben (wenn Du dich vielleicht erinnerst habe ich auch so ein Randstück mit Knubbe einer stark quarzbruchgemagerten Ware, das sonst aber auch zu gar nichts passt).

Mit der qualitativ schon mäßigen Keramik von Horgen geht es im Süden mit der Keramik noch weiter bergab und es kommt zu vergleichbaren Phänomenen: Keramik ohne besondere formtypologische Akzente, die so schwach gebrannt ist, dass sie sich bei Feuchtigkeit wieder auflöst wie nur an der Luft getrockneter Lehm. Erst wenn Scherben bei einem Schadfeuer zufällig sekundär gebrannt worden sind wurde diese Keramik haltbar(er). Damit können wir hier ja nur sehr selten rechnen!  :zwinker:

Das Gestern hier

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,42997.0.html

gezeigte Keramikmaterial ist zwar auch stark quarzbruchgemagert, aber als endneolithische Keramik knallhart gebrannt. Eine gleichartige Zubereitung der
Tonmasse, doch sind die Scherben bei erheblich höherer Brenntemperatur intensiv dehydriert, sodass sich die in der Tonmasse enthaltenen Minerale/Feldspate sehr viel besser miteinander verbinden und der Form Halt geben konnten.

Prospektion
Bei vergleichbar schlechten Erhaltungsbedingungen von Keramik auf den von Dir begangenen Fluren habe ich die positive Erfahrung gemacht, dass sich das Fundaufkommen, bei progressiven Abregnen der Ackerfläche erhöht, wenn man möglichst zweimal wöchentlich immer wieder dieselben Bahnen von etwa 1m Abstand laufen kann. Dann haben sich noch nicht so viele Bruchstücke aufgelöst und werden auch nicht wieder von abgeschwemmten Erdreich überdeckt. Zudem fallen die nassen Keramikfragmente als dunkle Stellen leichter auf.

Die Keramikfragmente dann erst auf Zeitungspapier vollkommen trocknen lassen und danach sehen, ob man die trockenen Stücke leicht mit einer feinen Büste oder mit Wasser abspülen kann. Sonst so lassen wie sie sind.

Manchmal bleibt beim Anfassen schon auf dem Acker auch nur die bereits aufgelöste Tonmasse an den Fingern.  


LG  Thomas      :winke:

und das bitte nur als meine persönliche Einschätzung aus eigener Erfahrung und der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema verstehen
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.