Beidseitig hohlendretuschiertes Gerät

Begonnen von Neos, 02. Mai 2021, 14:37:52

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Neos

Moin, zusammen,

auf einem endneolithisch-bronzezeitlichen Fundplatz unweit der Ostsee im nördlichen Schleswig-Holstein fand ich dieses beidseitig hohlendretuschierte Gerät, das bis dato einzigartig in meiner Sammlung ist. Es ist an allen Kanten steil retuschiert und hat auf der Dorsalseite leichte Rostanhaftungen. In den "Buchten" ist ein leichter Sichelglanz vorhanden. Wozu dieses Gerät gedient haben mag? Es darf spekuliert werden...

Hier die Maße des Artefakts:


  • Länge: 55 mm
  • Breite: 19 mm
  • Dicke: 5 mm

Viele Grüße

Frank

PS: Um die Retuschen der Lateralen ein wenig deutlicher sichtbar zu machen, habe ich das Foto einmal in Graustufen konvertiert und den Kontrast leicht erhöht.

Steinkopf

Moin Frank,

dieses Fundstück ist wohl eine Ausnahmeerscheinung.

Da kann wohl nur spekuliert werden.

LG
Jan

Fischkopp

Hallo Frank,
ein sehr schön hergerichtetes Gerät und mit knapp 2cm
Breite eine eindrucksvolle Einkerbung. Ich hoffe das die Funktion eines Tages geklärt wird.
Danke fürs zeigen und viele Gänse
LG Fischkopp

thovalo


Ja, so etwas habe ich auch noch nicht gesehen.
Eindeutig so ausgearbeitet und bestimmt für einen besonderen Verwendungszweck individuell gestatltet.

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Ölfinger

Mir wurden ähnliche Formen mal mit einem Gerät zum Bearbeiten von Tiersehnen erklärt.
Grüße
Ölfinger
was ich so treibe

Robert

oder zum entrinden von Pfeilschäften

:winke:
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr

neolithi

#6
Der ist toll! Könnte es ein Mehrfachbohrer sein? Die Einbuchtungen wären dann Folge der Herausarbeitung der Bohrspitzen.
Ich komme auf den Gedanken, weil ich in der Fundgegend (von der du, glaube ich... :zwinker:, sprichst) einen Multibohrer gefunden habe:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,37253.msg221853.html#msg221853

Deiner wäre dann die langgestreckte Variante?

Herzlich
neolithi

Neos

#7
Zitat von: Steinkopf in 02. Mai 2021, 15:35:49
dieses Fundstück ist wohl eine Ausnahmeerscheinung.

Da kann wohl nur spekuliert werden.

Moin, Jan,

da bin ich beide Male ganz bei dir. Es wäre schon äußerst spannend zu erfahren, wozu das Gerät gedient haben könnte.

Zitat von: Fischkopp in 02. Mai 2021, 16:18:45
Ich hoffe das die Funktion eines Tages geklärt wird. Danke fürs zeigen und viele Gänse

Moin, Ralf,

ja, das wäre total klasse. Vielleicht hilft uns die Gebrauchspurenanalyse hier weiter. Ich schau mal, was ich hier machen kann.

Viele Gänse zurück!  :super: (ich habe gut gelacht!)

Zitat von: thovalo in 02. Mai 2021, 18:09:59
Ja, so etwas habe ich auch noch nicht gesehen.
Eindeutig so ausgearbeitet und bestimmt für einen besonderen Verwendungszweck individuell gestatltet.

Hi, Thomas,

dann sind wir schon zu zweit. Gut, DIE hohlendretuschierte, geschäftete Klinge aus McPomm kennt ihr bestimmt. Wenn nicht: Klasse Teil! Ein Blick in die verlinkte PDF lohnt sich. Aber von einem beidseitig hohlendretuschiertem Gerät hatte zumindest ich bis dato noch nichts in der Literatur gelesen. Spannend, finde ich!

Zitat von: Ölfinger in 02. Mai 2021, 19:05:18
Mir wurden ähnliche Formen mal mit einem Gerät zum Bearbeiten von Tiersehnen erklärt.

Hallo, Peter,

das wäre durchaus denkbar. Dank dir für die Info.

Zitat von: Robert in 03. Mai 2021, 07:50:49
oder zum entrinden von Pfeilschäften

Hallo, Robert,

auch das wäre eine Möglichkeit. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum die Endretuschen beidseitig angebracht wurden.

Zitat von: neolithi in 03. Mai 2021, 08:07:45
Der ist toll! Könnte es ein Mehrfachbohrer sein? Die Einbuchtungen wären dann Folge der Herausarbeitung der Bohrspitzen.
Ich komme auf den Gedanken, weil ich in der Fundgegend (von der du, glaube ich... :zwinker:, sprichst) einen Multibohrer gefunden habe:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,37253.msg221853.html#msg221853

Deiner wäre dann die langgestreckte Variante?

Hallo, neolithi,

dank dir für deine Einschätzung und den Link zu deinem spannenden Multi-Bohrer. Als Bohrerspitze könnte bei meinem Artefakt von den vier "Zipfeln" jedoch nur maximal einer tauglich gewesen sein. Die anderen drei definitiv nicht. Und abgebrochen sind sie auch nicht. Die beiden Buchten sind sauber herausgearbeitet worden und waren für den Hersteller/die Herstellerin offensichtlich extrem wichtig.

Den Fundplatz kennst du übrigens (noch) nicht.

Viele Grüße

Frank

Marienbad

Moin Frank,

mein Glückwunsch für deinen seltenen Fund, einfach super, zumal in dieser Erhaltung und dann noch als Oberflächenfund. :super:

Für mich habe ich eine Lösung der beidseitigen Hohlendretuschen gefunden.  :dumdidum:

Es könnte eine "Klemmschäftung" sein, die Hohlretuschen sind perfekt dafür.

Eine kleine Astgabel (Zwille) an beiden Abzweigen der V Form kleine Kerben einschneiden und dann die V Form eiwas auseinander ziehen und die Klinge

quer einstecken. Die Klinge sitzt sehr fest und kann nun als "Hobel", Messer, Kratzer oder Haarschneider dienen. Ich habe selbst alles ausgetestet mit

Holz, Geweih und meinem Unterarm. Auch einen Fisch könnte man damit von den Schuppen befreien.

Der Vortei dieser Klemmschäftung ist der einfache Wechsel der Klinge, da nicht geklebt oder gebunden wurde.

Ob dieser Vorschlag allerdings der Tatsache entspricht, wird sicher noch viel Zeit der Forschung brauchen.

LG

Manfred


Neos

Zitat von: Marienbad in 07. Mai 2021, 09:53:02
Moin Frank,

mein Glückwunsch für deinen seltenen Fund, einfach super, zumal in dieser Erhaltung und dann noch als Oberflächenfund. :super:

Für mich habe ich eine Lösung der beidseitigen Hohlendretuschen gefunden.  :dumdidum:

Es könnte eine "Klemmschäftung" sein, die Hohlretuschen sind perfekt dafür.

Eine kleine Astgabel (Zwille) an beiden Abzweigen der V Form kleine Kerben einschneiden und dann die V Form eiwas auseinander ziehen und die Klinge quer einstecken. Die Klinge sitzt sehr fest und kann nun als "Hobel", Messer, Kratzer oder Haarschneider dienen. Ich habe selbst alles ausgetestet mit Holz, Geweih und meinem Unterarm. Auch einen Fisch könnte man damit von den Schuppen befreien.

Der Vortei dieser Klemmschäftung ist der einfache Wechsel der Klinge, da nicht geklebt oder gebunden wurde.

Ob dieser Vorschlag allerdings der Tatsache entspricht, wird sicher noch viel Zeit der Forschung brauchen.

LG

Manfred

Moin, Manfred,

zwei Doofe – ein Gedanke. Ich habe  E X A K T  an dasselbe gedacht! Hammer! Dank dir vielmals für deinen Kommentar! :super:

Viele Grüße

Frank

Steinkopf

Moin,

kurze Frage: ergeben denn die seitlichen Retuschen eine scharfe Arbeitskante
                  oder sind es Stumpfungsretuschen, wonach es mir auf dn Bildern aussieht?

LG
Jan


Marienbad

Moin Jan,

ich vermute das die Klinge im Ursprung breiter war, das mehrmalige Nachretuschieren lässt diese hier sehr steile Kante entstehen. Daher
denke ich , das das gezeigte Werkzeug fast aufgebraucht war.
Bei meinen Versuchen hatte ich frisch geschlagene Klingen verarbeitet, es wurden nur die Ausbuchtungen an den Enden ausgearbeitet,
die Arbeitskanten der Schneiden wurden nicht bearbeitet und hatten die schlagfrische Schärfe.
Mit dieser frischen Klinge hatte ich ca. 20 Min. einen schmalen Lederstreifen von 40 cm Länge bearbeitet, also das Leder dünner und dadurch
schmigsamer gemacht. Es zeigten sich danach kleine Arbeitsretuschen an der Schneide. Um die Schneide wieder voll einsatzfähig zu machen
wurden mit einem Druckstab die unregelmäßigen Arbeitsmarken entfernt. Dadurch wird die Klinge schmaler und der Winkel der Schneidflächen
steiler. Mehrmaliges Nachschärfen verkleinert die Klingenbreite und ändert den Winkel der Arbeitskante.
Mit dem gleichen Werkzeug hatte ich noch einige dünne und ausgetrocknete Äste einer Schlehe entrindet, hierbei arbeitete ich mit mehr Druck als bei dem Leder. Dadurch entstanden deutlich grobere Ausplatzer an der Schneide und es mußte wieder neu Retuschiert werden. Dadurch veränderte sich der
Winkel an der Schneide nocheinmal.
Die Klinge von Frank würde noch ausreichen um eine Geweihsprosse zu Glätten, die Schneide ist steil und kräftig, daher ideal dafür.

LG
Manfred

Steinkopf

Also - die Biographie eines Gerätes - macht Sinn (oder makes skin).

LG
Jan

Marienbad


Neos

Moin, zusammen,

yes, that "makes skin" - indeed!  :zwinker:

Tatsächlich verhält es sich bei dem Stück so, dass die eine Laterale deutlich verrundeter ist als die andere. Letztere würde ich als noch relativ scharf bezeichnen. Eine spannende These, die du hier aufstellst, Manfred!  :super:

Viele Grüße

Frank

Fischkopp


hargo


StoneMan

Moin @ll,

bei dem Stück bin ich auch erst einmal baff - Glückwunsch zu so einem interessanten Teil  :Danke2:

Für tiefgreifendere Spekulationen ist mein Kopf gerade nicht geeignet, aber da haben ja
bereits andere gute Ideen geliefert.

@ Frank, ganz prima, was Du inzwischen hier zeigst - bitte mehr davon  :super:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Neos

Moin, Jürgen,

Zitat von: StoneMan in 11. Mai 2021, 15:34:24
bei dem Stück bin ich auch erst einmal baff - Glückwunsch zu so einem interessanten Teil  :Danke2:
...
@ Frank, ganz prima, was Du inzwischen hier zeigst - bitte mehr davon  :super:

dank dir!  :super:

Und was das "mehr davon" angeht: Meinst du so etwas in der Richtung?  :zwinker:

Beste Grüße

Frank