Artefakte aus dem Paläolithikum??

Begonnen von Danske, 23. Mai 2017, 21:28:51

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Danske

Hallo zusammen,

ein befreundeter Nachbar, ein Portugiese, hat mir von seinem letzten Heimaturlaub aus dem Norden Portugals zwei Pics aus Quarzit mitgebracht. Er meinte, die wären uralt. Im Internet bin ich dann tatsächlich fündig geworden, wobei das Alter der Stücke aus Moledo do Minho umstritten ist, weil es sich überwiegend um Oberflächenfunde handelt und das hohe Alter nur aufgrund des archaischen Aussehens der Stücke angenommen wird.

Ich habe die beiden Stücke Prof. Dr. Lutz Fiedler gezeigt, der grundsätzlich ein hohes Alter nicht von der Hand wies, eine formenkundliche Datierung dieser Oberflächenfunde aber als sehr schwierig bezeichnete. Er riet mir nun, in der Heimat, genauer entlang des oberen Mittelrheins, nach paläolithischen Artefakten zu suchen. Diese wären am ehesten zu finden zwischen ca. 85m über N.N. (Niederterrasse) bis ca. 190-200 Meter über N.N. (Hauptterrasse). Die Schotter der Hauptterrasse am Mittelrhein werden inzwischen auf ca. 1,1 Mill. Jahre datiert, also noch weit vor die Brunhes-Matuyama-Umkehr.

So bin ich seit Anfang März auf den landwirtschaftlichen Flächen, die etwa 500 bis 2500 Meter vom heutigen Rhein enfernt liegen, unterwegs gewesen (mit einer Unterbrechung im April). Absolutes Neuland für mich. Die Ausbeute war mager. An einer Stelle, etwa 140 Meter über NN, bin ich vielleicht fündig geworden. Bevor ich die Stücke zum Amt bringe oder sie Lutz Fiedler zeige, dem ich die Meldung von Funden versprochen habe, und mich damit vielleicht blamiere, möchte ich sie hier hier im Forum zeigen. Die Stücke lagen auf einer Fläche von etwa 30 mal 30 Meter auf einem abgeregneten Acker. Freierodierten Schotter konnte ich zumindest an der Stelle nicht sehen.

Hier nun das erste Teil. Es wiegt 173 Gramm. Auffallend ist, dass eine Seite fast wie frisch geschlagen scheint, die andere Seite stark patiniert ist. Die Verkrustungen habe ich nicht abbekommen. Auf den Bildern kommt es nicht so gut rüber, aber es sind auf beiden Seiten eindeutig Wallner-Linien zu erkennen. Könnte es sich um einen Levallois-Kern handeln? Kann jemand was zum Material sagen? Hornstein??

Vielen Dank im Voraus und vielmals Entschuldigung für die schlechten Bilder.

Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Furchenhäschen

#1
Zitat von: Danske in 23. Mai 2017, 21:28:51
Hallo zusammen,


Hier nun das erste Teil. Es wiegt 173 Gramm. Auffallend ist, dass eine Seite fast wie frisch geschlagen scheint, die andere Seite stark patiniert ist. Die Verkrustungen habe ich nicht abbekommen. Auf den Bildern kommt es nicht so gut rüber, aber es sind auf beiden Seiten eindeutig Wallner-Linien zu erkennen. Könnte es sich um einen Levallois-Kern handeln? Kann jemand was zum Material sagen? Hornstein??

Vielen Dank im Voraus und vielmals Entschuldigung für die schlechten Bilder.

Holger
Hallo Holger,
das Phänomen das eine Seite fast wie frisch geschlagen wirkt, die andere Seite stark patiniert ist, kommt bei paläolithischen Artefakten relativ häufig vor. Die frisch geschlagen wirkende Seite war die, die eingebettet nach unten, geschützt im Erdreich lag. Die angewitterte Seite war wohl lange Zeit Wind und Wetter ausgesetzt. Ich habe auch Lesefunde von einer Stelle die ca. 200.000 bis 250.000 Jahre alt sind da ist dieser Umstand ebenso zu beobachten und bei der Vorlage angesprochen. Die Suche nach derartigen Artefakten ist bisweilen sehr mühsam und ein langwieriger Prozess, an meiner Fundstelle kann es durchaus passieren, dass zwischen den einzelnen Funden eine Auflesezeitspanne von 10 Jahren liegt. Da ist Geduld und Ausdauer gefragt. Da ist es von Vorteil wenn das Gelände über mehrere Jahrzehnte kontinuierlich abgegangen wird.
Das Material könnte Hornstein sein.
Gruß
Peter :winke:


Nachtrag:
der im Foto gezeigte MP-Schaber zeigt auf der Oberfläche auch Sinterbeläge auf.
Allerdings kann man bei einer Humusdicke von 25 cm auf Jurafelsbrocken bei diesem Artefakt nicht von frisch ausgepflügt ausgehen da die Flächen schon Jahrzehnte Landwirtschaftliche Nutzflächen sind.


RockandRole

#2
Servus Danske,

solche Versinterungen sind ein Zeichen, dass etwas frisch herausgepflügt wurde. Ich kenne solche Krusten von paläolithischen Artefakten, habe sie aber auch viel leichter auf neolithischen Artefakten gesehen. Was aber natürlich nicht gleich einen Stein zu einem Artefakt macht.
Levallois-Technik ist das hier nicht. Hier würde es keine Trennung von Abbaufläche und Schlagfläche geben
usw. Wenn dann eher diskoid. Wenn überhaupt. Kern steht bei mir hoch im Kurs ohne eine Befingerung.  Würde ich mir gerne mal durch die Grabscher gleiten lassen  :-)
Das Material kann auch ein patinierter Feuerstein sein, wenn Hornstein für deine Region untypisch wäre. Rheinland klingt jedenfalls so.
Warte mal auf weitere Meinungen. Hier scheint ja gerade die Steinzeit wieder aufzuleben.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Danske

Hallo Peter, hallo Daniel,

vielen Dank für eure Antworten und Einschätzungen.

Hornstein ist als Geröll im Rhein durchaus vertreten.

@Daniel: Wenn es zeitlich hinhaut, werde ich die Tagung der AG Altsteinzeit Hessen im Herbst besuchen. Dort könntest du dann ggf. das Teil "begrabschen" :zwinker:

Hier zwei weitere Stücke, die ich wahrscheinlich liegengelassen hätte, wenn nicht Teil 1 daneben gelegen hätte. Außerdem tragen sie wie alle Stücke eine kräftige (alte?) Patina und erinnern mich zumindest von der Form her an kleine Keilmesser. Zudem dürfte Teil 2.1 bis 2.6 aus Flint sein, welcher am Fundort nicht natürlich vorkommt, also dorthin gebracht worden sein muss. Teil 3 dürfte aus Quarzit sein. Da sie aber keine Bearbeitungsspuren haben, dürften sie höchstwahrscheinlich was für die Kiste sein.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Danske

Hallo zusammen,

hier ein weiteres Stück von der Fundstelle. Das Material dürfte wieder Flint bzw. Hornstein sein, wieder mit Versinterungen und einer dicken Patina. Auch hier auf allen Flächen Wallnerlinien.

Gruß
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Danske

Und hier nun das letzte Stück von der o.g. Fundstelle über dem Mittelrhein. Tippe auf Hornstein, auch hier relativ dicke Patinierung. Könnte es ein Nasenschaber sein?

Gruß Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Danske

Ich denke, beim zuletzt gezeigten Stück handelt es sich, wenn es überhaupt ein Artefakt ist, wohl eher um einen Buchtschaber zum Runden und Glätten von Hölzern,  z.B. Speeren. Nasenschaber sehen anders aus.

Gruß
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

RockandRole

Servusle,

von diesem Treffen hatte ich schon berichtet bekommen! Da muss ich mich aber noch mit der Abgabe von der mittlerweile recht umfangreichen Ansammlung von Steinchen gedulden, damit ich auch was zum zeigen habe. Vielleicht darf ich ja auch ein zwei nachreichen  :zwinker:

Von den nächsten drei halte ich den dritten für den besten Kandidat. Bei den anderen 2 könnte man nur aus dem Kontext etwas schließen. Meiner Meinung nach jedenfalls und von fern und schnell geschaut!

Sind die Hornsteine vielleicht aus dem Main bis zu dir gelangt? Solche hellbraunen gibt es bei uns richtig oft! Die sind meinstens 'nur' Gerölle.
Warum wurde der vermutliche Hornstein genutzt? Fehlen Quellen von qualitativ hochwertigerem Material? Durch den vermutlich langen Flusstransport sind die ja tausende mal malträtiert worden und somit in der Struktur meist gestört.

Gebuchtete Werkzeuge stellen an vielen paläolithischen Fundstellen eine hohe Anzahl von Artefakten. Ich konnte das bisher in unserem kleinen System noch nicht feststellen. Aber das kommt auch ganz auf die Art der Fundatelle an und was dort wie lange gemacht wurde.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Nanoflitter

Ähnliche Stücke aus dem Mainschotter kann ich hier auch ab und an auf den Terassen finden. Alles Natur, Frost. Gruss...

RockandRole

Hallo Peter,

so weit ich weiß, entsteht Sinter z.B in Zusammenhang mit Kalk. Da würde dein Juraboden doch sehr gut passen. Da man nie von einer gleichmäßigen Abdeckung ausgehen kann, halte ich das frische Auspflügen für kein Problem. Du darfst dich also noch länger über solche erstklassigen Funde freuen  :winke:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

lapillus

Zitat von: Nanoflitter in 25. Mai 2017, 20:08:49
Ähnliche Stücke aus dem Mainschotter kann ich hier auch ab und an auf den Terassen finden. Alles Natur, Frost. Gruss...
Hi Nanoflitter,

meinst du jetzt mit ´alles Natur´ Deine im Mainschotter gefundenen Stücke oder zweifelst Du
die hier gezeigten Fundstücke an?

cu lapi

Nanoflitter

Das erste sieht ja noch irgendwie nach Kern aus, der Rest.. :kopfkratz: Ich muss mal schaun, ob ich noch was von dem Hornstein hier hab. Gruss...

Mordar

Hi :winke
Ich denke mal Nanoflitter meint beides, und so halte ich es auch.
Ich kann bei keinem der gezeigten Funde von Holger eindeutige Artefakmerkmale erkennen.  :glotz:

Auch für mich sind's natürlich entstandene Truemmerstuecke .

:winke:
Gerd










The Benutzer Formerly Known As Wühlmaus

palaeo1

Zitat von: Danske
Bevor ich die Stücke zum Amt bringe oder sie Lutz Fiedler zeige, dem ich die Meldung von Funden versprochen habe, und mich damit vielleicht blamiere, möchte ich sie hier hier im Forum zeigen.
An hand der Fotos sind für mich keine artifiziellen Merkmale zu erkennen. Ich würde aber grundsätzlich bei solchen patinierten Stücken kein Urteil abgeben wollen ohne sie vorher in der Hand gehabt zu haben.
Gruß
palaeo1

lapillus

Hi,

vielen Dank für die letzten Antworten. Damit bleiben mir derart problematische Fundstücke
aus diesem Zeitraum wohl für immer ein Rätsel  :kopfkratz:

lapillus

Danske

Hallo zusammen,

zunächst erst mal vielen Dank an alle für eure Antworten und Meinungen.

Womit wir wieder beim Thema sind. Wenn die Fundstücke auf den ersten Blick keine eindeutigen Merkmale aufweisen und das Bildmaterial schlecht ist :schaem:, hilft nur eins: die Sachen in die Hand nehmen, oder wie Daniel so schön sagt, befingern.
Ich muss lapillus vollkommen recht geben, das Paläolithikum ist auch für mich eine schwierige Materie. Ich habe mir die letzten Tage eine Menge Bildmaterial angeschaut. Einige der von Fachleuten als Artefakte beschriebenen Stücke scheinen mir so, als wären sie aus dem Schotterbett einer Gleisanlage oder einer Straße aufgelesen. Da kann ich gar nichts erkennen und wäre bei der Suche an solchen Teilen achtlos vorbeigelaufen.

Es hilft also nur eins: ab damit zum Amt. Und wenn es im Herbst hinhaut, will ich sie auch Lutz Fiedler zeigen. Bis dahin werde ich natürlich weiter auf die Suche gehen.

Liebe Grüße
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.