Arnhofener Plattenhornstein

Begonnen von osman.herberger, 24. Juni 2009, 21:37:35

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osman.herberger

Ich bin gestern nach Arnhofen im Landkreis Kelheim (Niederbayern) gefahren, um dort bei sintflutartigem Regen das größte Silexabbaugebiet Deutschlands zu besichtigen bzw. nach dessen Restspuren zu suchen.

Das gesamte Areal umfasst schätzungsweise 10 ha und ist heute von einem Kiefernwald bewachsen, in dem sich mehrere Sand- und Kiesgruben befinden, so dass die archäologische Fundstätte in ihrem Bestand bedroht ist. Aus diesem Grund finden seit 1998 immer wieder (Rettungs-)Grabungen statt, die letzte meines Wissens im Sommer 2007.
Bisher wurden dort 670 senkrechte Schächte entdeckt, die bei einem Durchmesser von ca. 70-90 cm zum Teil acht Meter tief in den sandigen Boden reichten. Man vermutet, dass sich bis zu 20.000 Schächte auf dem Areal befunden haben!
Nach C14-Analysen könnte das Bergwerk von ca. 5500 bis 4000 v.Chr. in Betrieb gewesen sein. Der Arnhofener Plattenhornstein gilt als qualitativ so hochwertig, dass er bis zu einem Umkreis von 400 km verbreitet und gehandelt wurde. Allerdings gibt es, trotz seiner Verbreitung, keinerlei Hinweise auf einen schwunghaften, größeren Feuersteinhandel. Die Archäologen vermuten den Grund darin, dass der Arnhofener Hornstein vermutlich gar kein so rares Gut gewesen ist, wie man bisher annimmt. Denn die Ausbeute eines Schachtes (ca. 60 Kilo durchschnittlich) hat ausgereicht, um eine einzige Siedlung 20 Jahre lang mit Rohmaterial zu versorgen.
Die senkrechten Schächte wurden an der Sohle rundherum auf Armlänge ausgeweitet, um möglichst viel Material erfassen zu können. Aufgrund der schmalen Schächte vermutet man, dass auch Kinder beim Abbau eingesetzt wurden. Oben am Schacht saß ein Kollege, der das von unten heraufgeschickte Material aussortierte. Die weniger guten Stücke wurden dabei in den bereits ausgebeuteten Nachbarschacht geworfen, um diesen wieder zu verfüllen.
In der Sandgrube, in der die letzten Ausgrabungen stattfanden (siehe Foto) findet man heute keine Spuren mehr von Schächten. Es liegen dort aber noch überall verstreut Rohmaterialstücke herum, vermutlich die erwähnte "Ausschussware", mit denen die Schächte immer wieder verfüllt wurden. Es gibt wohl Platten, Knollen und Fladen (siehe Fotos).

Bitte seht es mir nach, wenn ich in diesem Beitrag die Begriffe "Silex", "Feuerstein" und "Hornstein" synonym verwendet habe.

Die meisten Informationen dieses Beitrages stammen aus dem Bericht "Feuersteinbingo im Juramalm" aus der Zeitschrift "Bayerische Archäologie" Ausgabe 3/2007. Ich kann nur jedem und jeder (zumindest aus dem Süden) diese hervorragend gemachte Zeitschrift empfehlen ! Mehr Infos unter www.bayerische-archaeologie.de


Liebe Grüße

Stefan
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

arriba

Danke, sehr schöner Beitrag  :super: Ein guter Grund mal nach Bayern zu fahren  :zwinker:

:winke: Rikke 

Marienbad

....danke für den Beitrag :super:

endlich kann ich norddeutscher Sammler und Jäger mir etwas unter Plattenhornstein vorstellen.
Da möcht ich gern mal nen Abschlag von runterkloppen :-D  um die Eigenschaften zum hiesigen Flint zu vergleichen.

HG  Manfred

Silex

Danke, Stefan , für diesen Beitrag!
Warum diese , meiner Meinung nach "guten" Teile verworfen wurden kann man auf den Bildern nicht nachvollziehen.
Vielleicht kannst Du das durch Selbstversuche im indirekten Steinschlag  herausfinden?
Eigentlich ein idealer  kleiner Ansatz um ein wenig in  die Gedankenwelt dieser Menschen einzudringen.
Gibts irgendwo deutliche Spuren von Beprobung oder Abbauspuren an den Wegwerflingen?
Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

osman.herberger

Ganz schwer zu sagen, Edi...Die Teile haben natürlich schon überall Brüche und Kanten und Einschnitte, aber ich seh keine eindeutigen Spuren von menschlicher Materialerprobung. Für mich als Laien sehen sie alle verwertbar aus.
Aber genau Deine Fragen beschäftigen auch die Forscher vor Ort. In dem genannten Bericht wird nämlich erwähnt, dass die Grabungshelfer die komplette Schachtverfüllung durchgesiebt haben, um rauszufinden, was den Menschen damals scheinbar nicht wert war, zu behalten und weiter zu verarbeiten.
Die Archäologen haben sogar selber einen Schacht angelegt, um zu schauen, was sie an Rohmaterial finden und vor allem, was sie davon wegwerfen oder behalten würden. Und all diese Stücke wurden dann wieder mit den Qualitätsvorgaben der damaligen Menschen verglichen.
"Was man liebt, das asphaltiert man doch nicht ständig !" (Gerhard Polt)

rolfpeter

Servus Stefan,

danke für den schönen Beitrag!

Darf ich einige der schönen Fotos auf meiner Homepage verwenden? Wenn ja, dann schreibe mir kurz, was ich als Quellenangabe dazuschreiben soll.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert