Arbeitstreffen "Steinzeiten" Bericht

Begonnen von rolfpeter, 05. November 2006, 17:04:21

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rolfpeter

Hier, wie versprochen, ein kurzer Bericht vom Arbeitstreffen "Steinzeiten" im Rheinischen Landesmuseum Bonn, am 4.11.2006

Etwa 60 Interessierte trafen sich gegen 9:30 im Foyer des RLMB, ein aus meiner Sicht erstaunlich guter Besuch.
Jürgen Weiner zeigte und erläuterte seine umfangreiche Sammlung von Belegexemplaren der verschiedenen Rohmaterialien  zur Steingeräteherstellung. Alles, von Grand Pressigny - Flint über die belgisch- niederländischen Flintarten und nordischen Sorten bis zum Arnhofener Plattenhornstein, alle denkbaren Felsgesteinarten, Quarzitvarietäten usw. lagen in bergfrischer und - oder in verwitterter Form vor und wurden fachkundig und zuvorkommend erklärt! Ein wahres Vademekum für den Artefaktensammler, allein hierfür hätte sich die Anreise gelohnt!
Dann im Auditorium Begrüßung durch Dr. Michael Schmauder, den Fachreferenten für Vorgeschichte am RLMB. Er würdigte die Tätigkeit der Sammler, nannte sie bewußt Hobbyarchäologen, ein Terminus, der mir von amtlicher Seite vorher noch nie öffentlich zu Ohren gekommen ist! Allerdings unterschied er den verantwortungsvoll handelnden "Oberflächensammler", der seine Funde dokumentiert, kartiert und meldet, eindeutig vom "Sondengänger", der ggf. in den ungestörten Bodenkörper eingreift. Schmauder stellte fest, daß die amtliche Archäologie nicht in der Lage sei, sämtliche Bereiche abzudecken. Man wolle zukünftig die Zusammenarbeit mit Sammlern intensivieren und auch herausragende Sammlungen aufkaufen. Als Beispiel sei die weitbekannte Sammlung Schol, mit über 10000, teilweise einmaligen Stücken, genannt. ´
Im Anschluß Begrüßung durch Dr. Stephan Veil vom Arbeitskreis ....Steinzeit im niedersächsischen Landesverein für Urgeschichte e.V. Niedersachsen. Der Arbeitskreis führte zu seinem 8. Jahrestreffen eine Exkursion u.a. zur Ausstellung "Roots - Wurzeln der Menschheit" nach Bonn durch. Im Landesverein für Urgeschichte gibt es ca. 500 Mitglieder, ein Teil davon hat sich zum Arbeitskreis zusammengeschlossen und davon wiederum sind rund 20 Aktive zum Jahrestreffen nach Bonn gereist. Der Landesverein gibt die Zeitschrift "Die Kunde" mit Berichten, Abhandlungen u.a. heraus, hierin publizieren auch Laien. Es finden Seminare (Zeichnen, Fundbestimmung...) statt. Ein Weg, der vielleicht beispielhaft ist, um Fachleute und Amateure für beide Seiten gewinnbringend Kooperieren zu lassen. Übrigens, der Arbeitskreis sucht noch Aktivisten!
Auch der Amtsarchäologe Dr. Veil lobte die sehr erhebliche Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Amateurarchäologen. Die von ihm gezeigten Fundkarten machten deutlich, daß weit über 90% der paläolithischen Fundplätze in Niedersachsen nicht durch Tätigkeit der Landes- oder Kommunalarchäologe, sondern durch Laien erschlossen wurden. Es gibt im Flächenland
Niedersachsen übrigens von den ca. 50 hauptamtlich beschäftigten Kommunalarchäologen nur noch etwa 5 Urzeitler!

Ich werde nur kurz auf die folgenden Fachvorträge eingehen:
Klaus Breest referierte über eine neue mittelpaläolithische Fundstelle im Landkreis Verden, interessant seine formenkundlichen Betrachtungen über Symmetrie bei Faustkeilen, Keilblättern und blattförmigen Schabern.
Wolfgang Heuschen sprach über eine späteiszeitliche Gravierung auf einem Tonschiefer-Retuscheur, die ein großes Säugetier, evtl. eine Elchkuh darstellt.
Klaus Breest, Klaus Gerken und Dr. Stephan Veil (Vortragender) über das Spätpaläolithikum in Niedersachsen, Entwicklung der Forschung 1967 - 2006. Veil zeigte auf, daß der allergrößte Teil der Fundstellen erst in den letzten Jahren durch Amateure entdeckt wurden. In Situ - Funde sind dementsprechend selten. Es bestehen fundarme Gebiete, die entweder durch geologische Besonderheiten wie z.B. Moorbedeckung oder Mangel an Begehungen zu erklären sind.
Johann Friedrich Tolksdorf sprach in seinem Vortrag über das Potential geoarchäologischer Forschung am Beispiel der mesolithischen Fundstelle Haverbeck. Ein sehr spezialisiertes Thema, mit dem zumindest ich überfordert war.
Drs. Dick Schlüter stellte die mittelpaläolithischen Funde in den Niederlanden oberhalb des Rheins, also in den nördlichen Provinzen, dar. Interessant ist hier die Analogie der Fundstellendichte und der zeitlichen Entwicklung ihrer Entdeckung zur Situation in Niedersachsen. Drs. Schlüter zeigte z.B. Fundstellen von Faustkeilen aus Helleflint, um evtl. Wanderungen von Neandertalern nachzuweisen. Der Amateurarchäologe Klaus Breest konnte ihm prompt 2 neue Fundstellen dieses seltenen, speziellen Gerätetyps nennen!
Dr. Martin Heinen wollte über Paläolithikum bis zum ausgehenden Neolithikum im Rheinland reden, unterbrach aber aus Zeitgründen mit dem ausgehenden Mesolithikum. Er versprach aber, bei sich bietenden Gelegenheit seinen durchaus interessanten Vortrag fortzusetzen.
Dr. Thomas Frank führte als letzter Redner über die archäologische Bedeutung der Tätigkeit von Sammlern aus. Er führte durch eine kurze Geschichte der Urzeitforschung, bei der oft die Amateure das bessere "Näschen" als die Herrschaften von der Akademie hatten! Ein sehr interessantes Kapitel seines Vortrages beschäftigte sich mit mathematisch-, geometrischen Modellen, die Orte größter Funddichte, bzw. auch Fundleere beschreiben...also die Theorie des erfolgreichen Aufsammelns!

Zum Abschluß des Tages wurde noch eine unentgeltliche Führung  durch die Ausstellung ,,Roots – Wurzeln der Menschheit" angeboten.

Ein schöner und lehrreicher Teil des Tages - vielleicht der interessanteste  - fand in den Kaffeepausen, der Mittagspause (kaum jemand ging zum Essen) und beim Tagesordnungspunkt "Steinzeitbörse" statt, nämlich die Diskussion und Bestimmung der mitgebrachten Funde. Dr. Daniel Schüle von der Universität zu Köln und besonders Jürgen Weiner vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege konnten manche Unklarheit beseitigen. Weiner bewies einmal mehr, wie wichtig neben dem Wissen um die Theorie auch die Kenntnis der handwerklichen Abläufe und der Materialherkunft ist.

Es ist geplant, jedes Jahr eine derartige Veranstaltung durchzuführen.

Mein Fazit:
Sehr empfehlenswert, selbst längere Anfahrtswege lohnen!
Etwas "paläolithik-lastig" ich führe es auf das Thema der Ausstellung "roots..." zurück. Ich würde mir fürs nächste mal mehr Neolithikum wünschen.
Eine einmalige Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen!
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Rambo

Danke  rolfpeter  für deinen Bericht,  :super: schade das es so weit weg ist von mir  :heul:
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

Silex

Vielen Dank, RP
das wär genau "meine" Veranstaltung gewesen...
Viel Glück in der Flur
vom Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo rolfpeter  :-)

Vielen Dank für den ausfühlichen Bericht !!! Klasse Veranstaltung !!!  :super:

Zitat von: rolfpeter in 05. November 2006, 17:04:21
Dann im Auditorium Begrüßung durch Dr. Michael Schmauder, den Fachreferenten für Vorgeschichte am RLMB. Er würdigte die Tätigkeit der Sammler, nannte sie bewußt Hobbyarchäologen, ein Terminus, der mir von amtlicher Seite vorher noch nie öffentlich zu Ohren gekommen ist! Allerdings unterschied er den verantwortungsvoll handelnden "Oberflächensammler", der seine Funde dokumentiert, kartiert und meldet, eindeutig vom "Sondengänger", der ggf. in den ungestörten Bodenkörper eingreift. Schmauder stellte fest, daß die amtliche Archäologie nicht in der Lage sei, sämtliche Bereiche abzudecken. Man wolle zukünftig die Zusammenarbeit mit Sammlern intensivieren und auch herausragende Sammlungen aufkaufen. Als Beispiel sei die weitbekannte Sammlung Schol, mit über 10000, teilweise einmaligen Stücken, genannt.

Es wundert mich, dass dieser Dr. Michael Schmauder auch nicht Sondler, die auf bewirtschaften Äckern und die, die in den ungestörten Bodenkörper eingreifen, unterscheidet.
Der Sondler, der auf einem bewirtschafteten Acker sondelt ist, wie ich das sehe, auch ein "Oberflächensammler".

:winke:

rolfpeter

Zitat von: agersoe in 05. November 2006, 17:43:08
Hallo rolfpeter  :-)

Vielen Dank für den ausfühlichen Bericht !!! Klasse Veranstaltung !!!  :super:

Zitat von: rolfpeter in 05. November 2006, 17:04:21
Dann im Auditorium Begrüßung durch Dr. Michael Schmauder, den Fachreferenten für Vorgeschichte am RLMB. Er würdigte die Tätigkeit der Sammler, nannte sie bewußt Hobbyarchäologen, ein Terminus, der mir von amtlicher Seite vorher noch nie öffentlich zu Ohren gekommen ist! Allerdings unterschied er den verantwortungsvoll handelnden "Oberflächensammler", der seine Funde dokumentiert, kartiert und meldet, eindeutig vom "Sondengänger", der ggf. in den ungestörten Bodenkörper eingreift. Schmauder stellte fest, daß die amtliche Archäologie nicht in der Lage sei, sämtliche Bereiche abzudecken. Man wolle zukünftig die Zusammenarbeit mit Sammlern intensivieren und auch herausragende Sammlungen aufkaufen. Als Beispiel sei die weitbekannte Sammlung Schol, mit über 10000, teilweise einmaligen Stücken, genannt.

Es wundert mich, dass dieser Dr. Michael Schmauder auch nicht Sondler, die auf bewirtschaften Äckern und die, die in den ungestörten Bodenkörper eingreifen, unterscheidet.
Der Sondler, der auf einem bewirtschafteten Acker sondelt ist, wie ich das sehe, auch ein "Oberflächensammler".

:winke:

Es waren nur Steinesammler da, das Thema wurde folglich auch nicht weiter diskutiert und war auch nicht Thema des Tages.
Allerdings bin ich Deiner Meinung und ich kenne Archäologen, die diese, unsere Meinung auch vertreten.
Übrigens liegt unter einem bestellten Acker auch ein unberührter Boden - und den unberührt zu lassen, darauf kommt's an!

grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Ajo

Hallo Rolfpeter,

klasse Bericht!
Bei dem Treffen war ja die ganze niedersächsische Steinzeit-Prominenz vertreten.

Auch auf die Gefahr hin das ich völlig falsch lag, würde mich doch das heiß diskutierte Fundstück « Schon älter? Vom: September 05, 2006, 09:14:10 » interessieren. Hast Du auf der "Steinzeitbörse" etwas zum Artefakt in Erfahrung bringen können?

Gruß,
Ajo

rolfpeter

Danke schön Ajo, Du alter Knobi!

Nein tut mir leid, hatte das Stück nicht mitgenommen.
Aber dieser "Flintenstein" hier:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21101.0.html
wurde als Basisbruchstück eines Grand-Pressigny-Spandolches identifiziert. Das wäre schon eine dolle Sache, da Grd. Pressigny südlich von Tours, mittenmang in Fronkreisch liegt, der Stein hätte also eine weiiiite Reise hinter sich!
Ich werde aber vermutlich innerhalb der nächsten 14 Tage J. Weiner treffen und ihm das Stück vorlegen, dann simmer schlauer!

Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Ajo

 :winke: RP.

Ich danke Dir, vor allem wenn Du UNS weiter so gut auf dem Laufenden hältst.
Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und warte auf Deine Nachricht.
Besten Gruß,
Ajo