5 auf einen Streich (Feuersteinbelege mit Schliffresten)

Begonnen von thovalo, 03. März 2021, 18:52:39

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thovalo

Guten Abend!

Auf einem Flurstück am rechten Niederrhein fanden sich tatsächlich auf einen Schritt gleich 5 Feuersteinbelege mit Schliffresten. VomPlatz stammen bereits über 2.000 Überreste abgebauter Beilklingen mit Schliffresten. Die Zusammensetzung der Hrkunft der Feuersteinbelege: Rijckholt, Simpelveld, hellgrau-belgisch, Lousberg, Valkenburg ergibt einen Hinweis auf eine Entstehung im späten Neolithikum für das diese Zusammensetzung chrarkteristisch ist. Offenbar wurden auf diesem Platz zumindest gebrochene und beschädigte Feuersteinbeilklingen als Materialressource weiterverwertet.

lG Thomas


Nach der Gesamtübersicht:

1. ein Kernstein von einer Beilklinge aus hellgrau-belgischen Feuerstein (Abbildung von zwei Seiten)
2. Rijcholtfeuerstein
3. eine Varietät die ich nicht sicher zuordnen kann
4. zwei Abschläge von Lousbergfeuerstein
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Ziemliches Gekrümel, aber eindeutig und gut rübergebracht. :super: Gruss..

Steinkopf


Danske

2.000 Beilklingenreste auf einem Platz, das ist wirklich erstaunlich. :staun:

Zitat von: thovalo in 03. März 2021, 18:52:39
Offenbar wurden auf diesem Platz zumindest gebrochene und beschädigte Feuersteinbeilklingen als Materialressource weiterverwertet.

lG Thomas

Dieser Schluss liegt nahe. Daran könnte sich unsere heutige "Wegwerfgesellschaft" ein Beispiel nehmen.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

thovalo

Zitat von: Danske in 04. März 2021, 10:10:59
2.000 Beilklingenreste auf einem Platz, das ist wirklich erstaunlich. :staun:

Dieser Schluss liegt nahe. Daran könnte sich unsere heutige "Wegwerfgesellschaft" ein Beispiel nehmen.

LG
Holger

So ist es!  :super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Neos

Moin, Thomas,

Zitat von: Danske in 04. März 2021, 10:10:59
2.000 Beilklingenreste auf einem Platz, das ist wirklich erstaunlich. :staun:

das sehe ich aber auch so - H A M M E R ! ! !  :super: :super: :super:

Sei ehrlich: Seit wie vielen Jahrzehnten besuchst du diesen Platz? Ich meine, allein um auf 2.000 Fundstücke zu kommen, braucht es einige Zeit. Und in diesem Fall wirst du mit Sicherheit nicht nur geschliffene Beil-Fragmente aufgelesen haben...

Viele Grüße

Frank

thovalo

#6

Guten Abend!  :winke:

Seit 2004 bin ich dort unterwegs und es sind inzwischen ca. 32.000 Artefakte, die Masse aus maasländischen Feuerstein, aus den Niederlanden und Belgien aber auch  einige Belege aus Frankreich. inzwischen liegen mehr als 600 Pfeilbewehrungen (Pfeilschneiden und Pfeilspitzen), mehr als 3.700 Silexbeilklingenbelege und ca. 120 Felsgesteinbeilklingenbelege, darunter einmal alpine Jade vom Monte Beigua in Ligurien bei Genua (radiospektronomisch untersucht und zugeordnet durch Petrequin und Dr. Errera) und Belege von 12 durchbohrten Felsgesteinartefakten, darunter drei Belege Rössener Keile, Axtklingen und eine Geröllkeule aus rötlichen Quarzit vor. Weiter fanden sich Belege con Mahlsteinen (einige vollständige Oberlieger, hunderte Belege zerschlagener Mahlsteine), Trümmer von Schleifwannen aus feinkristallinen Quarzit und viele Klopfsteine. Die Artefakte stammen in der maximal entfernten räumlichen Herkunft aus Italien, Dänemark, Polen und Frankreich und datieren von der "la Houghette-Kultur" über Roessen, Bischheim, Michelsberg und dann durchgehend bis in die früheste Bronzezeit. Alle genannten Kulturen sind auch durch charakteristische Keramikbelege repräsentiert.

Naja, das war und ist, neben der vorhergegangenen 10 Jahre dauernden Erforschung einer bis dahin noch unbekannten hochmittelalterlichen Töpferregion, mein Hauptrojekt.

Auf der Fläche fanden sichaußerdem noch drei germanische Hofesstellen, zwei fränkische Hofstellen und eine spätantike Ortsgründung, die bis in das 10. Jh. n. Chr. existiert hat und im Verlauf eines dokumentierten Wikingerüberfalls zugrunde ging.

Das war über viele Jahrtausende hinweg ein überregionaler Zentralort, der bis in das beginnende 21. Jahrhundert n. Chr. hinein vollkommen übersehen worden war. Nur im Bereich der spätantik-fränkischen Siedlung sind bis heute drei Sondagegrabungen und geomagnetische Untersuchungen durchgeführt worden. Dabei fanden sich unter den Metallfunden auch drei Belege zerstörter großformatiger römischer Kaiserstatuen, davon war eine ursprünglich vergoldet und gehört zu den ältesten Großbronzen nordlich der Alpen, die zumindest zeitgleich mit der spektakulären kaiserlichen Reiterstatue aus Waldgirmes gewesen sein muss.

Das dieser über 30 Hektar ausgedehnte Platz mit unglaublichen Mengen an weit überwiegend sehr gut erhaltenen Fundbelegen nie zuvor aufgefallen ist, ist ein wirkliches Rätsel, denn das Ruhrgebiet ist ja nicht nur dicht besiedelt, sondern hatte auch enige engagierte Facharchäologen die auch selber zu Fuß suchend unterwegs gewesen sind. Allerdings  habe ich in größter Regelmäßigkeit fast zwei Jahrzente lang immer wieder flächendecken das Fundareal prospektiert Das waren sehr bis extrem  anstrengene Jahre. So powern kann ich heute nicht mehr weil meine Knochen das einfach auch nicht mehr hergeben. Aber wenn es geht bin ich immer wieder dort und die Befunde die Funde freigeben scheinen unerschöpflich zu sein.


Naja, ich habe immer mit und für die Archäologie und Bodendenkmalpflege des LVR im Rheinland gearbeitet, sodaß das auch Alles in die richtigen Hände gelangt und damit dann weiter gearbeitet werden konnte und kann.

Jetzt habe ich noch ein zentrales Projekt im späten Paläolithikum und dann ist für mich auch langsam Ende im Gelände.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf


thovalo

Zitat von: Steinkopf in 06. März 2021, 22:57:10
Respekt Thomas!

LG
Jan


Danke!

Ich habe allerdings einfach nur riesiges Glück gehabt so einen "spot" zu finden und bin da dann schlicht und einfach "hängen geblieben"!
Was das Fundaufkommen angeht war dan dann schlicht ein "Selbstläufer".
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiesenläufer

Moin Thomas,

auch meinen Respekt! für diese ausdauernde Arbeit und Leistung.  :super:

So stelle ich mir  Archäologie vor.
Da bin ich noch weit von entfernt.

Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Neos

Moin, Thomas,

Hut ab vor so einer Leistung! Ganz toll!  :super: :super: :super:
Damit hast du der Archäologie einen unschätzbaren Dienst erwiesen.

Viele Grüße

Frank

thovalo

#11



Vielen lieben Dank für Eure Anerkennung!


Bei Euch sehe ich genau dasselbe.


Die Kontinuität und Ausdauer hat es in diesem Fall unter dem Strich letztendlich ausgemacht. Doch einen Platz zu entdecken bei dem man das auch anwenden und über so lange Zeit auch durchführen kann ist ganz dem reinen Glück überlassen. Mein ursprünglicher Gedanke war meine Region näher unter die Lupe zu nehmen, weil hier das linke Rheingebiet durch die Forschungsprojekte der Universitäten Bonn und Köln in den Tagebaugebieten auf Lößböden so extrem ungleich mehr gefördert worden ist. Rechts des Rheinlaufs suchten nur die Metalldetektorgänger und die konnten dort nur wenig Spannendes finden, ganz anders als in den linksrheinisch gelegenen unter römischer Prägung besiedelten Landstrichen.


In der ersten weit umfassenden Publikation der römisch-fränkischen Bereiche des Langzeitprojektes heisst es:

"Nach all diesen Hinweisen erstaunt es etwas, dass ein archäologischer Beleg für den bereits früh durch Indizien erschlossenen kaiserzeitlichen und frühmittelalterlichen Siedlungs- und Durchgangsort ... erst sehr spät erbracht wurde. Die Entdeckung gelang schließlich dem ehrenamtlichen Mitarbeiter des damaligen Amtes für Bodendenkmalpflege ...... , dessen planmäßige Feldbegehungen im Laufe von elf Jahren (Anm.: das war der Stand zurzeit der Publikation) insgesamt 50 Kisten mit Funden erbracht haben. Die Auswertung dieser Sammlung, die sich jetzt im LVR-Landesmusem befindet, bildet den Grundstock für die Erforschung des überregional bedeutenden Fundplatzes."

in: Bonner Beiträge Zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie 19; Der Rhein als europäische Verkehrsachse ll, Rheinische Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn; S. 289


Es hat mich schon sehr berührt, dass mir in diesem Buch und im Rahmen dieses ausgezeichneten europaweiten Projektes die Entdeckung persönlich zugeschrieben worden ist, denn in Veröffentlichungen wie z.B. in Archäologie in Deutschland, wurde stets die anonymisierte Formulierung "ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesamtes ..... " angewendet


Im Grunde geht es aber nie um Namen, sondern darum, dass so ein Projekt zum guten Ende hin auch in einem großen Ganzen auf - und eingehen kann und dadurch auch abschließend Sinn gemacht hat.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.