Kulturlandschaft: Feldfluren

Begonnen von Ruebezahl, 25. Juni 2007, 08:50:03

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Ruebezahl

Wenn wir heute mit dem Metalldetektor über einen Acker laufen, wissen wir fast nie, welche Geschichte diese Fläche hinter sich gehabt hat. Denn von der Urbarmachung  (zB. Rohdung),  bis zu den heutigen für Großmaschinen tauglichen Feldern, hat es vielfältige Eingriffe des Menschen gegeben.Da diese Veränderungen auch Einfluss auf die Fundsituationen haben, möchte ich mit euch ganz gern über dieses Thema diskutieren.
Mal ein paar Punkte, die mir so auf Anhieb einfallen:

- Einebnen von Flächen (Auffüllen von nassen Stellen)
- Melioration (Gräben, Drainage)
- Wegebau (mit Bauschutt?)
- Materialentnahme und Auffüllung der Gruben (Lehnabbau)
- Flurstücke (Entwicklung auf Grund der Traditionen)
- Flurbereinigung (viele Altwege gehen verloren)
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Silbersurfer


Interessantes Thema, denn wie du schon sagtest man stößt immer wieder auf gewisse
Zustände auf den Äckern. Bei uns sind das zum Beispiel Sand und Ziegeleigruben die
immer mal wieder in der Litheratur und auf Karten auftauchen! Diese Gruben gaben
beim " Sandgraben" von Kindern immer mal wieder Funde der Vor und Frühgeschichte
preis. Geht man heute zu diesen Plätzen, findet man Ackerfläche, die mit Schutt der
letzten 200 Jahre verfüllt wurde. Auffallend viel Porzellanreste von Puppen und
sonstigem Spielzeug! :staun:
Die Wald und Feldwege die immer wieder verfüllt wurden und mittlerweile fast alle
spaziergängerfreundlich überschottert sind geben meist auch nichts mehr her, da
auch das Umfeld oftmals für den Wegebau abgeschoben wurde!
Dann gibt es da noch etwas was mir in vielen Sucherjahren immer wieder aufgefallen ist!
Überall wo es topographisch interessante Fundstellen geben könnte, stoße ich auf die
Hinterlassenschaften der Amerikaner. Da wurden ganze Bergkuppen planiert oder aufge-
schüttet, danach dann Manöver abgehalten und Unmengen von Schutt und Patronen-
hülsen hinterlassen.
Natürlich sind nicht alle Eingriffe negativ. Beispiel: Nach der Trockenlegung einer Sumpfigen
Aue in meiner Nähe wurde ein kleiner Schloßteich trockengelegt, der wohl ehemals zum
Park gehörte, jetzt aber außerhalb im wildwuchernden Wald liegt. Dort wurden wir fündig!
Ringe, Schnallen, Geld, Knöpfe aus dem 18ten und 19ten Jahrhundert in top Erhaltung!
Vorher stand dort alles unter Wasser und wir hätten nie dort suchen können!

Gruß der Silbersurfer! :winke: :sondi:
Fisher 1265X, Tesoro Cortes, C-Scope CS3MX...

wühlmaus

Hi  :winke:

Da kann ich noch ein bißchen hinzufügen ...

Durch die Industrialisierung und die damit einhergehende "Normierung" der Äcker (um kalkulierbare Erträge einzufahren), Forcierung der Tagebaubetriebe (Kies, Kohle, Erz und Ziegeleien) und infrastrukturelle Erschließung (zB. Eisenbahnlinien und Autobahntrassen "auf der grünen Wiese") haben seit dem Ende des 19.Jh ganze Landstriche ihr ursprüngliches Gesicht verloren ...

Die heutige Gewässer Situation läßt sich oft nur schwer auf vergangene Epochen übertragen. Fluß- und Bachsysteme wurden begradigt, eingedeicht und kanalisiert. Je nach Region verschwanden viele Bachläufe durch das Grundwasserabpumpen der Tagebaue ganz von der Bildfläche und durch die künstliche Umformung der Gewässer, können die uns heute geläufigen (im momentanen Regelfall: weitaus kleineren!) Überschwemmungszonen deutlich von den vorindustriellen abweichen. Natürlich kann man hingehen und anhand des vorhanden, geologischen Geländereliefs versuchen alte Gewässerläufe zu rekonstruieren. Dabei wird man aber, in Bezug auf die Zuoordnung an einzelne Epochen, schnell an Grenzen stoßen ... ein Geländerelief spiegelt stellenweise Jahrtausende landschaftlicher Entwicklung wieder, während die Phase der Gewässerbegradigung allemal erst seit noch nicht einmal 200 Jahren eine Rolle spielt...  :staun:


Die Feldfluren haben sich selbst verändert ... Zu Anfang der modernen Landwirtschaft kann man eher von kleinbäuerlichen Verhältnissen mit kleinen Parzellen und deutlich abgrenzenden Feldrainen ausgehen, heute haben wir riesige, durchgehende Ackerflächen, der Feldrain ist meistenteils zu einem kleinen Grasstreifen entlang eines schnurgeraden Feldweges verkümmert ...

... und in der Tat haben sich die Feldwege selbst verändert. Interessanterweise wurden sie nicht unbedingt mehr... Natürlich sind bei der Neuerschließung von Gelände (ZB. alte Sumpfgebiete - Rübezahl erwähnte hier schon die Melioration und  die Einebnung feuchter Senken) auch neue Wege entstanden, aber bei fortlaufenden Umstrukturierung und Modernisierung alter Flächen fielen, neben der kleinflächigen Parzellierung, auch viele gewachsene Feldwege flach oder wurden umververlegt ...

Ein weiteres trugen die die auf dem Schreibtisch geplanten Eisenbahnlinien und Autobahnen bei, die sich über alle gewachsenen Strukturen hinwegsetzten und Landstriche regelrecht zerschnitten. Auch hier veränderten sich die Fluren und wurden dem Lauf dieser Verkehrsadern angepaßt. Alte Wegesysteme hielten sich nur bei Schaffung von Übergängen und Brücken ...

Tagebaue wurden bereits angesprochen ... Auch hier gibt es noch was anzumerken. Erz- und Braunkohletagebaue fallen natürlich schon wegen ihrer immensen Größe ins Gewicht, hier werden ganz augenscheinlich komplette Regionen "umgekrempelt". Das beschränkt sich nicht allein auf die Abbau- und Haldenzone, sondern bezieht sich auch auf den, um ein vielfaches größeren, abgepumpten Grundwassertrichter um diese Tagebaue herum, der, wie oben schon erwähnt, im weiteren Umland weitgehend die natürliche Gewässersituation bestimmt.
Es gibt aber auch eine zweite Kategorie von Tagebauen, nämlich recht kleinflächige Kiesgruben zB., die der Öffentlichkeit erstmal gar nicht weiter auffallen. Summiert man jedoch ihre vesprengten Flächen, dann übersteigen sie die der großen Tagebaue um ein weites ...
Tatsächlich fallen diese kleinen Kiesgruben für uns Sucher eher ins Gewicht, da sie nicht auf Dauer angelegt sind und, unter anderem, nach ihrer Auflassung - wie der silbersurfer schon sagte  - landwirtschaftlich wieder genutzt werden. Archäologisch sind solche Zonen eher "tot" - trotzdem können, gerade eben durch die Auffüllung mit Schutt - recht nette Funde auf solchen Flächen gemacht werden ...

All die obengenannten Punkte sind eher großflächige Veränderungen, die sich stellenweise auf ganze Regionen beziehen ... Es gibt auch Flurveränderungen, die nur von Acker zu Acker neu eingeschätzt werden können.
Gerade bei uns am Niederrhein achten die Bauern beim Pflügen nicht auf Phänomene, wie zB. Erosion - klar ist ja auch nicht gerade bergig bei uns!  :narr: Allerdings können die Äcker - gerade in den flußnahen Zonen - von tiefen und breiten Rinnen durchzogen sein ... da sind Höhenunterschiede von 4-8m auf ein und demselben Acker schon ganz gut drin! Es gibt bei uns kein "Konturpflügen" sondern meistenteils pflügen die Bauern in Hangrichtung. So kann es punktuell zu erheblichen Erosionsphänomenen kommen. Eine frühmittelalterliche Fundstelle ist mir zB auf diese Tour zu 2/3 den Hang "herabgerutscht" ...
Verfüllte Bombentrichter sind ein weiteres, punktuelles Phänomen ... Gerade an alten Bahnlinien und Autobahnen ist ja ordentlich was "von Oben" gekommen ... Nachdem Krieg konnte man die Unebenheiten stellenweise nicht durch Überpflügen ausgleichen. Man kippte dann alles was man kriegen konnte hinein ... Dementsprechend kann an solchen Stellen auch "alles mögliche" wieder auftauchen ...
Ganz übel werden Großbaustellen von Baukonzernen ... Manchmal schicken die ihren Aushub und Bauschutt quer durch die Bundesrepublik ... Mir ist von einer Ackerfundstelle slawischer Keramik am Niederrhein zu Ohren gekommen, die so entstanden ist ...

Last but not least noch zwei vorindustrielle Fundverschleppungsquellen als Sahnehäubchen obendrauf:
Mittelalterliche Plaggendüngung - fruchtbare Erde (Esch) wurde abgestochen und an anderer Stelle wieder aufgeschüttet, je nach Landstrich können dadurch wirklich Schwierigkeiten bei der Interpretation von Ackerfunden auftreten ... zum einen sind die Funde an der Oberfläche wahrscheinlich stark verlagert und dementsprechend kaum auszuwerten, zum anderen sind die eigentlichen, archäologischen Fundstellen der Esch-Zonen bei Feldbegehungen kaum greifbar, da sie tief unter den mittelalterlichen Erdaufschüttungen begraben liegen ...
Aus dem Rheinland ist mir noch das Phänomen der römischen Pseudo-Fundstellen bekannt. Mergelgruben wurden in der frühen Neuzeit stellenweise mit römischem Bauschutt bzw. Abraum verfüllt ... Eigentlich ein recht interessantes Phänomen ... Wahrscheinlich gehörten die Mergelgruben und die "Steinräuber" der römischen Bauernhöfe zu ein und derselben Firma ...  :staun:

Da gibt es also vieles, was man bei der Betrachtung eines Ackers, im Hinterkopf abspulen könnte... Ohne Hilfestellung kommt man da in den meisten Fällen nicht weiter ...
Wenn man sich eine bestimmte Region oder einzelne Ackerfläche genauer anschauen möchte, ist es deshalb immer ratsam nicht einfach nur vor Ort nachzuschauen, sondern zB. auch mit den Bauern vor Ort zu reden (Da kommt es immer auf den Bauern an ... manche haben Felder seit Generationen in der Familie und können vieles wichtiges erzählen, manche haben das Grundstück erst seit ein paar Jahren gepachtet und würden selbst gerne mehr darüber erfahren ... )
Luftbilder sind auch geeignet. Im Gegensatz zu kleineren Gebäuderesten, die sich auf herkömmlichen Luftbildern kaum ausfindig machen, sind größere geologische Gegebenheiten auf solchen Aufnahmen besser zu erkennen ...
Aber nichts geht über alte Karten!!! Es gibt ein schmales Zeitfenster in der ersten Hälfte des 19.Jh. für das es sehr gute Kartenwerke gibt. Diese Karten zeigen das Landschaftsbild in der "nachmittelalterlichen Erstarrung" und vor den Veränderungen der industriellen Revolution und sind quasi ein "Muß" wenn man sich mit geschichtlichen Räumen auseinandersetzen möchte ...

Eins dieser Kartenwerke werde ich den nächstzen Tagen hier mal vorstellen  :-D

:winke:
Gerd



BWGuenni

@Wühlmaus

Sehr interessante Ausführungen.

Die Frage, wie es auf und rund um den Acker früher einmal ausgesehen haben mag, beschäftigt mich bei jedem Acker, den ich begehe.
Mir ist es schon häufiger passiert, das ich auf dem einen Acker viel finde, auf dem in einem Meter Entfernung angrenzenden Acker aber absolut nichts. Da würden historische Karten wohl einen Teil zur Aufklärung beitragen (aber woher nehmen wenn nicht stehlen :engel:)

Bin mal auf Deine Beispielskarte gespannt, vielleicht isses ja genau die Gegend am Niederrhein, wo ich mich rumtreibe :zwinker:.

Günni :sondi: