Zwei Bleiverschlüsse (Theriak, Weihwasser, ... ?)

Begonnen von Valens, 29. April 2007, 11:52:17

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Valens

Hallo!

Innerhalb von kurzer Zeit hab ich auch endlich zwei dieser hübschen und recht interessanten Verschlüsse gefunden. Vielleicht kann mir ja einer von euch mehr dazu sagen, insbesondere zur Datierung.

Der erste ist leider nicht allzu gut erhalten (bzw. weiß ich nicht, wie ich ihn noch weiter reinigen soll), sodass ich weder beim Motiv noch bei der Umschrift wirklich etwas erkennen kann. Gibt es hier evtl. eine Seite mit Vergleichsstücken oder ein Buch zum Thema? Die Stück, die ich hier im Forum gefunden hab, sehen alle anders aus.

Der zweite ist deutlich besser erhalten, wirkt aber auf mich auch etwas jünger als der erste.
Das Motiv ist eine Brücke und die Umschrift lautet "GENTIL" (oder so ähnlich) PONTTANO. Nachdem ja Brücke auf italienisch "ponte" heißt, passt das ja sehr gut zusammen.

Interessant finde ich auch, dass beide Stücke den gleichen DM haben. Es sieht so aus, als wären die Glasfläschchen schon damals normiert gewesen  :-)

Wie gesagt, ich bin dankbar für weitere Infos.

GF Valens

Ruebezahl

Hallo Valens  :winke:
Für Theriak gilt Venedig als eins der Hauptzentren. Ich denke für das zweite Stück ist das schon ein heißer Tipp!
So richtig Literatur ist mir über das Thema leider nicht bekannt.  :heul: Eher Einzelfundbeschreibungen, wo genau ich sie aber gesehen haben ...  :irre:
Vielleicht kann Garatian da noch weiter helfen?
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Gratian

#2
Hallo zusammen, wieder mal ein spannendes Fundgut...

Aus einer Enzyklopädie von 1773:

"Theriak, Theriaca, Fr. Theriaque, eine ehemals berühmte Arzney in Form einer Latwerge, welche auch als ein Gegengift angepriesen wurde, und dessen Zusammensetzung sich von Andromachus von Creta, einem Leibarzte des Kaisers Nero, herschreibt, welcher die Zusammensetzung in einem besondern Gedichte, das uns Galen (De antidotis. Lib. I. p. 433.) aufbehalten, beschrieben hat. Diese Mischung besteht aus fast siebzig Heilmitteln, von denen einige ganz unwirksam, andere sich unter einander ganz entgegengesetzt sind, so, daß sie sich in der Wirkung aufheben. Diese Arzneymittel wurden gepulvert, und mit Honig zu einer Latwerge gemacht. Der gesuchteste war derjenige, der von seinem Erfinder: Theriaca Andromachi hieß, und der auch zu Rom von den Jesuiten bereitet, und, mit einem besonderen Privilegium versehen, verkauft und verschickt wurde.

Nächst diesem war der Venetianische Theriak im Rufe; dann verfertigte man ihn in Frankreich, besonders in Montpellier, und in den Apotheken vieler Städte von Deutschland und Holland. Er wird in blechernen Büchsen von einem ganzen, halben und Viertelpfunde, die zum Zeichen die Madonna, einen Straußvogel etc. führen, in den Handel gebracht, ist aber in neuester Zeit wenig mehr im Gebrauche, und hat das Ansehen verloren, in welchem er ehemals stand, so, daß er mit gewissen Feierlichkeiten von den Apothekern, in Beiseyn der Magistratspersonen des Orts, zusammengesetzt werden mußte.

Die Anwendung dieses Arzneymittels in der Zeit seines Rufes war gegen viele Uebel, besonders gegen genossenes Gift und wider die Pest; dann bei den Masern, Blattern, Faulfiebern, der Schlafsucht, Epilepsie, beim Schlage; auch in Brusttränken. Man gab ihn in Scorzoneren=, Kardobenedikten= oder in einem andern kräftigen Wasser, von einem Drittel= bis zu einem ganzen Quentchen, auch darüber, nach der Constitution des Kranken und der Heftigkeit des Uebels. Aeußerlich wurde er gegen die Pestbeulen und andere Auswüchse und Schäden empfohlen, und den Kindern zur Vertreibung der Würmer über den Nabel und Bauch pflasterweise gelegt.

Man suchte auch die Zusammensetzung des Theriaks auf mancherlei Weise zu verbessern, und so entstanden der himmlische Theriak, Theriaca coelestis, die Theriakessenz und der Theriakextrakt, Essentia et Extractum Theriacae, das Theriakwasser, Fr. Eau thériacale, der Theriakessig, Vinaigre thériacal, welche letztere Mischungen von Montpellier kommen, und dann der Rosoglio di Triacca von Udine und Triest.

Nach dem Mars. Ficinus soll nichts heilsamer für alte Leute seyn, um ihre Glieder zu erwärmen, und das Gehirn zu stärken, als der Theriak. Man soll, hierauf bezogen, ihn von 20 bis 30 Gran im Herbste und Winter zweimal, im Frühlinge und Sommer aber nur einmal wöchentlich, mit einem wenig Wein etc., und bei warmer Jahreszeit mit etwas Rosenwasser des Morgens sechs Stunden vor dem Mittagsessen einnehmen, aber den Tag über, bei diesem Gebrauche, keine hitzigen Speisen und Getränke genießen.

Die Species, woraus der Theriak besteht, hier anzuführen, würde den Zweck nicht erfüllen, da er außer Gebrauch gekommen ist, und wo man ihn noch vorfindet, da hat man andere Species zu seiner Bereitung genommen, mit denen man sehr geheimnißvoll thut, wie man schon immer mit der Zusammensetzung dieser Arzney gethan hat, so daß nie davon Etwas veröffentlicht worden ist, welches man für die wirkliche Zusammensetzung hätte halten können, mithin nützt auch eine ungewisse Bereitungsart nichts.

Der  gemeine Theriak, Theriaca Diatessaron, wird aus Enzianwurzel, Osterluzeywurzel, Lorbeeren, Wachholderbeeren, Myrrhen und Honig bereitet. Ueber die Bereitung der S. 245 angeführten Essenzen, Extrakte etc. aus dem Theriak, läßt sich ebenfalls nichts sagen. -- Ueber den Theriak haben Galen, Maranta, Sylvaticus, Bonfinius und Andere geschrieben."

[Anmerkung:  Das Wort "die Latwerge" stammt aus dem Griechischen (Latein: Electuarium). Es handelt sich dabei um ein brei- oder teigförmig zubereitetes Arzneimittel]

Das ist doch schon recht aufschlußreich - insbesondere auch die hervorgehobene Passage - oder?.

Zeig uns doch mal die Rückseiten der Verschlüsse.

Hier ein link zum bisher m.E. ausführlichsten Artikel zum Thema in diesem Forum:

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,14048.0.html

Die beiden hier gezeigten Varianten sind mir auch neu.

Das eine Stück zeigt zweifelsfrei eine venezianische Brücke und ist daher klar Venedig zuzuordnen. das andere könnte mit viel Phantasie ein Strauß sein....


Die Verschlüsse mit der Madonna sind am häufigsten und kommen meines Erachtens aus Montpellier. Denn das Wappen der Stadt zeigt eine Madonna mit Kind - und deren Handhaltung ist recht typisch und findet sich auf den Verschlüssen eindeutig wieder....na seht selber:


Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.