Spinnwirtel - Netzsenker

Begonnen von Signalturm, 06. Januar 2014, 17:39:16

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Signalturm

Kaum ein Bericht über ein Kugelförmiges Bleiobjekt bei dem nicht die Diskussion losgeht ob es sich um einen Netzsenker oder einen Wirtel handelt. Bei den ganzen verzierten Teilen ist es recht einfach.Klar - Wirtel. Aber sobald es Kugel oder Tonnenförmig wird geht das Rätsel schon los. Ich selbst habe eine Hand voller Musketenkugeln und davon 3 durchbohrt. Waren für mich alles Netzsenker. Bis dann "Daniel" mich einmal in unserem Museum besucht hat und in der Vitrine einen "oh, ein römischer Spinnwirtel!?!" entdeckte. Habe danach mal angefangen zu vergleichen. Einer ist sicher ein Netzsenker. Loch zu klein für eine Spindel-geht gerade ein Netzgarn durch. Bei den anderen beiden ist das eine Loch schön gleichmäßig aber leicht konisch. Das ist weniger als 1 mm aber es klemmt enorm auf der Spindel. Das ist auch die Kunst bei der Sache. Wenn die sich sich gegenüberliegenden Flächen im Wirtelloch nahezu parallel sind ist die Klemmwirkung am stärksten. Wenn der Konus so stark ist das man ihn mit bloßem Auge gut sieht hat er nur einen kleinen Teil seiner möglichen Klemmwirkung. Ein Wirtel hat ein konisch ovales Loch. Er ist nicht ganz so exakt rund und die Spindl hatte bestimmt einen ebensochen Querschnitt. Wohl gegen das verdrehen. Aber ein guter Konus dreht sich nicht. Hab mir von meiner Schwester eine Spindel drechseln lassen. Nach meinem gutdünken. Sie wurde 19,5 cm lang. Der Wirtel wiegt 28 g. Durchmesser ist ca. 18mm. Loch ist 5,6 - 6,2 mm. Ich hänge jetzt mal noch ein paar Bilder vom ersten Versuch mit Hanffasern. Sieht noch schlimm aus aber aller Anfang ist bekanntlich schwer. in der einen Nahaufnahme vom abgenommenen Faden sieht man deutlich den Drall. 2 solcher Fäden wurden danach wieder mit der Spindel ( Wirtel ) verzwirnt. Drehen in die andere Richtung. Ich breche hier mal den Text ab-die Familie ruft zur Feier. Schicke noch ein paar grundsätzliche Gedanken zu Wirteln nach.
Gruß Signalturm
Finderglück ist Finderlohn genug.

mc.leahcim

Hallo Signalturm,
ich finde das Ergebnis schon beeindruckend, vor allen Dingen wenn man bedenkt das der Hanf (wahrscheinlich Dichtungshanf) recht störrisch ist weil die Fasern da nicht so fein sind. Hmm, versuch doch mal Watte, wenn kein Schaf in der Nähe ist. :-D
Außerdem muss man ja erst mal raushaben wie es geht. Gleichmäßig drehen, zupfen auf die Spindel auffädeln. Hut ab fürs erste mal.

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

Daniel

Ich möchte mich nicht auf "ein römischer Spinnwirtel" festlegen aber er lag halt in der "Römervitrine".
Deshalb meine damalige Bemerkung. :engel:
Aber das Ergebnis vom Versuch sieht ja ganz gut aus. :super:
Spalttabletten, meine Dame, sind bekömmlich und gesund.
Doch verwirrend ist der Name, sie gehören in den Mund.

reese

Hallo Signalturm
kein schlechtes Ergebnis, da schließe ich mich an. ich denke das deine Schwester spinnen kann wenn sie dir eine Spindel drechselt.
Wenn kein Schaf in der Nähe ist tun es auch ausgekämmte Hundehaare. Damit bin ich gerade am spinnen. Ist nicht so einfach wie Schafswolle, aber richtig gekämmt ganz gut.
Mein Wirtel ist nicht kugelig. Hast Du deinen selber hergestellt?
Was für Hanf hast Du benutzt?

LG Reese

Daniel

Auf jeden Fall kein Hanf zum rauchen!  :-D
Im dortigen Museum haben sie eine Ausstellung bei der die Verarbeitung
von der Hanfpflanze zum Alltagsprodukt wie Seile oder fertiggewebten Stoff gezeigt wird.
Denke mal er hat von da ein paar Fasern abgezwackt.  :zwinker:
Spalttabletten, meine Dame, sind bekömmlich und gesund.
Doch verwirrend ist der Name, sie gehören in den Mund.

Fieldwalker

... die spinnen tatsächlich, die Badenser ...

Gruß Fieldwalker

Daniel

Zitat von: Fieldwalker in 06. Januar 2014, 21:36:28
... die spinnen tatsächlich, die Badenser ...

Gruß Fieldwalker
Selbsterkenntnis ist bekanntlich der beste Weg zur Besserung. :frech:

Gruß an alle Rhinschnooge  :winke:
Spalttabletten, meine Dame, sind bekömmlich und gesund.
Doch verwirrend ist der Name, sie gehören in den Mund.

Signalturm

Ja stimmt ich hab ein paar Fasern von dem gekämmten Hanf mitgenommen. Diese Art von Fasern wurde meist für Stricke und Seile verwand. Den Wirtel hab ich nicht selbst hergestellt. Hab ich auf einem Feld gefunden das laut LDA ein "Gutshof-provinzialrömisch" war. Bisher nur ein paar Terra Sigilata stücke und Leistenziegelreste. Meine Schwester kann nicht spinnen-sie drechselt nur-Holzbearbeitung. Die Spindel hat sie nach meinen Angaben gedreht.
Aber was die Häufigkeit der Funde angeht. Ich denke das ein großer Teil davon Spinnwirtel sind. Man brauchte Unmengen davon. Kaum ein Haushalt in der Vorzeit in dem nicht die meiste "freie" Zeit gesponnen wurde. Schon lange Zeit tragen unsere Vorfahren gewebte Stoffe als Kleidung. Und alles was nicht aus Leder oder Fell gefertigt wurde musste mühsam zuerst gesponnen werden. Die meisten Kulturen in der Antike welche Abbildnisse des Altags hinterlassen haben zeigen (in der Regel) Frauen beim Spinnen mit einem Wirtel. Das Spinnrad kam erst im 13. oder 14. Jhd. Und die Leute liefen nicht alle nackt auf der Staße. C&A und H&M war auch nicht. Also Selbstversorger.
Tierwolle, Hanf, Flachs, Brennnesselfasern usw. Unsere Vorfahren waren da sicherlich einfallsreicher als wir denken. Und es gab nicht wenige Menschen. Wenn jede Familie nur für sich die Fasen produziert die sie selbst verbraucht dann steht die Spindel nie lange still. War auch noch mit dem Spinnrad so. Bis Mitte des 19. Jhd. musste jede Frau und all ihre Töchter spinnen. Was die Netzsenker betrifft so habe ich mit dem Zunftmeister unserer Fischerzunft hier im Ort gesprochen. Sie (die Zunft) geht zurück auf ein Königliches Privileg das ins Jahr 1570 zurückreicht. Er sagte mir das bei uns am Oberrhein nie Bleigewichte als Netzsenker verwendet wurden. Traditionel immer welche aus Stein. Kosten nichts und sind im nu gemacht. Er meinte Blei sei viel zu wertvoll gewesen in früherer Zeit. Musste man erst Graben und Verhütten und Giesen. Steine gabs umsonst in jedem Flusslauf. Und was die Funde auf Feldern betrifft welche abseits von jedem Wasser sind. Es gab zwar auch die Jagt mit Netzen auf Niederwild-sehr oft sogar. Dort waren die meisten Gewichte aus einem dicken Bleiblech welches um das untere dünne Seil gelegt war was das Netz begrenzte. Es gibt einen Beitrag von Fieldwalker mit solchen Bleirollen und einem Bild von der Netzjagt. Werde ich noch raussuchen. Soweit mal meine Gedanken zum Spinnen und den Wirtel-Netzsenkern. gruß Signalturm
Finderglück ist Finderlohn genug.

Robert

Servus,

sehr gute Beschreibung und alles nachvollziehbar.

Grüße

Ro :winke:
wer alles weiß, bekommt keine Überraschung mehr