Pestkreuze

Begonnen von Tomcat, 08. November 2002, 00:08:26

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Tomcat

Hallo Bleifinder !
Hab etwas in den Archiven gestöbert und bin zu einer anmerkung eines historikers gekommen:
in pestzeiten wurden oftmals den verstorbenen bleikreuze mit in´s grab gegeben : särge gab es nichtmehr , bestattungen nurmehr rudimentär ;
also griff man auf bleikreuze als grabbeigabe zurück.

wer weiß mehr darüber ?
mfg
tct  
Life burns!

Gratian

hi tomcat,

nicht nur zur pestzeit war es üblich verstorbenen ein symbol mit "auf die letzte reise" zu geben. das begann schon in frühester vorzeit, manchesmal war es schmuck, gebrauchsgegenstände, münzen usw. später waren es blei/zinndevotionalien, rosenkränze etc. als pestkreuz bezeichnet man allgemein allerdings die steinernen kreuze die man ab und zu in der landschaft findet...als dank für die erlösung von der pest aufgestellt. allerdings gab es auch symbole die den träger vor pest und anderem unbill schützen sollte z.b. ullrichskreuze, benediktuspfennige und das caravaccakreuz mit dem zachariassegen um nur einige symbole zu nennen. diese dinge finden sich auch als grabbeigaben. alte friedhöfe wenn sie nach jahrhunderten einmal ausgegraben werden,  sind eine schatzkammer für jeden devotionalien sammler. diese zeichen wurden aber nicht nur  als grabbeigabe genutzt sondern auf äckern, weiden, unter türschwellen usw vergraben bzw. an balken genagelt...alles um den satan und andere böse geister abzuhalten.

Gut Fund

Gratian
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

Ruebezahl

Dazu habe ich auch noch mal eine Frage.
Deuten MA-Scheibenfibelfunde auf Gräber aus dieser Zeit ?
Ich war bisher der Meinung, die Bestattungen dieser Zeit waren beigabenlos ?
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Tomcat

Heutzutage legt man den Bestatteten doch auch in voller Montur in´s Grab -
Ich denke , dass auch damals schon dem Verstorbenen  seine beste persönliche Kleidung angezogen wurde.

mfg
Tomcat
Life burns!

Ruebezahl

Ich war bisher der Meinung, der Verstorbene wurde so wie er auf die Welt gekommen, nämlich nackt, nur in ein Leinentuch gewickelt bestattet. Das Christentum war ja zu dieser Zeit recht jung (in unserem Gebiet) und um die Abgrenzung vom alten Naturglauben deutlich zu machen, wurde neben der Änderung der Bestattungsrichtung auf Ost/West, wohl auch bewusst auf Beigaben verzichtet. So hab ich es jedenfalls aus Grabungsberichten ua. gelesen.
Noch mal, ich rede über die Zeit ca. 700 bis 1200.
Später wurden sicher wieder teilweise Sachen mit ins Grab gegeben.
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Tomcat

Hmmmm....(die Augenbraue hochzieh) - wo er recht hat , hat er recht !Die erklärung klingt sehr einleuchtend , Rübezahl, und ich glaube in der prähistorischen Staatssammlung in München auch sowas gelesen zu haben .
ABER (:-D) ich meine , im P.M Archäologie bayerische Gräber aus dem 8 oder 9 Jh. gesehen zu haben
(da müsst ich jetzt in mein Zimmer laufen , und das ist um halb 2 morgens ECHT weit), in denen die Toten samt Sax
begraben sind.

gute Nacht,
Tomcat
Life burns!

Gratian

Hallo,

das habe ich zumTthema begräbnis im Hochmittelalter gefunden...nicht nackt sondern sogar neu eingekleidet! Übrigens stammen viele Fibeln des frühen Mittelalters aus Gräbern!

4.2 Die Beerdigung

4.2.1 Grundsätze
· Der Verstorbene verläßt zwar die Mitte der Lebenden, bleibt aber im Jenseits weiter existent
· Die Hinterbliebenen fühlen sich weiter für die Verstorbenen verantwortlich
· Es kann von einer "Solidargemeinschaft der Lebenden und der Toten" gesprochen werden (J. LeGoff).
· Dienste an den Verstorbenen, wie z.B. "Leichenschmaus" und "Totenmahl", galten als "TOTENRECHT UND SIPPENPFLICHT", ebenso wie das "RECHT DES TOTEN AUF SEIN GRAB" und dessen Unverletzlichkeit.
· Eine Ausnahme gab es hinsichtlich den von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossenen: Sie konnten keine Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof beanspruchen und es wurde auch nicht für sie gebetet.


4.2.2 Grab und Bestattung

Die christliche Kirche lehnte von Anfang an die Feuerbestattung ab, übernahm ansonsten vielfach die regional vorgefundenen Bestattungsbräuche.

Für das Hochmittelalter gilt in etwa folgende Auflistung, wie sie seit der karolingischen Reform überliefert wurde:

Nach dem eingetretenen Tod wird der Leichnam GWASCHEN und anschließend neu EINGEKLEIDET.
Er wird auf eine Bahre gelegt und aus dem STERBEHAUS in die KIRCHE getragen. Dort wird für den VERSTORBENEN gebetet und in der Regel noch am gleichen Tage beigesetzt.
Während im frühen Mittelalter eine MESSLITURGIE nicht zwingend dazugehörte, wird sie später zum wichtigsten begleitenden Akt.

Im 10. und 12. Jahrhundert entsteht im Kloster Cluny die differenzierteste Totenliturgie. Als Bestattungsort erlangt Cluny ein hohes Ansehen. Im 10. und 11. Jahrhundert beziehen sich 10 % der Klosterschenkungen auf Laienbegräbnisse, zum Preis eines "Hofes".
"Das Kloster übernahm dabei eine feste Verpflichtung an Messen, Gebeten du Almosenspenden. Grab und Gebetsdienst sollten, wie es einmal heißt, die Fürsprache des Heiligen Petrus beim jüngsten Gericht sicherstellen".

Die mittelalterlichen Städte legten ihre Friedhöfe, anders als in der Antike üblich war, rund um ihre Kirchen an (KIRCHHÖFE).
Noch begehrter als eine Beisetzung auf dem Friedhof , war die in der Kirche. Trotz mehrfacher Verbote hielt sich die Tradition des Kirchengrabes sehr lange, insbesondere der Adel beanspruchte vehement eine Kirchenbestattung. So gewährten die Klöster ihren Adligen Stifter häufig solche Kirchenbegräbnisse.


4.2.3 Totenmahl, Totenmesse, Armenspeisung

Bis zum 4. Jahrhundert wurden TOTENMÄHLER am Grabe des Verstorbenen abgehalten. Dies geht vermutlich auf vorchristliche Bräuche zurück. Die Kirche versuchte statt dessen die EUCHARISTIEFEIER und eine gesonderte ARMENSPEISUNG durchzusetzen.

Das Totenmahl wurde zwar vom Grab verdrängt, blieb aber während des gesamten Mittelalters Brauch im Verwandtenkreis, im Kreise der Nachbarn, Gilden, Bruderschaften und selbst in den Klöstern .
Gewünschtes und Verbotenes existierten nebeneinander fort. Nach dem Ableben des Verstorbenen hielt man eine Meßfeier - und je nach den materiellen Möglichkeiten - eine Armenspeisung bzw. eine Almosenvergabe.
Bei der Meßfeier ging es im Mittelalter weniger um den Dank an Gott für das Leben des Verstorbenen und bei den Almosen nicht mehr so sehr um die Sorge für die Armen, sondern mehr um den Wunsch, den Verstorbenen zu helfen, "um ihnen in einem möglicherweise ungünstigen Jenseitsgeschick noch beistehen zu können" .

Seit der Zeit Karl d. Großen war das Abhalten von Messen, am Todestag, am 3., 7. und 30. Tag nach dem Eintritt des Todes, und an den Jahrestagen, üblich.

BORST , OTTO: ,Alltagsleben im Mittelalter'. Insel Verlag, Frankfurt a. M., 1983.
OHLER, NORBERT: "Sterben und Tod im Mittelalter". dtv-Sachbuch, München, 1993.
FUHRMANN, HORST: "Einladung ins Mittelalter", Verlag C.H. Beck, München, 1987/2000.
ANGENENDT; ARNOLD: "Geschichte der Religiosität im Mittelalter". Wissenschaftliche Buchgemeinschaft
Darmstadt, 2000.

Autor:Carsten Baumann, Bremerhaven


[Bearbeitet am 3-12-2002 von Gratian]
Gut Fund!   :engel:
Gratian

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Ruebezahl

@Gratian,
danke für deine Ausführungen.
Also deuten gehäufte MA-Fibelfunde doch auf Gräberfelder hin !

Ich weiß, das bei einigen "Gruftbestattungen" in meiner Gegend fast keine Beigaben vorhanden waren (11 Jh.) Und das sogar bei Kaiseren und Herzögen !
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Ruebezahl

Nun sind wir ja so wie so vom Thema etwas abgekommen, aber es geht ja immer noch um Grabbeigaben im Mittelalten.

Anbei ein Bericht von der Gruftöffnung (1935) Heinrich des Löwen, dessen Sarg ja auch "beigabenfrei" war.

Auch die Bestattung  Kaiser Lothar (1137) in Königslutter ist meines Wissen ohne Beigaben.

Leider habe ich bisher noch keine Berichte über die Bestattungen der "kleinen Leute" in dieser Zeit gefunden. Ich nehme aber an, daß sie nicht von den Bestattungen der Herrscher stark abweicht. (natürlich keine aufwendigen Sarkophage)
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Thor

Gruß und Gut Fund, Thor

Auri sacra fames

marag

Grabbeigaben, auch üppiger Form, waren bereits im christlichen Frühmittelalter gängige Praxis.

In Alamannengäbern bei Lauchheim fanden sich in vielen Gräbern Goldblattkreuze, auf ein Grabtuch aufgenäht, dem Toten auf Gesicht und Mund gelegt; ein Brauch, welchen die Alamannen von den Langobarden aus Italien übernommen hatten. Auch im Übrigen waren die Grabbeigaben keinesfalls schlampig. :-)

In Salierzeiten wurden ebenfalls Gegenstände mit ins Grab gegeben, wie ich letzte Woche im Speyerer Dommuseum gesehen habe.

In Ellwangen gibt unter anderem dazu eine Ausstellung "Die Reiterkrieger von Pfahlheim - Reiche Adelsgräber des 7. Jahrhunderts im Osten Württembergs". Im Internet zu finden unter:  http://www.alamannenmuseum-ellwangen.de/


Gruß marag