Zwei Belege schlichter Alltagskeramik aus der renaissancezeitlichen Fundschicht

Begonnen von thovalo, 05. Mai 2011, 08:41:08

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thovalo

Das erste Stück stammt von einer "Sette" aus den regionalen Produktionsstätten bei Ratingen (Kreis Mettmann). Charakteristisch für die späte und letzte Phase der Produktion reduziert gebrannter Irdenware ist der dünnwandig verstrichene Scherben, der noch eindrucksvoller an großen Kugeltöpfen mit hoch aufgedrehten Halspartien zu beobachten ist.

In den "Setten" sedimentierten die schwereren Anteile der Milch. Die Flüssigkeit wurde dann über den Ausguss in einen Topf, wie z.B. dem zweiten Fundbeleg, ausgekippt.

Der Topf mit diesmal metallisch schwarz-bräunlich glänzender Innenglasur stammt aus einer der zahlreichen Werkstätten für schlichte oxydierend gebrannte Irdenware vom Niederrhein. Die gab es in fast jeder kleineren Stadt zur Eigenversorgung und zum Austausch über den Rhein hinweg. Diese beiden Stücke repräsentieren die ganz alltäglich gebrauchte "Haushaltsware" des 16. Jhs. in der Region.

(das große Format des Topfes lässt sich am Vergleichsstück des kleinen Grapens aus demselben Fundzusammenhang ablesen)

lG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Noch zwei Belege von verworfenen Schlachtabfällen aus dem Befundzusammenhang!

Paradontose "kann" ein Problem sein!  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

teabone

Danke für die sehr anschaulichen Fotos und die Erklärungen zur Verwendung.
Ich dachte das reduziert gebrannte Keramik eher grau und dunkel wird.

Gruß
Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

sludsen

Danke erstmal für einen weiteren interessanten wie lehrreichen Beitrag!!  :super:

Zitat von: thovalo in 05. Mai 2011, 08:41:08
In den "Setten" sedimentierten die schwereren Anteile der Milch. Die Flüssigkeit wurde dann über den Ausguss in einen Topf, wie z.B. dem zweiten Fundbeleg, ausgekippt.

So eine Sette habe ich vor Jahren auf dem Dachboden eines Bauernhauses gefunden welches kurz darauf abgebrochen wurde. Der Besitzer konnte mir die Funktion der Schale erklären, wusste aber den Namen nicht mehr... er war aber auch schon alt...  :zwinker:

Habe das Ding schön sauber gemacht und nutze es als Obstschale, jetzt kann ich endlich sagen, wie das Teil heißt, danke dafür  :-D

Gruß
Sludsen

PS: Meine Sette ist allerdings nicht annähernd so alt wie die von Thomas gezeigte, wahrscheinlich nich älter als 100 Jahre.

werter47

Hi
hier stimmt was nicht,stellt man frische Milch hin,sammelt sich der "Rahm" oben und könnte ,das Gefäß leicht ankippen,abgestrichen werden,oder man säuert die Milch,dann setzt sich die "Dickmilch" unten ab,die Molke kann oben abgegossen werden,man erhält Frischkäse/Quark.Das wurde meines Wissens aber über Leinentücher gemacht.Und für die Entrahmung der Milch zur Buttergewinnung hatte man eigentlich Schleudern/Zentrifugen,oder ist das "Sattenprinzip" so alt,das es noch keine Leinentücher/Milchschleudern gab?Jedenfalls bei der Milch sedimentiert eigentlich nichts,ist eine homogene Flüssigkeit
....und bitte nicht mit Steinen werfen,bin Landwirt,kein Historiker,kenne aber die vorindustrielle Verarbeitung der Milch per Hand,wie zB.noch auf Almen betrieben.
Gruß Günter

thovalo

Zitat von: werter47 in 05. Mai 2011, 14:03:34
Hi
hier stimmt was nicht,stellt man frische Milch hin,sammelt sich der "Rahm" oben und könnte ,das Gefäß leicht ankippen,abgestrichen werden,oder man säuert die Milch,dann setzt sich die "Dickmilch" unten ab,die Molke kann oben abgegossen werden,man erhält Frischkäse/Quark.Das wurde meines Wissens aber über Leinentücher gemacht.Und für die Entrahmung der Milch zur Buttergewinnung hatte man eigentlich Schleudern/Zentrifugen,oder ist das "Sattenprinzip" so alt,das es noch keine Leinentücher/Milchschleudern gab?Jedenfalls bei der Milch sedimentiert eigentlich nichts,ist eine homogene Flüssigkeit
....und bitte nicht mit Steinen werfen,bin Landwirt,kein Historiker,kenne aber die vorindustrielle Verarbeitung der Milch per Hand,wie zB.noch auf Almen betrieben.
Gruß Günter


Danke für Deinen Hinweis!

Ich bin eher mit den Pötten selber als mit den Methoden der Milchverarbeitung vertraut!  :winke:


Es gibt etwas im www dazu, allerdings auch nicht grade sehr breit gestreut!

http://www.museen-sh.de/ml/digi_einzBild.php?pi=61_2010-294&s=2&&page=1&action=vonsuche&r=8


.... und aus einem Text zur Keramikproduktion in Duingen (Niedersachsen):

"Im 18.Jahrhundert, als Materialien wie  Glas, Zinn, Fayencen und Porzellan in größeren Mengen auf den Markt kamen, wurde das Tafelgeschirr der vornehmen Leute nicht mehr aus Steinzeug gemacht. Die Keramikproduktion der Duinger Töpfer konzentrierte sich nun auf Geschirr für Küche und Keller. Es wurden Vorratsgefäße, für Pökelfleisch und Sauerkraut hergestellt, Marmeladentöpfe oder Flaschen, Krüge, Schalen und Mollen zum Schlachten, außerdem Gefäße für die Milchwirtschaft.
Zum Butter machen benötigte man eine Reihe von flachen Schalen, die mit einer breiten Ausgussschneppe versehen waren, die sogenannten Milchsetten (auch Sätten oder Satten). (Eine Kunst der Töpfer war es, im Ofen möglichst hohe Stapel von Milchsetten zu brennen. Damit die Schalen nicht zusammenbackten, streute man Sand dazwischen oder trennte sie mit sandhaltigen Tonwürsten).
In diese Milchsetten wurde die frische Milch gegossen und in Schränken oder Regalen stehengelassen bis sich der Rahm an der Oberfläche abgesetzt hatte. Dann beförderte man ihn durch Pusten in den Rahmsammeltopf. Nach mehreren Tagen war der Topf voll. Den Inhalt, der inzwischen Sauerrahm geworden war, gab man in das Butterfass. Diese wurden in Duingen  in unterschiedlichen Größen, aus Steinzeug und auch aus niedriger gebrannter Irdenware, hergestellt.

Das Butterfass hatte einen Deckel mit einem Loch in der Mitte, durch das der Stiel des Butterstampfers ging. An dessen unterem Ende war ein Holzteller mit größeren und kleineren Löchern angebracht. Diese Gerät wurde in Duingen Ruischen genannt, denn durch die Auf- und Abbewegung des Stößels beim Buttern, drangen Sahne und Luft durch diese Löcher und verursachten ein rauschendes Geräusch, was wohl der Ursprung der Namensgebung war. Lange musste der Stößel gleichmäßig bewegt werden, bis sich die Fettanteile des Rahms zusammengeballt hatten und einen Butterklumpen bildeten, aus dem man dann die restliche Magermilch auswusch. Danach konnte man die Butter in einem Model zu einem Stück formen.
Eine mühsame Prozedur.
So blieb es nicht aus, dass auch hier der technische Fortschritt für Arbeitserleichterungen sorgte: 1876 erfand Wilhelm Lefeld in Schöningen die Zentrifuge, die den Rahm von der Buttermilch trennte und ein mechanisches Butterfass aus Holz, das mit einer Handkurbel angetrieben wurde. Beide Geräte verbreiteten sich bald in viele Haushalte. Zu dieser Zeit wurde Emailgeschirr, das leichter und weniger zerbrechlich war als Keramik, allgemein erschwinglich.
Für viele Duinger Töpfereien bedeutete diese Entwicklung den Ruin. Die Zahl der Töpfereien in Duingen war schon seit etwa 1800 rückläufig aber von ist ein Rückgang von 19 Töpfereien im Jahr 1876 auf 6 Töpfereien im Jahr 1900 zu verzeichnen.
Die wenigen verbleibenden Betriebe investierten in neue Technik und stellten um auf die industrielle Produktion von Blumentöpfen, Tonröhren und Steinzeugtöpfen."

lG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Storkianer


werter47

Hi Thomas,
danke für die Hintergrundinformation,die magische 1876 kannte ich noch nicht,scheint ein echt "schwarzer Tag" für die Töpferei gewesen zu sein.
Gruß Günter