Wunderschöner Trichterhalskrug

Begonnen von haasa2003, 19. Mai 2011, 14:06:46

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haasa2003

Liebe Freunde,

mein Herz singt vor Freude über einen wunderschönen, 17 cm hohen, Trichterhalskrug, den ich vor wenigen Tagen käuflich erwerben konnte.
(Auf dem ersten Bild, besagter Krug neben einem normal großen Krug mit 12 cm.)

Dazu eine kleine Vorgeschichte: diesen Krug hatte ich in einem Antikgeschäft schon vor 6 Monaten entdeckt, war jedoch durch einen Kauf in der ,,Bucht" so abgebrannt, dass ich das Krüglein stehen lassen musste. Leider! Leider! Aber im Hinterkopf gespeichert!

Jetzt, vor wenigen Tagen, kam ich durch Zufall noch einmal an diesem ca. 160 Km. entfernten  Antiquitätengeschäft vorbei und siehe da, das Krüglein stand noch an seinem Platz. Ganz ganz schnell zugegriffen!!!!

Freu, Freu, Freu.  :d1:

Das Krüglein zeigt drei sehr ,,sinnenfrohe" Modeln die sich allerdings, streng nach den damaligen Regeln der Sittenlehre, hinter der Heiligen Schrift verstecken. Die beiden äußeren Modeln zeigen "die Traubenträger", die mittlere "Lot und seine Töchter".

Wer von Euch bekommt nicht unbändige Lust auf ein feines Fläschchen Wein beim Betrachten der dicken Weintraube, die die Traubenträger an einer Stange mit sich führen? Vielleicht nur die notorischen Biertrinker unter Euch.

Mich könnte diese dicke, fette Weintraube zum "Laster" der (Wein)-Völlerei animieren. Ja möglicherweise zum ,,Saufen" Pfui! Ich schaue gar nicht hin, um nicht in Versuchung zu geraten.

Dargestellt ist natürlich ein Motiv der Bibel, die beiden Traubenträger – die Kundschafter Josua und Kaleb (Num. 13, 7. 23), die auf einer langen Stange die riesige Weintraube tragen.
P.W Hartmann schreibt dazu in seinem ,,Großen Kunstlexikon":

,,Josua und Kaleb zählten zu den Kundschaftern, die von Moses ausgesandt worden waren, um Kanaan zu erkunden, und eine riesige Weintraube aus dem Tal Eschkol mitbrachten
Die Darstellung der an einem Stab zwischen Josua und Kaleb hängenden Traube wird in der christlichen Kunst meist "Kundschafter mit der Traube" genannt und gilt als Symbol des Überflusses"

Es würde hier zu weit führen, die ganze Geschichte zu erzählen und so empfehle ich leichthin das intensive Studium der Bibel zu der Vorgeschichte und zu dem, was nachher passierte.  :glotz:

Der im dritten Bild gezeigte Holzschnitt der Traubenträger findet sich in der Biblia Germanica von J.Dietenberger, gedruckt von A.Quentel, Köln 1600. Sie enthält 135 Textholzschnitte in ornamentaler Umrahmung von dem Nürnberger Virgil Solis (1514 – 1562)  und einigen anderen Monogrammisten (AS, HE, SHF).

Nun zur mittleren Model:

Hier ist Lot mit seinen beiden Töchtern zu sehen. Links (wenig profiliert), die brennende Stadt Sodom, darunter eine 10 mm lange Säule, die Frau Lot's, zur Salzsäule erstarrt. Auf dem Boden steht ein Weinkrug. Lot fasst seiner Tochter, die auf seinem rechten Knie sitzt, an den Busen. Die zweite, vor ihm stehende Tochter, reicht ihm ein Glas Wein.

Wikipedia schreibt:

,,Lot ist die Hauptfigur der Erzählung vom Gericht Gottes über die Stadt Sodom (Gen. 19,1-29 Eu). Als zwei Engel in der sündigen Stadt Sodom nach Gerechten suchen, die von der drohenden Zerstörung Sodoms durch Gott gerettet werden sollen, nimmt Lot die zwei Fremden bei sich auf. Die Sodomiter fordern die Männer für sich, um mit ihnen Geschlechtsverkehr  zu treiben, worauf Lot der Meute seine jungfräulichen Töchter anbietet. Die Engel führen Lot vor die Stadt und gebieten ihm zu fliehen. Als seine Ehefrau, deren Name in der Bibel nicht erwähnt wird, während der Flucht entgegen dem Verbot der Engel zurückblickt, erstarrt sie zu einer Salzsäule.
Lot flieht mit seinen Töchtern nach Zoar . Als er am nächsten Morgen aus der Stadt Sodom Rauch aufgehen sieht, fürchtet er sich, flieht nach dem göttlichen Gebot in die Berge und lebt dort in einer Höhle. Darauf sagen seine Töchter, dass kein Mann im Lande sei, der ihnen Nachkommen geben könne, machen ihren Vater betrunken, legen sich zu ihm und werden schwanger. So wird Lot zum Vater und auch gleichzeitig Großvater von den beiden aus dieser Verbindung entstandenen Söhnen Moab und Ben-Ammi, aus denen die Völker der Moabiter  und Ammoniter entstehen ( Gen 19,30-38 EU).

Die Geschichte der inzestuösen Herkunft der beiden Völker Moab und Ammon wird von einigen Theologen als bewusste Propaganda der Israeliten angesehen, da diese Stämme zu ihren erbittertsten Feinden gehörten. Nach Meinung katholischer Theologen handelt es sich bei dieser Erzählung allerdings um eine Sage."

Schöne, deftige Geschichte, nicht war?

Bei dieser zentralen Model entsteht allerdings kein Bild in meinem Kopf, so wie bei den Traubenträgern das Bild einer Kiste Weines in meinem Kopf erscheint. (hier möchte ich den Spaßvögeln unter Euch zuvorkommen) Mit 64 läßt alles etwas nach.

Aber wer weiß schon, wieviele Bilder zu dieser Model in den Köpfen der Betrachter vergangener Jahrhunderte entstanden sind?

Freudige, aber auch nachdenkliche Grüße,

Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

teabone

Da freu ich mich mit Dir und werde ein Glas Wein drauf trinken :prost:

Gruß
Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

thovalo

#2
 :super:

Ein sehr reiches und feines Bildprogramm!


Und schön Deine Freunde unmittelbar nachvollziehen, sehen und vertehen zu können!

glG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

platinrubel

sehr schöner becher.  :super: ist zwar nicht mein interessengebiet, aber der sieht echt schmuckvoll aus.
in welches jahrhundert datiert der ungefähr?

möchte ja gern wissen wie ein modernes bier daraus schmecken würde.  :prost: :narr: :narr: :narr:
(ein wein natürlich auch)

darf man auch fragen, wieviele silberlige du dafür hergeben durftest??
lg platinrubel
Ich warte immer noch auf meine erste Goldmünze!!!

Grafino


Das ist ein wirklich sehr schöner und interessanter Trichterhalskrug. Herzlichen Glückwunsch.
Deine Freude darüber kann ich verstehen.
LG
Guido

haasa2003

Hi platinrubel,

zur Zeitstellung: 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Bier daraus trinken? neee, wohin mit der Schaumkrone,
der Inhalt beträgt ca. 200 ml., soviel wie ein kleines Kölsch.  :dagegen:
Wein ginge da schon eher, aber man sieht ihn nicht und auch das Weinaroma
wird sich wegen der Enge des Trichterhalses kaum entfalten können.  :dagegen:
Schnaps wäre schon eher geeignet, aber wie gießt man 20 ml in ein solch dunkles Gefäß?  :dagegen:
Mit der Nennung des Silberlinge würde ich wahrscheinlich gegen die Forumsregeln verstoßen.
Und außerdem kennt meine Herzallerliebste nur die eine Hälfte der Summe.  :peinlich:
Pssssst! Pssssst!

Verschwörerische Grüße
Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Grafino


ach ja, bei the way. Frau Reineking von Bock hat sogar an einem Siegburger Stück die dritte Tochter des Lots entdeckt.  :kopfkratz: