Siegburger Steinzeuggefäßfragmente von Gestern, darunter ein Portraitmedaillon

Begonnen von thovalo, 07. Mai 2011, 13:35:47

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thovalo

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Neben den eindrucksvollen Vorzeigestücken überliefern auch weniger spektakuläre Fundbelege interessante Informationen!  :glotz:

An einem Wellenfußkrugfragment aus Siegburger Steinzeug lässt sich der Prozess des "Verschlusen" gut erkennen. Bei zu hoher Hitze geriet neben dem Scherben der Gefäße auch die tönerne Innenwandung des Ofens ins "Laufen" und im Verlauf dieses Schmelzprozesses landeten immer wieder Tropfen auf dem eingestellten Brenngut. An dem Fundbeleg lässt sich der teils wieder abgeplatzte "Schlusen" gut erkennen, der sich auf der Außenseite an der Gefäßwandung als "Craquellée" niedergeschlagen hat. Der "Craquellée"- Effekt entstand im Verlauf des Abkühlens des Scherbens. Obwohl aus heutiger Sicht nicht undekorativ, war dieser Effekt in dieser Zeit nicht gewünscht. Zu stark verschluste Gefäße wurden als Ausschuss entsorgt und nicht so schlimm betroffene Stücke wie dieses gingen dann als Gefäße zweiter oder dritter Wahl in den Handel!

Der Wellenfuß eines kleinformatigen Gefäßes zeigt auf der Unterseite des Wellenfußes den gewünschten Effekt des "Seidenglanzes" den die Siegburger Gefäßkeramik aus der Zeit der zweiten Hälfte des 16. Jhs besonders ausgezeichnet hat und auch noch die Fingernageleindrücke die bei der Ausformung des Bodens entstanden sind. Es lag an der besonderen natürlichen Zusammensetzung der verwendeten Tonmasse, dass die Temperaturen der Brände bis auf 1300° Celsius hoch gefahren werden konnten. Dabei geriet die Außenfläche der Gefäßwandungen in Fluss und es konnte sich die feine seiden glänzende Oberflächenstruktur ausbilden. Das hohe handwerkliche Risiko dabei zeigen die verschlusten Scherben an. Dieser technologische Hintergrund ist auch der Grund warum Großgefäße (fein verzierte Großformen der  Trichterhalskrüge, reich dekorierte "Gurden" und "Pullen") gesondert und in geringen Stückzahlen gebrannt worden sind. Die Temperaturen des Brandes konnte der Töpfermeister lediglich anhand der Färbung der Feuerung und des austretenden Rauches erkennen.

Selten ist der Beleg eines gebrannten Deckels der in diesem Fall wieder vollkommen verschlust ist. Die Handhabe dieser seltenen Sonderform krönte ursprünglich ein vollplastisch individuell geformter menschlicher Kopf. Der Deckel diente ursprünglich wohl der Abdeckung eines der seltenen Pokale aus Siegburger Produktion.



lG   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Das Gestern mit gefundene Portraitmedaillon dokumentiert die hohe künstlerische Qualität einiger Arbeiten von Matrizenschneidern im Auftrag der Siegburger Töpfermeister. Diesen ist es gelungen fein ausgeführte Kupferstichvorlagen für das bildsamen Material Ton besonders ausdrucksvoll zu übertragen. Daher werden auch Kölner Goldschmiedemeister als Hersteller der Modeln solcher Auflagen angenommen. Es besteht ein deutlicher Unterschied zu den meist grundnaiv und kuhäugig gearbeiteten Gesichtern die aus der etwas älteren (!) Kölner Produktion der 1. Hälfte bis ca. Mitte des 16. Jhs. stammen (letztes Bild)!

Die Vorlage des Portraits eines jungen Mannes im Profil stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der Hand des Kupferstechers VIRGIL SOLIS. In der direkten Gegenüberstellung des originalen Porträtstiches der "PALIS" von Virgil Solis stimmt überraschend sogar das Format der Vorlage mit dem der Tonauflage überein. Die Ausfertiger vieler der fein und höchst qualitätsvoll ausgeführten Siegburger Matrizen besassen offenbar Stiche aus den Musterbüchern von Virgil Solis, Peter Flötner und Aldegrever, die sie dann dem bildsamen Material Ton entsprechend kunstvoll angepasst haben. Dafür ist dieser Neufund ein eindrückliches Beispiel.

Dem gegenüber gibt es auch in Siegburg deutlich schlichtere Ausführungen in naiv wirkender Manier! :glotz:


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

In diesem Fotostream sind nach rechts Bild für Bild Siegburger Keramiken aus dem Museum in Siegburg zu betrachten!

http://www.flickr.com/photos/paul_garland/670870845/in/photostream/

Das ist ein guter Querschnitt durch das Repertoire!


lG  :winke:



Als Anmerkung noch:

ich habe mich durch die Bilder gegoogelt die es von Siegburger Trichterhalsgefäßen im Internet insbesondere aus Auktionen gibt und habe bislang KEIN einziges (!) gefunden das nicht einen entweder vollständig oder teilweise ergänzten Hals und/oder Henkel hat. Mit etwas Übung ist das auch auf jedem Foto zu erkennen. Selbst die Stücke die im Fotostream gezeigt werden haben teilweise ergänzte unpassende Halspartien. Ehrlicher sind die gezeigten Exponate in den Vitirinen des Museums. Die sind zumindest zu einem Teil so  gezeigt wie sie erhalten sind!

lG  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.