Römisches Brandgrab

Begonnen von Buddelfisch, 29. März 2011, 10:13:42

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Buddelfisch

Hallo Keramiker,

hier mal zur Abwechslung ein kleiner Bericht einer halbwegs geglückten Notgrabung in letzter Sekunde.
Die Fundstelle ist wie immer bei mir am Oberrhein, Vorbergzone.

Bei der abendlichen Begehung einer der vielen Erschließungsgebiete in meiner Umgebung konnte ich eine schwache aber
deutliche Bodenverfärbung auf einer abgezogenen und bereits gewalzten Fläche erkennen.
Da die Fläche anderntags mit einer 40cm starken Recycling-Decke versehen werden sollte, wollte ich zumindest ein
paar Keramikkrümmel aus der vermuteten Siedlungsgrube bergen und dem Amt melden.
Bereits bei den ersten Grabungsversuchen mit dem Kitmesser kamen große Keramikfragmente aus nur wenigen Zentimetern Tiefe zutage.

Nach einem schnellen Abendessen ging ich mit Stirnlampe und Notausrüstung gespannt ans Werk,
um dem Amt bei Dienstbeginn eventuell ein paar Fakten liefern zu können.
Ein paar Stunden Spachtelarbeit in sternenklarer Nacht brachten Klarheit;
es mußte sich um eine Brandbestattung mit mehreren Gefäßen handeln.
Ich habe die Fundstelle dann gekennzeichnet, abgedeckt und mit der unmißverständlichen Botschaft versehen,
daß vor weiteren Arbeiten die zuständige Dienststelle beim Regierungspräsidium zu kontaktieren sei - vielleicht nicht rechtlich binden, aber wirksam :zwinker:
Es war mittlerweile früh am Morgen(3:30 Uhr!), als der bebilderte Fundbericht per Mail ans Amt ging.

Als ich mit zitternder Erwartung um 8:00 Uhr auf die Baustelle kam, hatte der weise Baggerfahrer die Fundstelle ausgelassen
und sogar mit einem Erdhaufen vor den rückwärtsfahrenden Vierachsern geschützt. Die Rückmeldung vom Amt kam überraschend früh-leider mit der Nachricht, daß
momentan keine Kräfte verfügbar wären. Ich bekam dafür die Erlaubnis, selbst eine Bergung mit meinen Mitteln vorzunehmen, falls es die Lage erfordern würde.

Die Lage war mehr als unklar und so hab ich zwei Kameraden benachrichtigt, die mir helfen sollten.
Wir haben dann bis zum Abend die Teile in Fundlage freigelegt, abgelichtet und nach langer Überlegung entnommen.

Am nächsten Morgen wollte ich den "Krater" noch sauber schneiden, als das Amt mir für diesen Tag überraschend Unterstützung anbot.
Ich hatte zuerst ein etwas ungutes Gefühl, was die Profis wohl zu unserer "Wühlung" sagen würden, die jedoch waren voll des Lobes für die geleistete Arbeit.

Das Einmessen und die photogrammetrische Aufnahme war routiniert, und der restliche Befund lieferte noch eine Menge Daten und Erkenntnisse.
Vorab kann man sagen, daß es sich um ein wohl römisches Brandschüttungsgrab mit zwei kleineren Amphoren und mehreren, teilweise sehr dünnwandigen, unverzierten Kleingefäßen handelt.
Der Leichenbrand wurde in noch heißem Zustand aus einem nebenliegend Brandplatz in die Grube und die Gefäße gefüllt.
In der Füllung fanden sich außer dem kleinstückigen Leichenbrand(mit einem Wirbel und zwei Kalottenbruchstücken) zwei Tierknochen und eine Menge Nägel in allen Kalibern und Macharten.

Nachdem sich auch die Bauleitung und der Bürgermeister vom ungestörten Fortgang der Baustelle überzeugen hatten, wurde der Einsatz beendet und die Fundstelle freigegeben.
Im Nachhinein betrachtet, hätte mit einer etwas ruhigeren Gangart mehr Information aus dem Befund gewonnen werden können.
Aber diejenigen unter uns, die schon mal vor den Baumaschinen hergerannt sind, wissen sicherlich, wie es einem in dieser Situation geht.

Immerhin sind die Kontakte zwischen den Beteiligten hergestellt und der Baggerfahrer ist eine gute Seele, sodaß weiteren Funden in diesem Gebiet nix im Wege steht.

Gruß an Alle :winke:
Ralph

PS: Einige Anwohner meinten tatsächlich, da würde jemand des Nachts etwas vergraben, bevor die Straße drüber kommt  :staun:

sludsen

Tolle Sache, danke für den Bericht!!
Schön, wenn's mal so harmonisch zwischen Amateuren und Archäologen zu geht.
Bist Du Archäologe, oder Grabungstechniker oder wieso haben die Dir erlaubt selbst sichernd einzugreifen?

Gruß
Sludsen

andreasluecke

Das ist doch eine wirklich schöne Geschichte. So darf es häufiger laufen, wenn Not am Mann ist.

Auch der Baustellenbesatzung kann man hier nur den Daumen erheben.  :super:

insurgent

Vielen Dank für den schönen Bericht  :super:
Meine Bodenfunde werden gemeldet

Buddelfisch

#4
@Sludsen
Nein, ich bin nur ein interessierter Laie, der langsam aber sicher die Mechnismen des archäologischen Denkmalschutzes in seinem Bundesland versteht und auch ein gewisses Vertrauen seitens des Amtes genießt.
Die Erlaubnis beruht eher auf einer speziellen Art der Formulierung, die für das Raum schaft, was hier seit Jahren eigentlich vom Tisch ist. :zwinker:

Vielleicht wäre die Fundstelle unter der Straße tatsächlich für kommende Generationen von Archäologen besser aufgehoben gewesen.
Aber immerhin hat das Gebiet jetzt einen neuen Status als Verdachtsfläche und ist damit eher im Fokus, was auch bei zukünftigen Fundmeldungen hilfreich sein wird.
Das es hier z.B. baubegleitende Maßnahmen geben wird, halte ich angesichts der personellen und finanziellen Mittel des Amtes für ziemlich unwahrscheinlich.

Gruß Ralph

StoneMan

Moin,

danke für den spannenden Bericht Ralph.

Sehr schöner Einsatz  :super:


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo


Ein erfreulicher und sinnvoll-engagierter Einsatz. Wenn der Ausausch so gelingt ist Vieles möglich!  :super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

mifomex


Hallo Ralph,
ebenfalls Danke fuer den schoenen Bericht !
Hab das vor x Jahren ganz aehnlich erlebt,war ein Urnenfeldergrab.
Fotos sind aber in Deutschland. :besorgt:
Glueckwunsch mit Ehre
Gruss Sash :winke:
"Wer Vergessenes ans Licht bringt, Bereichert das Wissen!"

Goatman

Hi,
danke für diesen netten und aufschlussreichen Bericht.
Leider ist es nicht immer so mit dem Verständnis vom
Amt und den leuten vom Bau.