Renaissance: Siegburger Trichterhalskrug. Höhe 16 cm

Begonnen von thovalo, 24. April 2010, 17:34:49

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thovalo

 :winke:

Vielleicht alle zwei Jahre gelingt es, trotz aller Mühe, die Vernichtung solcher seltenen Fundbelege bei uns hier am rechten Niederrhein zu verhindern. Dieser Siegburger Trichterhalskrug ist ausgezeichnet erhalten und zeigt zwei ansprechende Portraitdarstellungen in der Art römischer Münzen.

Die Medailliondarstellung mit dem Namen TITVS, ein behelmter bärtiger Herrscher im Profil mit Tunika, entspricht römischen Münzportraits, die für Auflagen dieser Art, nach üblichem Muster der Zeit, als Vorbild gedient haben. Das Bildnis befindet sich in einem auf die Spitze gestellten Quadrat mit Akanthusblättern in den Ecksegmenten, das wiederum von einer Rundfassung umschlossen ist. In den Kreissegmente befinden sich gegenständig geflügelte Erotenköpchen und Blütengirlanden! Diese Bildkompositionen wurden in "Musterbüchern" zusammengefaßt, die von Handwerkern und so auch von den Modelschneidern der Siegburger Töpfer verwendet worden sind und finden sich ebenso z.B. in der Malerei, auf Möbeln und Metallarbeiten der Zeit.  :glotz:

Die identische Auflage des "TITVS" befindet sich einmal links und einmal rechts seitlich auf dem Gefäßkörper.

Die frontale Dartellung der JVLIVSA mit Mittelscheitel, langen seitlich herabfallenden Schläfenlocken und tiefem Dekolleté ist eine recht freie künstlerische "Komposition" und wirkt in der Art der Darstellung naiv und kurios.


Getrunken wurde aus diesen kleinen Krügen wohl nicht mit zwei "angespitzten" Fingern die angestrengt den Henkel halten mussten und "gespreiztem kleinen Finger", sondern mit dem Gefäßkörper voll in der Hand und den Mittelfinger durch den Henkel geschoben.

Bei steigendem "Pegel" rutschte das Gefäß bei diesem Griff nicht so schnell aus der Hand sonderen eher noch mit dem Zecher unter den Tisch! :zwinker:


Produktionsort Siegburg: zweite Hälfte des 16. Jhs.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Hallo Thomas,


ein wirklich schönes Fragment, und mal garnicht verschlust.

Der würde sich über einen neuen Trichter doch bestimmt sehr freuen.  :zwinker:

Grüße

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

thovalo

  :-)

Der Krug ist ein Bodenfund aus einem Stadtteil von Düsseldorf und in seiner Zeit wohl ganz regulär auf dem örtlichen Markt beschafft worden. Die gute Qualität des Gefäßes geht wohl auf seine Herkunft als echt gelaufene "Handelsware" zurück, für die eine entsprechende Auswahl an Qualitäten getroffen worden ist.

Mit Bodenfunden aus dem Bereich der Produktionsstätten in Siegburg sieht es meist anders aus! Verschlust, deformiert, oft unsauber angarnierte und abgeplatzte Partien der Auflagen usw.

Der Krug hier ist echtes Gebrauchsgut aus dem Alltagsgeschirr gut situierter Bürger.

:winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.