Endlich Karolingerzeit!

Begonnen von wühlmaus, 17. September 2006, 19:54:21

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wühlmaus

Hi

ich hatte letztens endlich mal das Glück auf eine Stelle mit Keramik aus dem 9.Jh zu stoßen. Ist für unsere Breitengrade gar nicht mal so häufig und ist im Moment mein ganzer Stolz!
Es ist eine kleine, recht übersichtliche Stelle, die ich bislang nur 3x während der letzten Wochen abgegangen bin. Bin mal gespannt was alles so nach dem Pflügen kommt....

Erstmal eine Randscherbe mit Rollstempelverzierung

wühlmaus


wühlmaus


wühlmaus

Randscherbe (unter Umständen Römisch)

wühlmaus

Zwei Rollstempel verzierte Wandscherben, das Fragment einer Badorfer Reliefbandamphore und einige unverzierte Wandscherben die sowohl von der Art des Tons und des Brandes gut zu dem Badorfer Fragment passen ...

wühlmaus

und zu guter letzt hartgebrannte Wandscherben der Zeit etwa 9. - 11. Jh, 2 rotbemalte Wandscherben des 10.-11.Jh Pingsdorfer Machart ...

wühlmaus

Ist die erste Feld-Fundstelle des 9.Jh. bei mir seit langem und dann direkt geballt!
Scheinbar sind bei mir fast alle Orte, die in der Karolingerzeit besiedelt waren, später zu Dörfern und Städten herangewachsen. Eine unüberbaute Stelle zu finden hatte ich schon fast aufgegeben.

ciao
das Wühlmäusle

Silex

Danke Wühlmaus,
endlich! möchte ich fast sagen,  sieht man hier Scherben wie man sich das in einem Keramiksucherforum vorstellt- ich muss mich da selbst auch rügen.
Für mich ist diese Epoche auch besonders interessant weil hier die urkundlichen Erstnennungen unserer ersten geschichtlichen Siedlungen meist vordatiert werden können. Und auch in meiner Gegend sind Funde dieser Zeit ziemlich rar weil eben -wie Wühlmaus- schon sagte diese Keimzellen  inmitten der Folgebebauung zerstört worden sind.
Sind die Funde schon "verläßlich" datiert?
Und aus welcher Gegend stammen die Teile (ganz grob, naturräumlich umrissen)?

Danke Wühlmaus , nochmals
vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Hi Silex

Verläßlich datiert sind erstmal die Bilder ma001, 002, 009 und 010 - also die rollstempel verzierte Randscherbe, die Rollstempel verzierten zwei Wandscherben und das Wandbruchstück der Reliefbandamphore. Diese Stücke sind Prachtexemplare der karolingischen Keramik-Leitfossilien am Niederrhein!!! Die kann ich noch selbst aus meinem Wissen und von schon von datierten Vergleichstücken, die ich selber in der Neusser Innenstadt fand datieren. Bei den anderen Stücken wurde es schon schwieriger ( bis auf die rotbemalten Pingsdorfer, die gibts bei uns schon wiederum recht häufig), da war ich auf meine Literatur angewiesen.
Der ganze Komplex ist jetzt erstmal per E-mail an die Landesarchäologen gegangen. Oktober werde ich sie erstmal an die Archäologen weitergeben, zusammen mit dem ganzen Rest meiner Sammlung, zur weiteren Bearbeitung.
Mal schauen was da noch so alles kommt ....

ciao
das Wühlmäusle

wühlmaus

Und er hat ihn gepflügt wie ein Weltmeister:

Randbruchstück mit Merowingerzeit Verdacht:

wühlmaus

unverzierte Rand und Wandbruchstücke - allesamt sehr hart gebrannt und außerordentlich dünnwandig. Der Ton ist durch die große Hitze im Bruch schon fast verglast - sieht aus wie karamelisiert ... Leider bin ich noch nicht so fit vom Rand auf das gesammte Gefäß zu schließen, weiter unten gibts ein paar erläternde wissenschaftliche Zeichnungen, die die Grundformen ganz gut wiedergeben ...

wühlmaus

Randbruchstück I mit meinem heißgeliebten Rollstempeldekor ...

wühlmaus

Randbruchstück II mit meinem heißgeliebten Rollstempeldekor ...

wühlmaus

Hier mal was neues für mich. Ein Randbruchstück (eines Kugeltopfes) mit offensichtlicher rot-brauner Bemalung. Ich wußte das man im 9.Jahrhundert schon mit roter Farbe experimentierte. Diese Entwicklung führte später zur sogenannten Pingsdorfer Keramik (hab ich weiter unten noch ein Scherbchen für Euch), während aber bei der Pingsdorfer Keramik, die rote Farbe entweder in zufälligen, wirren Schlieren oder Rautenmustern an der Wandung angebracht wurde, findet sie sich hier an diesem Stück an exponierter Stelle am Gefäßrand.

wühlmaus

rollstempelverzierte Wandscherben:

wühlmaus

und hier das Leitfossil der Karolingerzeit schlechthin:
Die Badorfer Reliefbandamphore

Wandscherben mit gestempelten Bändern, eine Henkelscherbe und unverzierte WS, die sich aber von Ton und Machart her den Badorfen zuordnen lassen ....

wühlmaus

Hier noch die zahlemäßig viel geringere spätere Mittelalterliche Keramik:
Pingsdorfer WS mit roter Bemalung 10./12.Jh, hochmittelalterliche graue Kugeltopfscherben und eine rot-braune Faststeinzeug Scherbe des 13./14.Jh

wühlmaus

#17
Was die Einordnung der Funde angeht:

Ich hab etwas recherchieren müssen, bis ich was passendes fand.
Hier zwei Berichte über eine schon ausgegrabene, sehr gut vergleichbare Stelle aus unserer Nachbarstadt Krefeld:
http://www.archaeologie-krefeld.de/Bilder/entdeckungen/PDF%20Dateien/vennikel/GieslervennikelT11.pdf
http://www.archaeologie-krefeld.de/Bilder/entdeckungen/PDF%20Dateien/vennikel/GieslervennikelT12.pdf

Und zu guter letzt zum Vergleich noch Zeichnungen von Keramik aus dieser schon wissenschaftlich bearbeiteten Siedlung und eine Typentafel zur Entwicklung der Keramik vom frühen zum hohen Mittelalter.

Vorab schon mal  :gn
euer Wühlmäuschen

Silex

Wühlmaus , Danke!!!
Wenn ich das früher gewußt hätte.... was hab ich schon alles weggeschmissen.......
Und die Krefeld-Links sind  außergewöhnlich interessant.... für unsere Fundlandschaft gibts  kaum Vergleichbares
Gute Nacht
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Wühlmaus  :-)

Ich denke die Landesarchäologen werden hier sehr interessiert sein !!!  :super:

Tolles Fundkomplex, da ist damals richtig was los gewesen !!!  :zwinker: :winke:

wühlmaus

Die Stelle ist wirklich ein Highlight. Eigentlich hatte ich sie mir nur angeschaut, weil ihre erhöhte Lage am Rande der Rheinebene und ein paar klägliche römische Ziegelreste, die ich vor einigen Monaten auf ihr fand, mich dort einen römischen Wachturm vermuten ließen.
Damals lag das Feldstück länger brach und war ziemlich zugewuchert, sodaß man kaum Scherben sehen konnte.

Die römische Streuung konnte ich in der Zwischenzeit auch belegen, aber sie ist nur sehr sporadisch ... kein Vergleich zu den Funden aus dem frühen Mittelalter. An sich ist die Fundstelle auch nicht wirklich groß. Die Kernstreuung ist etwa 20x20m. Alles sehr überschaubar dort. Ich kann mir das doch recht üppige Material nur durch angepflügte und/oder erodierte Gruben erklären. Vieles davon kam in Hanglage zu Tage.

Meine Theorie ist im Moment, dass man in der Karolingerzeit den römischen Wachturm  reaktivierte. Die Stelle ist an sich perfekt um einen etwa 3 oder 4 Kilometer entfernten Rheinübergang einzublicken, der im 9.Jh. auch nach historischen Quellen noch eine Rolle spielte. Aber dass ist bloß Spekulation ...

ciao
das Wühlmäusle

Buddelbär

Toller Karolingerfundplatz,

zur Datierung von Badorf, Hunneschans & Konsorten siehe auch: Georg Hauser: "Abschied vom Hildebold Dom - Die Bauzeit des alten Domes aus archäologischer Sicht" in:
Kölner Domblatt, 1991, 209 ff

So datiert z.B. reines Badorf bis Ende 9. Jhd., die Laufzeit der Reliefbandamphoren so von 800 bis 1000.

Grüße Buddelbär und Glückwunsch zu diesem ohne Zweifel interessanten Fundplatz, da wäre eine Einzelfundeinmessung echt interessant. 

wühlmaus

Hi Buddelbär  :winke:

laß den Dom in Kölle - unser Münster ist viel schöner!!!  :-D
Und da wir im Jahr 2000 ganz dick die Translatio der Quirinus Gebeine gefeiert haben, hat uns heimatgeschichtlich Interessierten die Stadt ein wundervolles, dickes Buch geschenkt:

Quirinus von Neuss - Beiträge zur Heiligen-, Stifts- und Münstergeschichte; Köln; 2000. Ebenda: Wolfram Giertz, Reliefbandamphoren aus St. Quirin im Kontext karolingischer Keramik; S. 222 ff

Der gute Giertz liefert in diesem Artikel eine Chronologie der RBA. Interessant ist hier, dass es neue Prospektionsergebnisse aus der Voreifel gibt (Walberberg, 2-3km südöstlich von Badorf), die den Beginn der RBA-Typen schon ab Anfang 8.Jh. erkennen lassen. Laufzeit der verschiedenen Typen ist bei Giertz ebenfalls bis etwa 1000 ...

Da ich bisher noch keine Randscherben gefunden habe, wird es mit der Einordnung in das Typenspektrum kniffelig werden ... 9./10.Jh. läßt sich da erstmal nicht präzisieren. Wichtig bei der Stelle hier, ist erstmal die Beobachtung, dass nur wenig klar erkennbare Pingsdorfer Ware vorliegt ... Also eine Belegung des Platzes im 11.Jh wohl nicht mehr gegeben ist....

Heute Abend werd ich keine Bilder mehr machen können. Morgen im Lauf des Tages werd ich die Chronologie-Tabellen aus dem Aufsatz mal hochladen. Wird für die Anderen wahrscheinlich auch nicht uninteressant sein ...

ciao
das Wühlmäusle

Buddelbär

Moin Wühlmäusle,

ich habe während meiner Grabungszeit unter Kölner Dom (unter den Fittichen von Georg Hauser) auch intensiv mit einem Kommilitonen Prospektion im Bereich der Vorgebirgstöpfereien betrieben, wenn Du magst sende ich Dir Scherbenproben zu, die Du per Dünnschliff mit Deinen gefundenen vergleichen könntest.....(oder wir sehen uns bei Hau8s Bürgel)....

Herzliche Grüße, Buddelbär 

wühlmaus

Sorry, hat doch viel länger gedauert, als ich geglaubt habe.
Der Bauer hatte nochmal gepflügt und ich wollte die neuen Funde abwarten, bis ich an dem Thread hier weiterschreibe.
Großartig neues hat sich aber nicht getan. Der Fundstoff ist der gleiche wie bei den letzten Begehungen. Deshalb jetzt auch nur ein zusammenfassendes Foto der neue Randscherben und verzierten Fragmente. Einziges Novum war der Fund von zwei Bröckchen Bronzeschlacke als Hinweis auf Buntmetallverarbeitung am Ort... Zeitstellung ist natürlich fraglich, da auch römische Funde auf der Stelle rauskamen.

wühlmaus

So, und jetzt zu den Typentafen der Reliefbandamphoren:

wühlmaus


wühlmaus

Eine bessere Qualität hab ich leider nicht hingekriegt ...  :heul:

@ buddelbär:
auch wenns ein bißchen spät kommt: Auf jedenfall danke fürs Angebot. Ich hab allerdings noch nie mit Dünnschliffen gearbeitet. Ehrlich gesagt, ich hab noch nichtmal ein Stereomikroskop zuhause  :heul:
Interessant sind die Proben aber allemal!!! Gerade die Bruchflächen der Scherben sind bei dieser Art der Keramik spannend. Aus dem Grund hab ich mir ja auch die Mühe gemacht auch alles an unverzierten WS mitzusammeln, um eine möglichst breite, statistisch auswertbare Materialbasis zu bekommen. Vergleichsmaterial aus den Töpfereibezirken selbst wäre da das Nonplusultra, was ich kriegen könnte!

ciao
das Wühlmäusle

Buddelbär

Liebe Wühlmaus,

schick' mir eine Mail mit Deiner Anschrift, ich sende Dir dann ein Care-Paket zu !  :winke:

Grüße, Buddelbär

wühlmaus

@ Buddelbär:

:super: Hast ne PM von mir ...