LBK von meinem allerersten Acker

Begonnen von RockandRole, 23. Oktober 2015, 19:11:06

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RockandRole

Hallo Gemeinde,

will euch einige Funde vom letzten Sonntag zeigen die mein Dad und ich gemacht haben.

Die Funde sind in Unterfranken auf einem Acker gemacht worden der mir besonders am Herzen liegt. Darauf befindet sich eine Siedlung der LBK die schon in der ältesten Phase anfängt und bis in die jüngere LBK bestand. Einst war ein Stück davon in Familienbesitz und so sind mein Dad und seine Brüder schon in jüngeren Jahren über diesen Acker gelaufen, ohne dass sie wussten worauf sie sich befinden. Vor ca 35 Jahren wurde diese Siedlung bekannt und so liefen sie ab und zu mal sporadisch über das Feld um vielleicht ein paar Scherben, und wenn die ganz viel Glück hatten ein ´Messer´zu finden.

Vor ca 20 Jahren hat mir die Stelle dann mein Dad gezeigt und meine Liebe für Steinzeit war geweckt. So liefen wir dann, jedes Jahr einmal hinunter um LBK zu suchen. Nach ein paar Jährchen Pause laufen wir nun regelmäßig das 7. Jahr in Folge, fast das gesamte Areal ab. Genauso wie dieses Frühjahr schon einmal.

Diesen Sonntag war fast der komplette Acker offen. Wir liefen eigentlich nur sporadisch 1,5 Stunden darüber, bis mir die Lust verging. Was ich dabei hatte, ist ein Gefühl über eine sterbende Fundstelle zu gehen, bei der man die Zerstörung nicht aufhalten kann. Nicht irgendeine, sonder ´meine´ Fundstelle. So viele Fundstücke nach einer 7 jährigen nahezu vollständigen Absuche, zeugen von einer Vernichtung des Befundes.  Ich befürchte nach ein paar Jahren ist von der Stelle nicht mehr viel übrig. Eine Grabung ist dort nicht in Aussicht, da muss ich schon zugeben, das ein Bauvorhaben fast besser wäre.

Da sind die Scherben dieses mal auch kein Trost.

liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

RockandRole

gefährliches Drittelwissen

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: RockandRole in 23. Oktober 2015, 19:11:06
...
Was ich dabei hatte, ist ein Gefühl über eine sterbende Fundstelle zu gehen, bei der man die Zerstörung nicht aufhalten kann...
...

@ Daniel, ich spüre Deinen Kummer und Dein Bericht ist die Antwort auf meine Frage, die ich mir
immer wieder stelle: "Auflesen oder nicht?"

Es gibt nur eine Antwort: "Uns bleibt nicht viel Zeit - weitermachen!"

Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

mc.leahcim

Zitat von: RockandRole in 23. Oktober 2015, 19:11:06
Eine Grabung ist dort nicht in Aussicht,
Da sind die Scherben dieses mal auch kein Trost.

Anhand dieser zwei Zeilen kann ich dein Gefühl nachvollziehen. Aber wenn ihr nicht bewahrt, was noch zu bewahren ist, wer dann?

Zitat von: RockandRole in 23. Oktober 2015, 19:11:06
Nicht irgendeine, sondern ´meine´ Fundstelle.

Würdest nicht du / ihr wenn ihr aufgebt "deiner" Fundstelle den Todesstoß geben?

Liebe Grüße

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

Birk

Moin Daniel. Super schöne scherben.  :super: Aufhalten kann man die Zerstörung leider nicht, aber so viel wie  sichern.  :zwinker: Also immer weiter.

   Gruß
  Thomas

archfraser

Hallo Daniel

Ich kann deine Gefühle und Gedanken absolut nachvollziehen.
Seit etwa 7-8 Jahren laufe auch ich immer wieder eine bandkeramische Siedlungsstelle ab, die bereits seit den 1970er Jahren bekannt ist. Ich hatte allerdings 2013 das Glück, dass ich durch meine andauernden Vorstellungen bei den Archäologen mit neuen Funden auch bei ihnen gewisse Fragen auslöste, und sie dadurch punktuelle Ausgrabungen vornahmen. Durch diese wurden nicht viele Artefakte gefunden, da das Areal bereits enorm erodiert ist, aber einige neue und interessante Erkenntnisse.

Auch ich würde mich meinen Vorschreibern anschliessen und dich motivieren weiter zu machen.
Alles was du dort aufliest und mitnimmst ist gerettet und für die Zukunft bewahrt!

Noch ne kleine Nachfrage: Hast du auch dort Hämatit (facettiert oder nicht) gefunden?

archfraser
,,Es mag sein, dass wir durch das Wissen anderer gelehrter werden. Weiser werden wir nur durch uns selbst."

Michel de Montaigne

thovalo

#7


Daniel und resignieren!?  :smoke:    


.............   never  ................................  :super:


Die Größe der Fragmente deutet darauf hin, dass aktuell die Schichten der Befunde direkt angegriffen sind und die Befunde aktuell von der Landwirtschaft aufgearbeitet werden. Daher macht es Sinn zu sammeln um Spannbreite, Zeitstellung, Dekore zu sichern und auch die Archäologen weiter mit Informationen auf Trab zu halten!

Ein Platz hat immer dann eine Chance wenn man sich ihm intensiv widmen, ihn in seiner Bandbreite durch Dokumentation erfassen und somit materiell "erhalten" und ein möglichst breites Netzwerk aktivieren kann.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hallo Leute,

vielen Dank für eure Anteilname. Natürlich werden wir hier weiter vor Ort sein und unser Bestes geben um so viel wie möglich in der jetzigen Größe zu erhalten. Die großen Scherben würden eine Bearbeitung im Pflughorizont nicht mehr lange mitmachen. Wenn man sich manche Ränder anschaut, sind sie relativ frisch gebrochen. Ein Wunder, dass überhaupt noch so große Belege von solch alter Kermik zu dokumentieren ist. Zusammenpassungen versuchen wir meistens vor Ort noch, die werden dann extra abgepackt.

Ich kann gar nicht sagen wieviele Scherbenbelege wir über die Jahre hier aufgesammelt haben. Wir müssten die Masse schon in Kg angeben für die Fundmeldung. Zählen würde meine verfügbare Zeit überstrapazieren. Die letzte große Abgabe ist schon 3 Jahre her. So lange lässt sich das Amt schon Zeit mit der Bearbeitung. Da lesen wir lieber weiter auf und fahren dann mit einem Transporter nach Memmelsdorf. Nächste Woche Treffe ich meinen Betreuer vom Amt, da werde ich ihn mal persönlich auf dem laufenden halten. Der setzt sich super ein für die ´Hobbyarchäologen´.

Der Platz liefer neben gezeigter Keramik noch hauptsächlich Mahl- und ein paar Schleifsteine. Klopfsteine sind auch ganz oben in der Rangliste. Silex spielte dort eine eher untergeordnete Rolle, obwohl immer ein Sicheleinsatz  und ein Kratzer mit in die Tüte wandert. Felsgesteinwerkzeuge liegen eigentlich gut im Schnitt zu anderen LBK Siedlungen. Eine Dechsel konnten wir am Sonntag auch bergen (wobei ich mir bei der zentralen Schneide nicht ganz sicher bin) Hämatit hab ich von dort nur 2 Belege. Das ist recht ungewöhnlich im Vergleich zu dem anderen Fundaufkommen. Beide sind facettiert. Das Rohmaterial wittert aber in der weiteren Umgebung an manchen stellen heraus. Ich habe auch eine LBK Fundstelle, da ist jedesmal ein facettiertes Färbersteinchen mit dabei. Hier ist aber auch so eine natürliches Vorkommen vor Ort. Von dem Platz kommt auch ein Bundsandsteinstück mit Mulde und erhaltenem Hämatitfärbung. Liegt leider seit besagten 3 Jahren beim Amt und ich habe keine Bilder.

Wenn ihr wollt kann ich euch die Funde vom Frühjahr auch noch mal zeigen. Auch damit ihr versteht wie krass hier die Landwirtschaft eingreift.

liebe Grüße Daniel


gefährliches Drittelwissen

Levante

Hi ,

ja die wehmut des Feldbegeher 's , einerseits die Freude über die Funde , aber die Trauer über die fortlaufende Zerstörung des Befundes bzw. des Bodendenkmal s überwiegt leider meist. Ich musste leider schon oft feststellen, dass Fundstellen welche ich seit den frühen 90ern begehe heute absolut fundlehr sind Un nichts mehr an ein Bodendenkmal erinnert komplett ausradiert von landwirtschaftlichen Nutzung.
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Enkidu

Hallo,
Wirklich eine beeindruckende Sammlung!
Die oberflächliche Zerstörung durch die Landwirtschaft ist wirklich traurig, allerdings bleiben die Siedlungsbefunde wie Pfostenlöcher und Gruben ja in der Regel erhalten und werden erst durch Baumaßnahmen endgültig zerstört. Wenn die Fundstelle bekannt ist, kann in so einem Fall aber eine archäologische Begleitung noch stattfinden. Viel schlimmer sind die nicht bekannten Fundstellen, diese werden oft einfach weggebaggert. Es gibt zwar eine Meldepflicht beim Entdecken, aber da hält sich aus Kostengründen kaum eine Baufirma dran...
Gruß enkidu