Lysimachos: Diadochenherrscher im Gefolge Alexander des Großen

Begonnen von thovalo, 29. April 2010, 23:06:38

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

thovalo

 :winke:

Liebes Forum, lieber Patrik,

ein Schmankerl für die Nacht....     :engel:  :engel:  :engel:


Ein Bodenfund aus dem weltlichen Stadtbereich einer der ältesten Klostergründungen am Niederrhein:

Ein einfacher Trichterhalskrug von noch 9.9 cm Höhe, dessen Symbolgehalt es "in sich" hat!  :zwinker:


Das Besondere ist nicht das schlichte Gefäß, sondern das nicht benannte Bildnis eine Mannes in Rüstung, mit Phrygischer Mütze auf dem Kopf, einen Krumsäbel an der Seite und einem Becher in der erhobenen Hand, der vor einer durch Wasserpflanzen symbolisierten Quelle steht.

Selbst renomierten Keramikforschern weitgehend unbekannt, gab es in der Zeit der Renaissance die Kunst der EBLEMATA, der "Sinnbilder", als fester Bestandteil bildlichen, bildnerischen und allegorischen Ausdrucks.

Und insbesondere Keramikkundlern ist die verschlüsselte Symbolik der Abbildungen auf Tongefäßen des 16. Jhs, tatsächlich auch weitgehend verborgen geblieben. Sie gliedern die Abbildungen nach vorhandenen Benennungen wie "de liefde" (die Liebe) oder beschreiben schlicht und nüchtern die Abildung: Mann in Rüstung......  mit Becher in der Hand.... usw.

Das hat den Gefäßen die durch viele Abbildungen dem Menschen seiner Zeit vermittelte Symbolsprache genommen und sie für uns Heute schlicht zu dekorierten Gebrauchsgütern einer lange vergangenen Zeit gemacht.

Das dies einmal ganz anders war und auch Heute noch "gelesen" werden kann, zeigt exemplarisch dieser kleine Siegburger Trichterhalskrug!


:-)

Der Mann der den Becher vorweist ist, wie bereits gesagt, Lysimachus, ein Diadochenherrscher aus dem Gefolge Alexander des Großen.


IN LSYMACHVM IN EOS QVI DIVITARVM DVLCEDINE DELENITI ECCLESIAE GVBERNACVLA ACCEDVNT

Epta placet multis funes clade voluptas. Et magno interdum poenituisse licet. Disce ergo, et tristes veterum reniniscere casus. Quos latuit verus posteritatis honos.



Übersetzung:

Auf die, welche, durch die Sünde des Reichtums verlockt, an das Ruder der Kirche treten.
Vielen behagt ein Vergnügen, das mit todbringendem Schaden erkauft ist, auch wenn man es zuweilen sehr bereuen muß. Lerne also und gedenke der traurigen Fälle der Alten, denen das wahre Ansehen der Nachwelt vorenthalten wurde.

Ein Weiteres

Lysimachus gab sich, weil er Durst hatte, in die Hand eines wilden Feindes, um seinen Durst an einer sprudelnden Quelle löschen zu können. Nachdem er sich in langen Zügen gesättigt hatte, soll er unter Tränen gesprochen haben: O zehnmal wegen ihrer Kürze bejammernswerte Lust! Ihrem Anfang folgt schnell ein Ende    -    Quält dich, Unsiniger, wahnsinnige Gier nach Reichtum, der doch, wie man sagen könnte, an Wert nicht einmal dem Wasser gleichkommt, so sehr, dass du in den Klerus eintrittst und dem Bischof, deinem Verwandten, da du ihm sonst nichts schenken kannst, dich selbst überantwortest, während du (doch in Wahrheit nur) auf die Insignien eines göttlichen Erbgutes und die heilige Schätze des schon im Sterben liegenden Oheims hoffst? Gäbe es sie nicht, so wärest du als wilder Streiter in die stürmischen Kriege der Fürsten gezogen oder deine Geliebte wäre durch dein Gelöbnis jetzt deine Gattin; gleichwohl wetteiferst du sogar mit uns in Bezug auf Liebespfänder (Kinder), so daß schon das ganze Land von deiner Bankertschar überfliesst.


So unscheinbar der Krug daher kommt, repräsentiert sein schlicht erscheinendes Bildprogramm tief greifende protestantische Kritik an den Verhältnissen der katholischen Kirche, in der Kirchenämter aus Gewinnsucht angestrebt und aus verwandtschaftlichen Verhältnissen heraus ('"Nepotismus") vergeben wurden. Dabei scheuten sich die angesprochenen Kleriker nicht, mit ihren Geliebten zahllose Kinder in die Welt zu setzen!    :teueng:


Literatur:  
EMBLEMATA Handbuch zur Sinnbildkunst des XVl und XVll Jahrhunderts. Verlag J.B. Metzler. Stuttgart. Weimar. 1967/1996. 1154 "Lysimachus durch Durst zur Übergabe an die Geten gezwungen."


Leider sind die Gefäße Heute eher Sammlerobjekte als kulturhistoprisch geschätzte "Transportmittel" für Aspekte der Weltanschauung in ihrer Zeit, die, versteht man sie zu lesen, unbezahlbar ist!   :amen:


Wer bis hier durchgelesen hat: R E S P E K T!!!!!!    



:engel: :engel: :engel:     Schlaft gut und träumt von schönen Dingen!   :engel: :engel: :engel:  

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

mc.leahcim

Lieber thovalo,

ich habe bis jetzt noch nicht mal geahnt das es in der Renaissance die Kunst der EBLEMATA gab, geschweige denn was sie ist. Mit entzücken habe ich deinen Thread gelesen. (bis zu Ende  :narr: ) Wie toll ist es solche Bilder "lesen" zu können. Hoffentlich wird "diese" Kunst des lesens an weitere Generationen weitergegeben, denn es wäre schade und ein echter Verlust wenn wie in diesem Beispiel nur ein Mann in Rüstung..... übrig bleiben würde.

Danke

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

thovalo

#2
 :winke:

@ mc.leahcim  

Freut mich, dass der Text nicht erschlagen hat und interessant war!



Leider habe ich bei EMBLEMATA oben im Text das M vergessen!   :nono:



Eine ausführliche Darstellung der EMBLEMATIK des 16. und 17. Jhs. findet sich unter:


http://de.wikipedia.org/wiki/Emblematik

:-)


Und noch ein Link zu Lysimachos:

http://de.wikipedia.org/wiki/Lysimachos



Die waren auch ohne wikipedia ganz schön auf dem Laufenden im 16. Jh. Sicher ein gute Beschäftigung an regnerischen Tagen! :zwinker:

LG

:winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Hallo Thomas,

ich antworte dir erst jetzt.

Da mich dein Text doch etwas erschlagen hat.

Also ich habe schon 1-2 mal EBLEMATA auf Steinzeug gesehen, jedoch erschienen mir diese wesentlich eindeutiger, als dein Exemplar hier.

Da währe ich im Leben nicht drauf gekommen, auf eine solche Deutung. :zwinker:

Jedoch hätte mich die Darstellung schon etwas stutzig gemacht (eventuell).

Grüße

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

thovalo

  :winke:

Das Eindeutige ist schon (fast) KEINE Embemata mehr, denn die erschliesst sich nur dem, der sie "ohne Worte" lesen kann!    :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante






                                     :prost:Ok ich habe anscheinend schon wieder zu viel Rotwein getrunken. :-) :prost:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

haasa2003

Hallo Thovalo,

als Neumitglied dieses schönen Forums habe ich mit großem Interesse Deine beiden Beiträge (Lysimachos / Rose) zur Emblematik auf Renaissance-Steinzeug gelesen.

Sie zeugen von einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit dieser interessanten Materie.

Leider steht mir das von Dir genannte Werk  ,,EMBLEMATA, Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts"  nicht zur Verfügung, sodass ich mich hier z.Z. nicht einlesen kann.
Aus welcher Quelle stammt der lateinische Text, der von Dir angegeben wurde? Und in welchem Zusammenhang ist der Diadoche Lysimachos (ca. 330 v.Chr.) mit der Simonie der Kirche des ausgehenden Mittelalters zu sehen?

Mit religionspolemischen Darstellungen auf Steinzeug habe ich mich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten auseinandergesetzt. Eine große Siegburger Pulle zeigt 5 Medaillons. Die Auferstehung, 3mal die Verkündigung, und als 5. Darstellung die Hure Babylon, das lasterhafte Weib auf dem siebenköpfigen Ungeheuer reitend, den Kelch mit dem Blute der Heiligen in der Hand.

Welch eine wahnsinnige Zusammenstellung.

Ein weiteres Beispiel, der Trichterbecher mit dem Vexierbild Papst / Teufel. (Auch Kardinal / Teufel möglich)
Dann die Interimsschnelle und die Schnelle mit der Darstellung des Schafstalles Christi.

Alle diese Darstellungen zeugen sehr klar vom tiefen Hass der ,,Protestanten" auf die katholische Kirche. Und sie sind eindeutig.

Wer hat so etwas gekauft? Klar, auf Bestellung die Protestanten in den Niederlanden, die Norddeutschen, usw. Aber wo wurden solche Produkte hergestellt? Unter anderem im katholischen Siegburg. Der Abt hatte aber den Daumen feste auf den Töpfern. Die Märkte wurden nach solchem ,,Schändlich Gebäck" durchsucht, wurden Händler mit solcher Ware erwischt, konnten sie mit empfindlichen Strafen rechnen.

Ob die wenigen evangelischen Töpfer in Siegburg ihren Unmut über die katholische Kirche (ja schon fast geheimbündlerisch) so versteckt emblematisch ausdrückten? Wer weiß.

Andererseits wäre die Rose auch als ein wenig vereinfachte (ohne Kreuz) Lutherrose zu betrachten. Unter der Vielzahl der Siegburger Blumenmodeln ließe sich solch ein Emblem prächtig verstecken.

Aber wie erklärt der einfältige Pottverkäufer auf dem Altermarkt in Köln seinem potentiellen Kunden im Gedränge des Marktes die besondere Aussage seines Trichterbechers mit der Hundsrose?

Lieber Thovalo, deine Beiträge haben mich zum Nachdenken gebracht, und ich werde mich ein wenig mit Emblematik auseinandersetzen. Kann es sein, dass die Emblematik eine große Rolle in der Alchemie für die Meister mit ihren Adepten spielte?

Wer sich übrigens mit Religionskritik auseinandersetzen möchte, sollte sich einmal auf die Seiten

http://www.payer.de/relkritiklink.htm

begeben. Aber Vorsicht: An Nachtschlaf  ist dann nicht mehr zu denken.

Freundliche Grüße aus dem Rhein-Sieg-Kreis
Winfried

Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Levante

Hallo Winfried,

schön das du noch die Zeit gefunden hast etwas zu dem Thema zu schreiben.

Aber du hast da etwas wichtiges vergessen, die Bilder der Auflagen.  :zwinker:

Grüße

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

haasa2003

Hallo Patrick,

schon etwas in den "besseren Jahren", weiß ich im Moment noch nicht, wie das mit den Bildern geht.
Ich werde mit Dir telefonieren und Du wirst (wenn Du magst) mir dabei helfen.

Bilder sind zu dem Thema reichlich vorhanden und ich werde sie gerne nachliefern.

Gruß Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

#9
@ haasa 2003



Lieber Winfried,   :winke:

ich versuche mal eine Antwort, aber ob ich die hier jetzt ad hoc komplett hinbekomme ..........

Das Buch zu den Emblemata ist ein hoch komplexes Handbuch und schon fast eine eigenständige Bibliothek mit Kreuz- und Querverweisen "in sich"!

Zitat zu Lysimachus:
Horaz, Epistulae l 2, 55

weitere Angaben zur verwendeten Literatur der Autoren:
Diodorus Siculus, XXl 12; Plutarch Demetrius 52, de tuenda sanitae praecepta 9, regum et imeratorum apophthegmata 183 E, de sera niminis vindicta 11; Justin. XVl 1,19; Strabo Geographia Vll 303 und 305


Lysimachus wurde in Zusammenhang mit der Simonie in der Kirche gesehen, weil er sich, sein Heer und seinen Sieg gegen "einen Schluck Wasser" aufgegeben hat.

Der kurze Genuss zur Befriedigung seines unmittelbaren Bedürfnisses lag ihm näher, als der wahre, lange, schwierige und aufrechte Weg sein Ziel zu erreichen. (Wie es der Klerus der katholischen Kirche in dieser Zeit eben auch gern und selbstverständlich auf dem Weg zur eigenen Karriere machte)


Sehr bemerkenswert ist der Umstand, dass der Klosterort aus dem der Krug stammt, ein Kanonikerstift des gehobenen Adels war, der ja schon per se entsprechend gut dotierte Positionen im Voraus kaufte um seinen jüngeren Nachwuchs entprechend zu plazieren!
........................................................................................... :teueng:



Die Darstellung der "Rose" ist noch subtiler. Sie IST eine "Lutherrose" aber zugleich eben auch nur eine "Rose"! Daher konnte man das Gefäß als das kaufen und verkaufen als das man es sehen und haben wollte.

Und verborgene Zeichen und Symbole, die der Kundige "lesen" konnte, gehörten seit jeher fest zur Bildersprache des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

(In der frühen christlichen Kirchen wurde z.B. auch das Bild des "guten Hirten" von den Christen der römischen Bildkunst entnommen. Auch diese Darstellung konnte der "Kundige" so lesen wie es im jeweiligen Kontext gemeint war.)

Da musste man auf dem "Alder mart" im "hilligen Kölle" nicht mal so tun als ob man "Bückware" zu verkaufen hätte!

Anders sieht das mit den offen lesbaren kirchenkritischen Bildprogrammen wie Papst/Teufel, Hure Babylon usw. aus. Das sind ja hoch fein gearbeitete Sonderanfertigungen, die nicht eben mal versteckt in einer Ecke eines Siegburger Töpferofens von Protestanten "heimlich" gebrannt und unter anderer Ware versteckt aus der Stadt gebracht werden konnnte. Ich denke eher "Geschäft war Geschäft"!

Problematischer war wohl eher der Besitz im direkten Umfeld des Käufers. Da waren so unscheinbare und nicht "bezeichnete" Bildthemen wie "Lysimachus" und "die Rose" Anspielungen, die sich nur den Gebildeten unter den "Trinkern" näher erschlossen. (Weil man wusste, wie der Andere "tickte").

Wesel am Niederrhein war eine protestantische Zufluchtsstätte, wie auch andere Städte am Niederrhein. Und auch im Katholischen Lager war die Unzufriedenheit mit Klerus und Kirchenführung groß!


Und zu guter Letzt waren es die katholischen SPANIER, die dem Siegburger Töpfergewerbe den Gnadenstoß gegeben haben. Und der Erzbischof von Köln überlegte sehr ernsthaft zum protestantischen Glauben überzutreten. Das ist ein Hintergrund vor dem vielleicht nicht ALLES aber sicher VIELES möglich war!

Und ob katholisch oder protestantisch: Geschäft war Geschäft!  :prost:



PS: auf einer Feldflur zwischen der Bischöflichen Residenz in Brühl und dem Bischöflichen Jagdschloß Buschhoven, fand sich bei Feldbegehungen eine massiv vergoldete Gürtelspitze aus Messing, britischer Herkunft.

Darauf das benannte Wappen der Herzoglichen Schottischen Familie "HAMILTON".

Auf Schloß Buschhoven fanden im 16. Jh. geheime Religionsgespräche des Erzbischofs zu Wied mit protetantischen Reformatoren, deren Protagoniste und Anhängern statt.


Die Herzogliche Familie HAMILTON bildete die Spitze des Hochadels in Schottland und ein Sproß dieser Familie:
                       
                   Sir PATRIK HAMILTON, Abt von Fearn

ging als "Märtyrer" der Schottischen Reformation in die Geschichte ein.


Er reiste zum Studium nach Marburg und zwar über KÖLN. Es gab wohl eines der geheimen Gespräche in Buschhoven an denen er teil genommen hat. Der Fundbeleg liegt noch zur Restaurierung in Bonn. Sobald ich ihn zurück erhalte, werde ich ihn dann auch im Forum einstellen.

Hingerichtet wurde der Reformator Patrik Hamilton auf dem Scheiterhaufen, den ihm der Erzbischof von St. Andrews in Schottland errichten liess. Und nicht lange danach wurde der Bischof durch Anhänger der Reformation in vollem Ornat an einem Fenster seiner Burg aufgehangen!  :amen:

Wat mut, dat mut!  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003


Lieber Thovalo,

zuallererst  einen ganz herzlichen Dank für Deine erschöpfende (und hier meine ich nicht "ermüdende") und zeitintensive Antwort auf meinen bescheidenen Beitrag. :winke:

Unter dem Gesichtspunkt der Emblematik habe ich meine Sammlung bisher noch nicht betrachtet, habe aber nun damit begonnen. Ich glaube, hier könnte von Dir der Keim einer mir ganz neuen Sichtweise gelegt worden sein. Ich ahne, dass hierzu eine gewaltige Anstrengung der ,,kleinen grauen Zellen" notwendig sein wird, und dass das keinesfalls von heute auf morgen geht.

Du hast recht, in der Literatur renommierter Keramikforscher sind mir bisher keinerlei Hinweise auf diese hintergründige Betrachtungsweise untergekommen. Das liegt vielleicht nur daran, dass ich noch nicht alles Verfügbare gelesen habe.

Zu der kleinen und unscheinbaren Darstellung des Mannes mit dem Glas, stehend an einem Tümpel, schreibt Peter Seewaldt in seinem Bestandskatalog des rheinischen Landesmuseums Trier unter der der Bildnummer 287: ,, Darstellung eines vorwärtsschreitenden trunkenen Zechers in Narrenkostüm, ein Stangenglas haltend".   Was soll man nun davon halten?

Zu weiterer Forschung, den Lysimachos betreffend, hatte ich einerseits leider noch nicht die erforderliche Zeit, andererseits fehlt es auch an der notwendigen Literatur. (Horaz, Siculus, Plutarch, usw.) Aber ich bleibe dran.

Das gewichtige Werk ,,Emblemata" habe ich mir, neugierig geworden durch Deinen Hinweis auf die hohe Komplexität seines Inhaltes, im Antiquariat bestellt und bin darauf sehr gespannt.

Vorerst ganz herzliche Grüße aus dem Rhein-Sieg-Kreis,
Winfried

PS: auf weitere Erkenntnisse zu der Hamilton-Gürtelspitze bin ich sehr gespannt.




Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

IVVECVO

#11
.....neu ist die Thematik EMBLEMATA ( Sinnbild/er ) im Kunsthandwerk nicht .
Gäbe es sonst mehr als 800 Buchtitel darüber ( es gibt auch Faksimiliausgaben
zB. die EMBLEMATA POLITICA 1640 - Die Sinnbilder im Nürnberger Rathaussaal -die
vom Autor auch gut aufgelöst werden ). Was mich irritiert ...die EMBLEMATA
unterliegt ja eigenen Gesetzen ....nur die Interpretation ist scheinbar variabel . :kopfkratz:

          Gruss  Juv

thovalo

#12
So geht es zu in der FACHWELT!

:-D

Herr Seewaldt aus Trier bietet ja direkt am eingestellten Objekt den Klassiker des Nichtkennens durch den Nichtkenner!

Zitat aus Beitrag von Seewaldt:

,,Darstellung eines vorwärtsschreitenden trunkenen Zechers in Narrenkostüm, ein Stangenglas haltend".  


Der Narr ist hier wohl, freundlich formuliert, eher der unkundige Interpret im Auftrag des Landesmuseums Trier, der das betreffende Bild auch noch peinlich klar unzutreffend beschreibt.

Die Narrenkappe ist eine nicht verstandene "Phrygrische Mütze" und repräsentiert mit dem Krummsäbel, der der Figur auch noch an der Seite hängt, für jeden Menschen der Renissance den Topos der "orientalischen" Tracht".

Damit ist schon die Region bzw. der "Kulturkreis" vorgegeben, aus dem die dargestellte Figur stammen soll. Das ist von Seewaldt schon nicht verstanden worden. Das eine in flachem Tonrelief gefertigte Figur "trunken" dargestellt sein soll .....  hat er "gerochen", "geraten", bei der Bearbeitung des Textes selber was getrunken und sich inspiriert  ...... ?

Das ist derart unsachlich und fachlich inkompetent, dass ich meine Polemik hier enden lasse, denn es geht tatsächlich darum, dass diese Bilder nicht frei zu interpretieren sind!

(PS: klingt so wie eine Interpretation des "fröhlichen Zechers" nach dem Bild in der Zeit des Historismus! Stammt Herr Seewaldt vielleicht aus der Zeit des ausgehenden 19. und frühen 20. Jhs. ?)


Mein Lieblingsnichtfachmann mit offen publizierter Peinlichkeit in hoch dotierter Position beim LVR hat ein Modelfragment des "Lamm Gottes" aus einem mittelalterlichen Burggraben als Model zur Herstellung von Appliken an römischen Göttervasesn zurecht interpretiert und der breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

http://www.sucherforum.de/index.php/topic,42300.0.html

Das Nichtfachmännische ist in meinem Augen weniger der peinliche Ausrutscher, vor dem aber auch Niemand gefeit ist (z.B. auch nicht der große Prof. Dr. Virchov, der den Neanderthaler aus dem Düsseltal bei Erkrath als kranken, degenerierten Kosaken zurecht gedeutet hat), sondern, dass diese einer breiten Öffentlichkeit präsentierte kapitale Fehldarstellung zu keiner Zeit öffentlich revidiert worden ist. Das hätte nämlich dem wissenschaftlichen Gebot und Grundsatz von Klarheit und Wahrheit entsprochen.

So besitzte ich wohl das bislang größte bekannte Fragment eines Model zur Herstellung von Appliken für römische Göttervasen in Europa, denn es gibt bislang nur diese beiden Stücke, die tatsächlich Fragmente zweier Model mit der Darstellung des "Lamm Gottes" aus der Zeit um 1500 sind!


Fachlichkeit, Wahrheit und Klarheit kann man nicht studieren!  :zwinker:



Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

IVVECVO

.......ich sehe das ALLES wesentlich gelassener , zumal ich selbst schon
genug Schrott publiziert habe . Solcher verhilft zur Demut . :narr:
Trotzdem möchte ich ein Beispiel wie es nicht laufen sollte den Deinen hinzufügen .

Publiziert wurde von zwei Akademikern ein Fingerring mit
etwa folgendem Text :

Spätröm.Bronzering mit eingeritztem Christogramm auf der Platte .
......das Stück ist ein wichtiger Beleg für die frühe Verbreitung
des Christentums in diesem Landkreis ....

Was wars für ein Ring .... ein volkstümlicher Siegelring mit eingekreuzten
landwirtschaftlichen Geräten ... Sense , Dreschflegel usw. aus der Zeit
um 1800 n. Chr .

                      Gruss  Juv


thovalo

Danke, auch ein sehr schönes Beispiel! Und immer menschlich....  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

haasa2003

Hallo Thovalo,

Dr. Peter Seewald habe ich gegoogelt.
Er ist wohl z. Z. einer der führenden Kunsthistoriker des Rheinischen Landesmuseums Trier.
Mit allerlei Veröffentlichungen und Aktivitäten rund um die Stadt Trier.

Gruß Winfried,


Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

thovalo

#16
Hatte ihn auch bereits gegoogelt, doch das rettet ihn nicht!  :zwinker:

Auch Frau Reinking-von Bock (ausgewiesene Wissenschaftlerin am Kunstgewerbemuseum in Köln) hat so manchen Bock geschossen. Aber es ist wirklich sonst auch egal, wer, wie und was...

Es steht ja jedem offen, sich die Literatur heran zu ziehen, wie Du das ja auch tust!

Viel Spaß bei der Lektüre!!!!!!!
Die Publikation ist wirkllich hoch interessant und enorm vielseitig!

LG   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.