Eine Stielgrapenkanne aus einer hochmittelalterlichen Keramikproduktion

Begonnen von thovalo, 01. Februar 2024, 14:20:43

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thovalo



Moin!

Das Gefäß hat eine sehr ungewöhnliche Form und kann als Stielgrapenkanne beschrieben werden. Das Gefäß hat die Grundform eines klassichen rheinischen Kugeltopfs mit drei Standbeinen, einen Stielgriff (die distale Partie ist alt abgebrochen) und eine vertikal angebrachte Ausgußtülle. Die Tülle läuft in ihrem unteren Bereich schmaler werdend zu. Das Gefäß stammt aus der Zeit des 13. Jhs.

Der Gefäßtyp ist extrem selten, Funktion ist nicht bekannt und auch nicht urkundlich oder bildlich überliefert. 

Es ist zu erschließen, dass das Gefäß für den Umgang mit Gebrauch einer flüssige Substanz oder verschiedenen flüssige Sbustanzen konzipiert worden war. Beim Ausgießen von Wasser aus diesem Gefäß wird deutlich, dass die gegkniffene Tülle dafür sorgt, dass nur ein  dünner und gut kontroillierbarer Anteil von Flüssigkeit aus dem Gefäß läuft. Es kam dem Eindruck weniger darauf an einen große Menge Inhalt aus dem Gefäß zu gießen, sondern eine kontroliierte Menge gleichmäßig fließen zu lassen.

Es gibt zwei Substanzen die in dieser Bezieung nahe liegen. Einmal Wasser, das man grundsätzlich aus jedem Hohlkörper ausschüttet werden kann. Das kontolliert zu tun, wäre bei einem Gefäß zum Waschen der Hände am Tisch sinnvoll. Das wäre dann der Gebrauch im Sinne eines LAVABO, eines Handwaschgefäßes. Solche Handwaschgefäße sind gelegentlich auch auf Tafelmalereien zu finden, meist als Typus eines Gefäßes mit zwei seitlichen Ausgüssen an einem aufgehangenen Geßäg. Dazu gehörte noch eine Schüssel in die dann das Wasser einfließen konnte. In dieser Funktion werden z.B. die sogenannten HAnsaschüsseln aus Messing vermutet. Auch die LAVABOgefäße besteen zumeist aus Messing.

Für weniger vermögende Haushalte wäre eine solche Funktion und so ein Gefäß, das man nch dem Gebrauch wiederstabil auf seinen Beinen abstellen kannm hervorragend geeignet. Der zweite mögliche Verwendungszweck ist das Ausgießen von erwärmten Fett. Es gibt ab dem hohen Mittelalter den keramischen Typys des "Fettfängers", einer meist rechteckigen flachen großen Schale mit abgerundeten Ecken, die gelegentlich auch einen Ausguß aufweisen, der manchmal als menschliches Gesicht gestatlet sein kann.Die Fettfänger wurden beim Braten unter das Fleisch auf einem langsam rotierenten Spieß gestellt um das mit Bratensaft vermengte Fett aufzufangen. Das diente dann wieder zum Braten, Kochen, Würzen und Anreichern weiterer Speisen.

Möglicherweise diente eine solche Stielgrapenkanne dazu, sie auf den Beinen sethend so nahe zu einer Wäremequelle aufzustellen, dass das in sie eingebrachte gehärtete Fett sich wieder lösen konnte. Weil Fett als Energiespender einen hohen Wert besaß war es wichtig, die auszugießende Menge der flüssig gewordenen gut kontrollieren und führen zu können, wozu ein Gefäß in dieser spezifischen Form ideal gestaltet ist.

In der Zeit des 13. Jhs. waren Fettfänger und wäre eine Stielkanne für dne Zweck des Ausgießens von Fett eher Teil de rAusstattung einer herrschaftlichen Küche einer sozial gehobenen Haushaltung gewesen. Andere keramische Produkte der Töpferei, wie Ofenkacheln, Bodenkachlen deuten gleichfalls darauf hin, dass hier nicht nur für die umliegenden einfachen ländlichen Siedlungen Gebrauchskeramik gefertigt wurde, sondern auch für die Klöster und Burgen und Herrrensitze in der Region.


Vom Typ dieser sehr gute erhalten gebliebene Sonderform gibt es auch noch eine vermutliche etwas ältere oder zeitgenössische abgewandelte Form. Es handelt sich dann um Stielkannen die statt der drei Beine  zwei seitliche Knubben auf der Seite der Handhabe aufweisen, die einen Ausgleich zum Gewicht des Henkels bieten und so eine scrhäge Neigung des Gefäßes verhindern. Für ein Gefäß, das nur Wasser enthalten und ausgießen würde wäre das nicht notwendig. Auch an dieser Variante ist die Ausgußtülle eingekniffen damit sie einen feinen und kontrollierbaren Strahl von Flüssigkeit ausläufen lässt. Auch damit hätte man im Fall eine Handwaschgeäßes wie auch in der Funktion eines Fettkännchens sinnvoll arbeiten können.

Da es sich um ein verworfenes Gefäß handelt (verworfen weil ein Stück des Henkel abgebrochen war) macht einen Inhaltanalyse leider keinen Sinn.


Ob nun Handwaschgefäß oder Fettkanne, beide Funktionen sind eher in einem sozial gehobenen Kontext zu verorten, als in einem bäuerlichen  Haushalt im damals insbesondere landwirtschaftlich geprägten Raum.


Weil der Typus so selten und noch nicht erforscht ist, habe ich jeweils einen Beleg der Stielgrapenkanne und einen der Stielkanne mit seitlichen Standknubben behalten, um zu diesem Gefäßtyp weitere Forschungen durchführen zu können. Vergleichstücke finden sich aus dem weiten Raum des Rhein-Maasgebietes nur sehr selten, was diesen Gefäßtyp dann auch als Sonderform deutlich hervorhebt und kennzeichnet.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiedehopf

Hallo Thomas,

sehr schöne Fundvorstellung.

Vielleicht eine Art Schnabeltasse zur Versorgung bettlägriger kranker Menschen mit Getränken ? Oder ein Fettabscheider zur Trennung von wässiger und öliger Flüssigkeit (gibts im Küchenbedarf heute noch)  :nixweiss: 

Viele Grüße
Michael   

thovalo


Hallo!

Für die Versorgung von Kranken würde ich doch eher einen Becher annehmen, die Tülle ist zu breit sie in den Mund zu nehmen oder sie am Mund anzusetzten. Ein Fettabscheider hat meiner Meinung nach keinen Sinn in einer Zeit in der man keine feine Küche betrieb.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.