Schöner Lesefund vom Wochenende.

Kann man was zum Alter und Verwendung sagen (Schelle??)

Schöne Grüße vom Insurgenten

Zitat von: insurgent in 07. September 2010, 13:35:20
Kann man was zum Alter und Verwendung sagen (Schelle??)

Hallo,

du meinst sicherlich "Schnelle" ?

Da liegst du denke ich mal 100% ig richtig.

Fragment einer siegburger Schnelle, um 1600.

Einzelheiten zu dem Stück kann dir bestimmt der Winfried liefern, da er sich bei den Modeln super auskennt, und siegburger Steinzeug sein liebstes Kind ist. 

Hallo Levante, vielen Dank 

Ich meinte die Schnelle 

Hoffentlich sagt der Winfried noch was dazu, ich mag solche Scherben 

Leider sind solche Scherben hier in Nordhessen, zumindest in meiner Ecke, die absolute Seltenheit.

In fast 20 Jahren Stadtarchäologie hatte ich bislang nicht das Glück, ein Fragment einer Schnelle zu finden.

Hallo Insurgent,

da hast Du eine wirklich wunderschöne Scherbe gefunden. Ohne Zweifel ein Stück einer Siegburger Schnelle aus der
Blütezeit.

Wenn diese Scherbe zu der Schnelle gehört, die ich als ziemlich kleines Bild hier vor mir liegen habe, ist sogar das Herstellungsdatum und der
Töpfer zu benennen.

Die Datierung der Schnelle ist: auf einer Model 1571, auf einer weiteren Model 1572.
der Töpfer ist der Monogramist LW.

Leider ist es bis heute noch nicht gelungen, diese beiden Buchstaben einem Namen zuzuordnen, daher wird er wohlmöglich als Geselle in einer Werkstatt tätig gewesen sein. LW war von 1572 bis 1579 in Siegburg tätig. Bei seinen figürlichen Darstellungen griff er oft auf Holzschnitte von Virgil Solis zurück. So dargestellt von Barbara Lipperheide. Aber auch Schnitte von Jost Ammans und Stiche von Etienne Delaune dienten u.a. als Vorlagen für LW.

Die Schnelle zeigt drei Auflagen nebeneinander, die jeweils in drei Felder untereinander aufgeteilt sind. Die Hauptdarstellungen in den Mittelfeldern zeigen
links: unten Wappen von Jülich Kleve Berg, Mittelfeld Judith mit dem Haupt des Holofernes, Inschriftband: FVRST VLOFERNVS VN IVDIT. 1571, oben im Bogenfeld eine Groteske nach Aldegrever.
Mitte: unten Adam und Eva verstecken sich vor Gott Vater, Mittelfeld, und hier gehört Deine schöne Scherbe hinein, eine weibliche Personifikation mit Waage, Schwert und Inschriftband: DE GERICH TICHHEIT 1572, Darüber im Bogenfeld Christus mit Kreuz im Wolkenband.
rechts: unten Wappen Kölns von Knaben gehalten, Mittelfeld: Lukretia, sich erdolchend, Inschriftband: LUCKRECIA IN ROMMERIN, oben im Bogenfeld: Blattmaske nach Aldegrever.

Die Gesamthöhe der Schnelle mit unten und oben je drei Wulstringen und Lippe ist bei der Schnelle des Hetjensmuseum Düsseldorf mit 24,3 cm angegeben.

Anhand dieser Beschreibung der Schnelle von Ekkart Klinge, siehst Du, lieber Insurgent, dass Du mit dieser Scherbe ein wirklich künstlerich herausragendes Teil gefunden hast.
Die äusserst feine Darstellung der Waage lässt schon erkennen, dass der Töpfer ein Meister seines Faches war.
Herzlichen Glückwunsch!

Winfried

PS. Bilder dieser schönen Schnelle darf ich hier nicht einsetzen, ich würde damit das Copyright des Hetjensmuseums verletzen und in meiner Sammlung habe ich leider nicht solch eine Schnelle. Solltest Du über das Buch: Siegburger Steinzeug, Kataloge des Hetjensmuseums Düsseldorf verfügen, dann schau Dir bitte die Schnelle 270 an.

Winfried hat schon fast alles gesagt. Allerdings handelt es sich
beim Text nicht um die Justitia sondern um die gerechtichheit 1571.
Gerne schicke ich Dir ein Bild von meiner Scherbe .
Gruß Christof

WOW 

Welch spannende Geschichte doch hinter so einer Scherbe stecken kann.

Vielen, vielen Dank für die Bestimmung und ausführliche Erläuterung   

Ich versprach Dir ja eine Folgeabbildung Deiner Schnellenscherbe.
Die nächste Darstellung auf der Schnelle ist die Lucretia.  
Ich hätte eine Bitte.
Könntest Du die Scherbe kurzfristig zur Verfügung stellen, um einen
Abdruck zu machen, dann könnte ich den fehlenden Teil bei meiner Scherbe ergänzen.
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