Eisenzeitlicher Klops auf urgeschichtlich verstrahltem Untergrund

Begonnen von wühlmaus, 10. Januar 2007, 02:20:55

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wühlmaus

Hi

... manchmal kann man es sich ja nicht aussuchen  :heul:

Das Fundmaterial hier stammt von einer Stelle, die scheinbar die nördliche Peripherie einer großen, durch alte Fundmeldungen bekannten (aber von mir noch nicht begangenen), neolithischen und mesolithischen Streuung bildet.
Ca. 100m östlich von dieser Stelle liegt eine weitere von mir noch nicht richtig erfasste neolithische Streuung, die aber scheinbar räumlich durch einen fundleeren Streifen von ihr getrennt ist.
Last but not least beginnt - durch eine deutliche Bodensenke von ihr getrennt - ca 50m weiter nördlich eine große römische Trümmerstelle einer Villa Rustica, deren Fundmaterial bereits mit der frühesten Ankunft der Römer um die Zeitenwende beginnt, so daß in der einschlägigen Literatur ein eisenzeitlicher Vorgängerhof vermutet wurde, der aber bis jetzt noch nicht gefunden wurde. ( Auf der Trümmerstelle selbst findet sich keine eisenzeitliche Keramik)
Die Stelle selbst liegt auf einer sandigen Düne, die von Süden her etwa 50m sanft ansteigt und dann recht steil im Norden durch ein Senke abbricht (ehemalige Flußrinne, Altarm?).

Was die Fundmenge angeht, kann ich eigentlich nicht klagen, es kam sogar verhältnismäßig viel ... nur leider sehr indifferentes Zeug ... und so recht zusammenpassen will es auch nicht ...

Bei der Keramik waren zwei verzierte dabei, eine davon eine wunderschöne eisenzeitliche ...
Nur drei Flintartefakte haben im weitesten Sinne etwas mit Geräten zu tun. Links ein retuschierter größerer Abschlag, Mitte ein Abschlag von dem ich vermute, das er eine zerdepperte Flügelpfeilspitze sein könnte ( http://www.sucherforum.de/index.php/topic,22333.0.html ) und Rechts ein winziger Beilabspliss mit kleiner, aber deutlicher Schlifffläche.
Drittes Foto zeigt die Retusche des Schwarzen Abschlags im Detail.


wühlmaus

Die restlichen Flintartefakte beschränken sich auf Trümmerstücke, Restkerne und Abschläge ...

wühlmaus

Dieses verzierte Fitzelchen könnte unter Umständen neolithisch sein ...

wühlmaus

Und dieser eisenzeitliche Klops hat mich ganz besonders gefreut!!!
Mit seiner groben Quarzmagerung und flächendeckenden (gefiederten) Fingerkuppenverzierung und zwei dicken Zierrillen ist er für mich bis jetzt ein Unikum in meinem Fundstoff:

wühlmaus

Hier mal zwei Seitenaufnahmen, die die Verzierungen etwas besser wiedergeben und eine Abbildung einer kleinen Tasse aus der älteren Eisenzeit mit einer ähnlichen Fingerkuppenverzierung, die Anfang des letzten Jahrhunderts in nur wenigen Kilometern Entfernung gefunden wurde ...

wühlmaus

Jetzt meine Bitte an die Freunde und Förderer der niederrheinischen Keramik:
Hat jemand eine Abbildung oder ein Vergleichsstück mit einer ähnlich flächendeckenden Verzierung?
Meine Literatur gibt da momentan nichts her. Es gibt einen Band der "Rheinischen Ausgrabungen" mit Beiträgen zu den Metallzeiten von Angela Simons, da müßte eigentlich was dementsprechendes drin sein ... (Meinen hab ich kurz bevor ich das gute Stück gefunden hab verliehen  :irre: - kein Scherz! ... und es wird noch ein Weilchen dauern, bis ich ihn wieder zurückkriege )

Guts Nächtle
das Wühlmäusle

Silex

Servus @maus, fernab Deiner Fundregion  nur ein paar gefühlsmäßige Einschätzungen
Fotos 05-07 würde ich aufgrund der Magerung und der Oberfläche für wesentlich jünger halten (Mittelalter?)
Den "Klops" wiederum würde ich nicht mit der eisenzeitlichen Tasse parallelisieren sondern in bronzezeitliche - wenn nicht gar frühere- Epochen  einschätzen.... das Ding ist archaisch...

Die KERAMIK-ob ich sie noch ansatzweise begreifen werde- ich zweifle täglich daran


Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Hi Silex

Hut ab vor deinem prähistorischen Spürnäschen ...
ich hab gestern Abend in einer neueren Publikation von 1994 den Fundplatz der "Tasse" beschrieben gefunden. Es ist eine heute bewaldete Sanddüne am Rhein, auf der, in nahem räumlichen Zusammenhang, bei drei Gelände-Aufschlüssen urgeschichtliche Funde beobachtet werden konnten.
Die Tasse wurde zusammen mit einer Silex-Klinge und "metallzeitlichen Scherben" 1936 beim Wegbau gefunden. Einzig die Klinge ist heute noch im RLB-Magazin auffindbar. Der Rest ist verschollen. Die Zeichnung ist nur eine Rekonstruktion anhand des alten Fundberichts ...
Interessant ist dabei aber, dass eine der beiden anderen Fundstellen deutlich urnenfelderzeitliches Material aufwies ... In diesem Zusammenhang wurde in der Publikation weiter angesprochen, dass die Fingerkuppen- bzw. Fingernagelverzierung auch in die jüngere Bronzezeit passen könnte ...
Ältere Eisenzeit als Datierung ist damit zwar noch nicht aus dem Rennen, aber ein dickeres Fragezeichen ist schon gesetzt.
Was mich immer noch fasziniert ist die "flächige" Verzierung meiner Scherbe und die anschließende Zierrille ... anhand der Merkmale müßte man das Stück eigentlich ganz gut datieren können. Mal abwarten, was kommt, wenn ich meine Bestimmungsliteratur aus der Ausleihe zurückbekomme ...

Die kleinere Scherbe mit der Rillenverzierung ist in der Tat sehr sauber gearbeitet. Sieht fast aus wie Drehscheibenware, ist aber meines erachtens nur sehr sorgfältig geglättet worden, bzw poliert worden.
Dein Frühmittelalter-Ansatz hat bei mir zwar Kinnladenklappen und Kopfschütteln verursacht, aber ehrlich gesagt, hab ich auch kein Argument dagegen ... Mein Frühmittelalter-Fundus ist im eigenen Fundgut ist fast nicht existent (dh. "IchhabeigentlichvondieserEpocheüberhauptkeinenblassenSchimmer") und die Stücke, die ich in Natura und auf Abbildungen gesehen hab lassen diesen Ansatz definitiv zu!!
Beifunde und gemeldete Altfunde der Stelle waren hingegen sattsam Neolithikum bzw. Metallzeiten...

Wenn ich meinen Termin beim Landesamt habe, sind die Stücke auf jedenfall dabei!

ciao
das Wühlmäusle

wühlmaus

Hi

... manchmal gehts schon merkwürdige Wege...

Die grobe Scherbe mit den Fingertupfen, hatte ich noch per Email dem Amt gemeldet, aber noch keine Rückmeldung ... Zwischendurch hab ich meine Literatur aus der Ausleihe zurück. War auch nichts dabei  :heul: .
Stücke mit Fingertupfen hab ich zwar genug gefunden, aber eben nur Stücke mit Einzel- oder Doppelreihen, kein Einziges ging in der Verzierung so in die Fläche, wie es bei diesem Klops der Fall ist und bei keinem war eine Kombination mit einer kehlförmigen Zierrille zu sehen ...  :irre:
Trotzdem hat das Stück jetzt einen "Großen Bruder" bekommen und zwar direkt hier vor meiner Nase!  :staun:
Bei der Durchsicht von alten Einträgen im Keramik- und Lesefundforum bin ich auf diesen Thread gestoßen:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,9500.0.html  :jump:
Magerung, Verzierung, ungefähre Fundregion - alles passt!
Bei der Datierung streiten sich zwar immer noch die Geister, aber ein gutes Stück gings doch voran!

Ciao
das Wühlmäusle

Silex

Den Beitrag hatt ich tatsächlich übersehen..... abseits der Verzierung (die aber auch passen könnte) würde ich aufgrund  der Struktur und des Aussehens auf Urnenfelderzeit tippen...
sie aber nicht an die Seite von wühlmaus´s Gefäßfragment stellen (durch dessen Linkverweis  ich erst auf diese Seite gestoßen bin)
Super Scherben...da müsste inzwischen schon etwas hinzugekommen sein.....
Danke
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.