Ein Siegburger Trichterhalskrug der zweiten Hälfte des 16. Jhs.

Begonnen von thovalo, 09. Oktober 2018, 19:36:46

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thovalo



Ein neuer Bodenfund aus Kriegzerstörungen des 16. Jhs.

Es handelt sich um ein Stück echt gelaufener Handelsware. Wohl erst in neuerer Zeit ist der Krug unter Druck geraten. Ein Teilstück des Wellenfußes wurde dabei abgesprengt und der Trichterhals angebrochen. Dies ist mein erster Fundbeleg eines Trichterhalsgefäßes an dem der Trichterhals vollständig, wenn auch angeknackst, erhalten geblieben ist. Das ist immer die empfindlichste Stelle.


Es wurden drei Rundauflagen aus derselben Model verwendet. Dargestellt ist eine vornehme Frau in spanischer Tracht die bereits "unter der Haube" ist, also vornehme und nach der Mode der Zeit gekleidete verheiratete Dame.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Guten Morgen,

in dieser Erhaltung wahrhaft ein eindrucksvoller Fund, nicht nur wenn man eine Vorliebe für Rheinisches Steinzeug hat. Den meisten von uns wird es wohl eher nicht vergönnt sein so etwas finden zu dürfen.

LG

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

thovalo



Dir beiden Herrschaften der Scherbe in Deinem Avatar tragen auch spanische Tracht!  :super:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#3


Hallo zusammen!  :winke:

Ein link zu einer pdf über Münsteraner Zunftgefäße aus Siegburger Produktion

https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/mitt-dgamn/article/viewFile/18294/12093


Daraus:

"Durch Bodenfunde in Münster (mindestens 16), aus dem Töpferort Siegburg (etwa 15),

von ,,unterwegs" (1)

und in wenigen Exemplaren  (2)  obertägig  überliefert  sind  inzwischen  etwa  34  Steinzeuggefäße  bzw.  deren  Bruchstücke  von  fünf  münsterischen  Gilden
(Bäckeramt, Böttcheramt, Schmiedeamt, Schusteramt und Krameramt) sowie einer Bruderschaft (St. Annen-Bruderschaft, genannt) ... (vgl. die Auswahl einiger Gefäße Abb. 1 bis 10) .....


Der Beleg von ,,unterwegs" (1) fand sich in vollständiger perfekter Erhaltung im Bereich einer bedeutenden Zollstelle für den Flußhandel am Rhein, mit direkten Anschluß an den Hellweg über Land, der weiter nach Westfalen und Münster führte. Dieser Bodenfund ist ein herausragender Beleg dafür, das die Auslieferung der bestellten zerbrechlichen Ware tatsächlich zunächst per Schiffstransport geführt wurde. Von Siegburg aus ging es zunächst an den Zollstellen Köln, Zons und Neuss vorbei. Diese Gefäße waren konkrete Bestellungen in genau festgelegten Stückzahlen und gingen nicht in den allgemeinen Handel. Ein schönes Beispiel dafür, wie wichtig der Bezug zum Fundort, die Dokumentation der Fundumstände, die Recherchen und die Einbindung in eine wissenschaftliche Gesamtbetrachtung sind. Bis heute ist dies das einzige Gefäß der Münsteraner Kramterzunft, das vollständig erhalten überliefert ist.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Zardoz

#4
Salve

Könnte dieses Fundstück eine Patrize/Model für Rundauflagen sein ??

Gruß
Zardoz
"More Maiorum"

thovalo

Zitat von: Zardoz in 02. Februar 2019, 13:37:59
Salve

Könnte dieses Fundstück eine Patrize/Model für Rundauflagen sein ??

Gruß
Zardoz


Ist die Darstellung im erhabenen Relief gearbeitet?

Grundsätzlich kann das eine Model sein. Dann aber für die Herstellung von Pfeifentonbildern.

lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Zardoz

Ist ein ,,versenktes" Relief.....Negativform.
Pfeifentonbilder sind mir neu...  :nixweiss: hättest du da vielleicht einen "Link"  :glotz:
Wie wäre das Stück denn zeitlich einzuschätzen ??

Gruß
Zardoz
"More Maiorum"

Wiesenläufer

Moin Zardoz,

Thomas könnte so was gemeint haben. etwas runter scrollen, bei Tonpfeifen. (Fragmente mit Fersenmarken oder Herstellermarken)

https://www.zeitensprung.de/kikeramik.html

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

thovalo

#8
Zitat von: Zardoz in 02. Februar 2019, 20:32:00
Ist ein ,,versenktes" Relief.....Negativform.
Pfeifentonbilder sind mir neu...  :nixweiss: hättest du da vielleicht einen "Link"  :glotz:
Wie wäre das Stück denn zeitlich einzuschätzen ??

Gruß
Zardoz


Deine Fotografien sind leider nicht so gut zu interpretieren!
Man muss immer auch mit historistischen Objekten rechnen.

Aber im Gesamteindruck kann das durchaus eine Model des frühen 16. Jhs.im spätgotischen Stil sein.  :glotz:

Ich hoffe Du kommst so auf den link der pdf-Datei!

Dein Beleg ist tatsächlich so eine Model (unabhängig vom möglichen Alter) und damit ein ganz wertvoller Beleg für diese Tradition der "Bildbäckerei".
Ein ganz besonderer Handwerkszweig und wie ich selber finde, ein sehr faszinierender.

Da ist es ganz wichtig zu dokumentieren woher Dein Beleg kommt, sofern es sich um eien Bodenfund aus Deiner Hand handeltn sollte.
Vielleicht ist sie ja schon als Bodenfund gemeldet oder Du holst das nach.
Als möglicher Bodenfund würde Dir der Fundbeleg erhalten bleiben.

Als originaler Bodenfund wäre derBeleg allerdings kunsthisotirsch nicht nur interessant sondern aus meiner Perspektive nicht so ganz unbedeutend.
Der materielle Wert ist wiederum nicht sehr hoch aber auch nicht entscheidend.

https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/aiw/article/download/25953/19670


Wenn Du "Pfeifenton Relief" eingbist kommst Du auch an weitere Abbildungen und Literatur dazu.

Dir glG

Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Zardoz

Dieses Fundstück,wie auch die anderen, siehe Link
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,75631.0.html
stammen aus dem Schutt bzw. Verfüllmaterial,mit dem die Befestigungsanlagen und Stadtgräben einer am 22.-24 August 1689 fast vollständig zerstörten Stadt in Baden, gefüllt wurden.
Gefunden wurden diese Stücke vor ziemlich genau 42 Jahren, von mir und meinem Vater, beim vergrössern der "Gartenhütte", die in einem, angeblich nicht mehr vorhandenem  :narr: , Stadttor war.
Die Funde,wie auch die Meldung zu dem durchaus noch Existenten Tor und Resten der Stadtmauer, wurden damals von den Stadtgeschichtlichen Sammlungen belächelt und als uninteressant abgekanzelt  :irre:

Danke dir für deine Ausführung und ID  :super:

Gruß
Zardoz
P.s.
Der materielle Wert ist für mich/uns nicht relevant, da diese Funde nicht veräussert werden.
Sie werden irgendwie den Weg in ein interessiertes Museum finden.  :belehr:
"More Maiorum"

thovalo

#10
Zitat von: Zardoz in 03. Februar 2019, 16:06:05
Dieses Fundstück,wie auch die anderen, siehe Link
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,75631.0.html
stammen aus dem Schutt bzw. Verfüllmaterial,mit dem die Befestigungsanlagen und Stadtgräben einer am 22.-24 August 1689 fast vollständig zerstörten Stadt in Baden, gefüllt wurden.
Gefunden wurden diese Stücke vor ziemlich genau 42 Jahren, von mir und meinem Vater, beim vergrössern der "Gartenhütte", die in einem, angeblich nicht mehr vorhandenem  :narr: , Stadttor war.
Die Funde,wie auch die Meldung zu dem durchaus noch Existenten Tor und Resten der Stadtmauer, wurden damals von den Stadtgeschichtlichen Sammlungen belächelt und als uninteressant abgekanzelt  :irre:

Danke dir für deine Ausführung und ID  :super:

Gruß
Zardoz
P.s.
Der materielle Wert ist für mich/uns nicht relevant, da diese Funde nicht veräussert werden.
Sie werden irgendwie den Weg in ein interessiertes Museum finden.  :belehr:

Hallo nochmal!

Das ist ganz wichtig zu wissen, das es sich um eigene Bodenfunde handelt, denn der Fundort und sogar die nähere Lage sind wichtige Koordinaten die noch weitere Informationen generieren können.

Eine "stadtgeschichtliche Sammlung" wird oft nicht von fachlich oder sachlich archäologisch kundigen Menschen verwaltet. Oft nicht einmal von Fachleuten sondern Verwaltungsbediensteten. Wenn es Historiker sind, wie in meiner Herkunftsstadt, haben die dann ebenso keinen Ahnung und kein Interesse an archäologischen Fundmaterial weil sie bildungsmäßig nichts damit anfangen können.

Um das mal deutlicher zu sagen: der Fund so einer vollständig erhaltenen Matrize mit einer so gut ausgearbeiteten spätgotischen Darstellung ist eine wahre und wirkliche wissenschaftlich relevante Rarität.

Dir würde ich nahe legen einfach selber damit zu starten ob Du nicht aus dem Badischen oder gar bei Dürerstichen mit einer Vorlage fündig werden kannst, nach der diese Model gearbeitet wordne ist. In den weiter Oben mitgegebenen links siehst Du wie fein die Weißtonreliefs gearbeitet sein können. Sie zählen zu siener Sondergruppe des Kunsthandwerks und waren für die neu entstandene bürgerliche Schicht preiswert zu vervielfätigende Bildwerke. Sehr viel preiswerter als Gemälde oder feine Buchbaumreliefs.

Die Bearbeitung der von Dir geborgenen Model gehört in die Hände von Kunstkhistorikern und Facharchäologen. Bei der zuständigen Archäologie solltest Du den Fundbeleg nochmalig zur Kenntnis geben.

Vielleicht bringt das neue Anhaltspunkte und Informationen!

So ein tolles Stück ist ein kleiner "Schatz"!   :super:


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Zardoz

Nochmals herzlichem für deine Ausführungen  :Danke2:  :super:

Die einzigen Darstellungen, die dem nahe kommen bzw. die der Szenerie ähnlich sind, wären, nach langjähriger Suche, die Legenden von St. Eustachius oder St. Hubertus  :kopfkratz:
Wenn ich denn mal wieder "im Ländle" bin und es die Zeit zulässt, werde ich beim zuständigen Archäologe vorstellig werden  :glotz:

Gruß
Zardoz
"More Maiorum"

thovalo

#12



Bei der Szene kann ich schon abschließend aushelfen:


" Der Legende nach wurde Kappadokien zur Zeit Georgs von einem feuerspeienden Drachen tyrannisiert. Um das Ungeheuer zu besänftigen, opferten die Menschen täglich zwei Schafe. Als alle Schafe getötet waren, wollte man dem Drachen Menschenopfer darbringen. Das Los fiel auf die Tochter des Königs, die festlich geschmückt und unter dem Wehklagen ihrer Eltern ihren Opfergang antrat.

Da jedoch kam Georg zu Hilfe: Er versprach, Kappadokien von dem Ungeheuer zu befreien. Georg betete zu Gott und schleuderte im Kampf mit aller Macht seine Lanze in den Drachen. Gemeinsam mit der Königstochter führte der Heilige das verletzte Tier im Triumphzug durch die Stadt, wo es schließlich getötet wurde. Daraufhin ließen sich der Legende nach 20.000 Menschen taufen. Der Sieg Georgs über das Ungeheuer wurde als Sieg des Göttlichen über das Teuflische, als Sieg des Guten über das Böse gedeutet.
"


Auf dem dritten Foto Deiner Model erkennt man problemlos rechts Georg zu Pferde der dem Drachen mit rückwärts geneigten Kopf die Lanze in den Rachen stößt und links die königliche Jungfrau (gekennzeichnet durch die Krone) die dem Drachen geopfert werden sollte. Im Hintergrund die bedrohte Stadt mit den wehklagenden Eltern (König und Königin) der Jungfrau die auf die Szene blicken. Das ist die ikonografische Darstellung der Legende in der Darstellungsweise des 15. Jhs.

Das ist definitiv die Darstellung und die Ikonografie der Georgslegende und nicht die des Hl. Hubertus oder Hl. Eustachius.

Auf diesem Altarbild aus der Zeit um 1450 sind exemplarisch die wesentlichen  Bestandteile Deiner Darstellung mit vorhanden

https://www.alamy.de/altar-von-antonio-sadurni-frontal-1450-legende-von-st-georg-mit-der-prinzessin-und-drache-kapelle-des-heiligen-georg-palast-der-generalitat-barcelona-spanien-image211023530.html


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Zardoz

"More Maiorum"

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.