Ein germanischer Napf aus der römischen Kaiserzeit

Begonnen von thovalo, 19. Juni 2025, 15:32:43

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thovalo


Moin!

Als in meinem Heimatort in NRW, wie gewohnt archologisch unbegleitet, "weil dort bislang ja gar nichts bekannt war", sehr umfangreiche Aushubarbeiten durchgeführt wurden, habe ich diese archäologisch begleitet und als klar gewesen ist das es eine überaus deutlichen Fundniederschlag gab, wurde dann auch eine Notgrabung durchgeführt. Leider gingen dennoch umfangreiche Mengen an Funden und Befunden verloren, bereits davor und auch danach. Mit der Keramik fanden sich Knochen und Zähne als Schlachtabfälle und einige keramische Sonderformen.

Aus dieser Maßnahme stammt auch dieser kleine germanische Kumpf, der über die beigefundenen Randformen sehr vieler weiterer Gefäße in die Zeit des 1. - 2. Jhs. datiert werden konnte.

Das Fragment des Gefäßes habe ich dann mit Lehm aus der Fundstelle rekonstruiert. Nun dient es vor Allem bei Schulstunden in Grundschulen mit dem Themeninhalt Archäologie und in Ausstellungen als Anschaungsobjekt.

Es ist mit Buchweisen gefüllt und die Maus steht dafür, wie eng die Menschen auch mit diesen flinken kleinen Nagern zusammenlebten mit denen sie oft unfreiwillig ihre Vorräte teilten, wenn sie nicht ideal geschützt werden konnten.

Neben solchen kleineren Gefäßen fanden sich sehr zahlreiche großformatige Töpfe mit geraden Böden, in denen teils noch der angebrannte Inhalt anhaftete. Nach der von mir ersteinmal "erzwungenen" Grabungsmaßnahme vermeldete das Fachamt stolz den umfangreichsten germanischen Keramikfund seit den 1970er Jahren.

Durchbeißen, auf die Füße treten  und dran bleiben lohnt sich immer und hinterher sind Alle glücklich. Die Verzögerung der Aushubarbeiten war minimal, der Verlust, trotz guten Erfolges war hoch.

Ich hatte nicht die Zeit ständig präsent zu sein. Wenn ich da war, fand sich ständig Keramik von der älteren Eisenzeit bis zur römischen Eisenzeit, teils in außergewöhnlich großen Fragmenten..

Inzwischen wird der Ort als rechtsrheinischer germanische Siedlungsbezirk entlang des Rheinlimes in NRW geführt und die Funde in der weiteren Fachliteratur  zu Vergleichen mit anderen Fundplätzen u.a. der Zeche Erin bei Castrop-Rauxel, herangezogen. Er ist inzwischen ein Fixpunkt für diese Zeitstellung.

Aus dieser Maßnahme stammen zudem steinzeitliche Artefakte, darunter eine Beilklinge aus alpinem Mineralgestein (Eklogit), dass auf dem Monte Viso in Norditalien abgebaut und zu Beilklingen verarbeitet wurde. Weiter fanden sich zahlreiche keramische Belege der älteren bis jüngeren Eisenzeit.


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Danske

Hallo Thomas,

sehr schön, dass deine Bemühungen wenigstens teilweise von Erfolg gekrönt waren. Und das Ergebnis lässt sich sehen. :super:

Im hiesigen Neubaugebiet, in dem auch ich gebaut habe, habe ich, soweit mir das zeitlich möglich war, versucht, bei den Aushubarbeiten anwesend zu sein, um auf eventuelle Befunde und Funde zu achten. In den Grundstücks-Kaufverträgen wurden die Käufer auch darauf hingewiesen, mögliche Funde zu melden. Aber welcher Bauherr, der kein Interesse an Archäologie hat, macht das schon und riskiert möglicherweise bauliche Verzögerungen. Zumal Werkverträge die Baufirmen zeitlich knebeln und sowohl die Firmen als auch die Bauherren aus nachvollziehbaren Gründen an einer zügigen Fertigstellung interessiert sind.
Aushub und anschließende Aufschotterung der Baugruben geschieht recht zügig, mitunter von einem auf den anderen Tag. Da bleibt keine Zeit, auf Befunde zu achten oder gar zu sichern. Und der Aushub landet auf einer Deponie oder beim Tiefbauer.

LG Holger :winke:
Ignoramus, ignorabimus.

NUMERIANUS

Hallo!
bei uns in österreich ist leider das verursacherprinzip aktuell, d.h. der bauträger oder grundbesitzer muss
größtenteils die kosten einer notgrabung tragen,
dieses prinzip hat leider zurfolge dass funde oder befunde oft nicht gemeldet werden, bzw. schnell wieder
zugeschüttet werden... , also total kontraproduktiv...
gruß und gut fund!

thovalo

#3

So ist das und so war das schon immer, denn selbst wenn die Kosten nicht durch den Bauherrn getragen werden mussten, machte man einfach Funde platt weil keine Verzögerungen gewünscht waren.

Ich weiß vom Bau von Regierungsgebäuden in Bonn, bei denen selbst römische Steinsarkopharge an Ort und Stelle von den Baggern zerschlagen und einplaniert worden sind. Die betreffenden Baggerfahrer schauten kurz mal rein was zu holen war, das steht noch in Wohnzimmervitrinen oder wurde verkloppt und dann weg damit. Der Verlust von Bodendenkmälern war und ist bis heute unermeßlich und wenn es mal eine Strafe gab, dann sind die finanziellen Mittel dafür bereits zurückgelegt worden. Soweit so schlecht. Wenn ich aber persönlich, gerade in meinem Heimatort, irgendeine schräge Aktion mitbekomme, dann gibt es ganz schnell eine sehr klare und schnelle fachliche und rechtlich klare Rückmeldung sowohl an die Bauherren, die Bauarbeiter wie auch an die zuständigen archäologischen Facharchäologie. Auch da sitzt die eine und die andere Tröte.

In den Siebziger Jahren sind hier in meinem Ort reihenweise teils noch mittelalterliche hoch bedeutende Fachwerkbauten schlicht und einfach abgerissen worden. Die standen zwar unter Denkmalschutz, aber wenn man hier in der richtigen Partei war, war das kleine Bußgeld dafür schon vorher ausgehandelt. Ein besonderer Arsch, ein Apotheker hier im Dorf, ist extra in die "richtige" Partei eingetreten, hat sich dann mit Mehrheit eben ein solches Denkmal käuflich erworben und dann schnell komplett abgeräumt. UPS we did it again! Dessen dann auf das Grundstück gesetzte "moderne" Bude ist inzwischen schon wieder unmodern und hinfällig. Das abgerissene Gebäude war ein mittelalterlicher Zehnthof der Kölner Domprobstei mit Fachwerk und Bruchsteinfassade mit Treppengiebel in einem aus Denkmalsicht besten erhaltungsfähigen Zustand. Die romanische (!) Dorfkirche hat man erst gegen Ende des 19. Jhs. vollständig vernichtet, weil sich die evangelische Kirche einen eigenen modernen Kirchenneubau gegönnt hatte. DAS konnte ja nicht sein. Also platt gemacht, sogar gegen alle Bedenken der damaligen Denkmalschützer in der Rheinprovinz und sich eine große Kirche mit Innenausstattung im kitschigen neoromanische Kackstil hingesetzt. Das war schon damals geschmacklos! Authentische Romanik abreißen, um sich irgendeine Pseudoscheiße hinzusetzten. Da kriege ich hier schon beim Schreiben voll die Krawatte! Der weitgehend aus Fachwerk bestehende Ortskern wurde dann in den 1970er Jahren geopfert, weil man eine breite Straße haben wolte. Zu Krönung wurde dann ein unsägliches Hochhauskarrée mitten ins Dorf gesetzt, rundum der Platz betoniert und versucht dieses Monstrum als Ortskern mit Geschäften und Kokolores zu etablieren.  Natürlich hat da dann auch Niemand archäologisch begleitend hingesehen. Das ist gründlich schief gegangen. Es ist immer noch ein sehr schöner Ort und die paar Kotten, die man hat stehen lassen, weil deren Baugrund nicht attraktiv gewesen ist, die werden heute als tolle Baudenkmäler präsentiert. Die Welt ist soooo doof.

Dass dieser Ort trotz allem heute eine sogar sehr spannende Urgeschichte und gut erschlossene und ergrabene mittelalterliche Befunde hat, das brauchte viel Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit. Heute ist das etabliert und wer bauen möchte, muss auch den archäologischen Check bestehen. So kam es vor einigen Jahren auch zur allerersten größeren Siedlungsgrabung im Rahmen eines Bauprojektes mit sehr erfreulichen Ergebnissen.

Die Burg Kellnerei im direkt benachbarten Ort Angermund, die älteste ehaltene staufische Ringburg im Rheinland, ist mit Zustimmung der zuständigen Denkmalbehörde ohne JEDE archäologische Untersuchung zu einer "modernen Wohnanlage in romantischer Waldlage" ausgebaut worden. Wie der Wiener so schön sagt "da kann man halt nix machen"!

Da gibt es hier in der Region noch viele hoch bekloppte Geschichten ........     :heul:


So what. Damals hab ich mir Nichts gefallen lassen und ich hab ordentlich Gegenwind bekommen. Heute werden die Funde gefeiert. So dämlich läuft sowas.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiedehopf

ZitatDa gibt es hier in der Region noch viele hoch bekloppte Geschichten ........     :heul:

Ja, leider nicht nur bei dir. Es ist eine Schande wie wenig Sinn manche Entscheidungsträger für unser historisches Erbe haben. Vielleicht erkennen sie es gar nicht und wenn sie es doch erkennen und sich aus Profitgründen oder aus sonstigen vermeintlichen Vorteilen trotzdem darüber hinweg setzen ist es um so schlimmer.

Das gilt nicht nur für den Denkmalschutz, auch im Bereich Natur- und Landschaftsschutz gibt es genug Beispiele für solch ignorantes und kurzsichtiges Verhalten.  :wuetend:

Viele Grüße
Michael       

thovalo


Ja. da hast Du absolut recht. Die Ignoranz ist weit umfassend und bezieht sich nicht nur auf die Archäologie.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

NUMERIANUS

Hallo!
ist ein schwieriges thema, ich kenne beispiele wo private bauherren durch die grabungskosten fast in den ruin
getrieben wurden, mit einer bauverzögerung hätten die absolut kein problem gehabt...da war durchaus auch
ein geschichtliches interesse vorhanden...
auf jeden fall ist es sehr traurig, dass durch gewisse regelungen wertvolle geschichtliche relikte und
zusammenhänge verloren gehen...
gruß und gut fund!

Jondalar

Hallo zusammen, hallo Thomas,

vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag. Bei dem Foto mit der Maus musste ich schmunzeln. Ist die echt?  ;)

Sicherlich alles richtig, was Ihr schreibt, ich möchte aber dennoch ergänzen, dass im Bereich der Archäologie, nach meiner sicherlich rudimentären Einschätzung, noch verhältnismäßig viel unternommen wird, um Funde zu sichern und Baumaßnahmen zu begleiten. Im Bereich der Paläontologie sieht das noch viel übler aus. Da kommt selbst auf Großbaustellen und interessanten Gruben oder Brüchen niemand 'raus und es muss von den Amateuren, ich übertreibe mal ein bisschen, mindestens ein Raubsaurier, der noch einen Fisch im Maul hat, gefunden werden, um die Wissenschaft zu mobilisieren...
Viele Grüße

Jondalar
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)