Dem Grab einer wohlhabenden fränkischen Dame ein wenig näher gerückt

Begonnen von thovalo, 11. Dezember 2013, 17:57:26

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thovalo


Seit längerer Zeit zeichnet sich auf einem meiner Fundareale die Sonderbestattung einer fränkischen Dame aus der Zeit des ersten Drittels des 7. Jhs. n. Chr. mit einer gehobenen Grabausstattung ab.

Nach einer wertvollen und sehr seltenen Amethystperle, einer rechteckigen Perle mit grüner Grundfarbe und gelben Punkten, einer kleinen rubinroten kugeligen Perle fanden sich ein Ring vom Gürtelgehänge und ein ausgebrochener Saphir von einer Goldscheibenfibel.

Das Grab wurde offenbar bereits vom Pflug deutlich tangiert.

Nun kamen Fragmente zweiter Knickwandgefäße mit Rollstempeldekoren aus fein kreidig geschlämmter geschmauchter Irdenware hinzu.


Die Fundbelege dokumentieren das Vorhandensein einer besondere Befundsituation.


Aus diesem Grund gingen die Fundbelege samt der zugehörigen Kartierung jetzt in das Eigentum des Landschaftsverbandes Rheinland über.


noch zwei Ansichten der Amethystperle ...... weil sie so schön ist .... findisch zumindest!

Wer aufmerksam Reliquienschreine und steinbesetzte Objekte von der ottonischen Zeit bis ins 13. Jh. betrachtet wird feststellen, dass genau diese Amethystperlen systematisch aus fränkischen Grabbestattungen entfernt worden sind um sie an diesen Schreinen, Bucheinbänden und Reliquienbehältnissen als Schmucksteine wieder zu verwenden
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Leseratte

Ich kenn mich nur in Almerode aus.

Levante

Hallo Thomas,

sehr schade, das eine ordentliche Ausgrabung des Grabes nicht möglich war, selbst wenn dieses bereits angeschnitten ist, wäre sicherlich noch etwas mehr Aussagekraft möglich gewesen.

Muss doch deprimierend sein, wenn da jedes Jahr wieder etwas aus dem Grabinventar auf der Ackerkrume liegt?

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Lars

Was heißt Sonderbestattung? Einzeln, also kein Friedhof? Lars

thovalo

Zitat von: Levante in 11. Dezember 2013, 19:30:03
Hallo Thomas,

sehr schade, das eine ordentliche Ausgrabung des Grabes nicht möglich war, selbst wenn dieses bereits angeschnitten ist, wäre sicherlich noch etwas mehr Aussagekraft möglich gewesen.

Muss doch deprimierend sein, wenn da jedes Jahr wieder etwas aus dem Grabinventar auf der Ackerkrume liegt?



Die Unterschutzstellung läuft bereits seit einigen Wochen.


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zitat von: Lars in 12. Dezember 2013, 06:14:03
Was heißt Sonderbestattung? Einzeln, also kein Friedhof? Lars


Es gibt neben den regulären Friedhöfen auch Separat- oder Sonderbestattungen der sozialen Oberschicht.

Die Dame aus deren Bestattung diese Funde stammen dürften lebte in einem außergewöhnlichen Umfeld.
Die Fundlage ist deutlich exponiert sodass eine alte Beraubung alles andere als unwahrscheinlich ist.
Häufig wurden dabei kleinere Objekte wie die Perlen von einer bereits aufgelösten Halskette übersehen und blieben zurück.
Das wäre auch eine gute Erklärung für die oberflächige Fundstreuung entlang der Pflugrichtung.

Die Ketten sind oft bereits fertigt aufgefädelt verhandelt worden wobei die Kombination der Perlen auch die Zeitstellung ergeben.

In diesem Fall ist es die Zeit zwischen 600 und 630 n. Chr.

Ketten in der Kombination von rechteckigen roten oder noch seltener grünen Perlen mit gelben Punkten und derart großen Amethystperlen finden sich in Bestattungen von Süddeutschland bis an den Niederrhein und gelangten durch den Fernhandel über Byzanz bis in das fränkische Reich.


:winke:


In die meisten Fibeln wurden blaue Glasperlen eingesetzt, daher zeichnet der kleine Saphir aus Ceylon das Fundensemble besonders aus. Die Almandine aus fränkischer Zeit stammen ja zumeist aus Indien ..... das war dann ein Aufwasch bei der Beschaffung  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Lars

War etwas Verwirrt, denn die Sonderbestattung wird allgemein in anderem Wortsinne verwendet. Das kann man aus einem Oberflächenfund ja nicht heraus lesen.
http://web.ff.cuni.cz/ustavy/uprav/pages/publikace/stefan2.pdf
Was Du wohl eigentlich meinst, war mir dann schon klar. Du meintest wohl im Sinne von "etwas Besonderes".  Lars

thovalo

Zitat von: Lars in 12. Dezember 2013, 07:46:37
War etwas Verwirrt, denn die Sonderbestattung wird allgemein in anderem Wortsinne verwendet. Das kann man aus einem Oberflächenfund ja nicht heraus lesen.
http://web.ff.cuni.cz/ustavy/uprav/pages/publikace/stefan2.pdf
Was Du wohl eigentlich meinst, war mir dann schon klar. Du meintest wohl im Sinne von "etwas Besonderes".  Lars


Eine Sonderbestattung bezeichnet eine von der jeweiligen allgemeinen religiösen, kulturellen oder sozialen Norm abweichende Form der Bestattung einzelner Verstorbener sowie der Behandlung des Leichnams vor und während der Bestattung.


In diesem Sinne ist das eine   :weise: .... denn die "soziale Norm" ist hier fachlich hoch auflösend archäologisch dokumentiert.

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

lapillus

Zitat von: thovalo in 13. Dezember 2013, 19:57:00

Eine Sonderbestattung bezeichnet eine von der jeweiligen allgemeinen religiösen, kulturellen oder sozialen Norm abweichende Form der Bestattung einzelner Verstorbener sowie der Behandlung des Leichnams vor und während der Bestattung.


...
Hi,

in dem Wikipedia-Artikel, aus dem die (nicht als Zitat kenntlich gemachte) Information stammt, geht es noch weiter:

Zitat:
"Die Gründe für die Anlage von Sonderbestattungen sind vielschichtig, sie können in der Angst vor Widergängern,
Hexen oder Vampirismus begründet liegen. Sie können aber auch als Resultat eines Menschenopfers, zur
Entsorgung eines Verbrechensopfers oder als Strafe für einen Mitmenschen verstanden werden, der zu Lebzeiten
gegen kulturelle oder gesellschaftliche Normen verstieß. Gelegentlich finden sich auch Notbestattungen an
normabweichenden Orten, bei denen die Verstorbenen aufgrund widriger Umstände nicht auf einen
Friedhof verbracht werden können,..."

Zitat Ende
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Sonderbestattung



cu

lapillus

http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/einfuehrung/bookmarks/zitieren.pdf

Lars

Richtig.

http://www.dainst.org/sites/default/files/media/abteilungen/rgk/events/irregul_bestatt_abstracts.pdf?ft=all

https://www.academia.edu/Documents/in/Sonderbestattungen

übrigens auch im englischen Sprachraum



In diesem Zusammenhang habe ich das eben noch nie gehört. Ich denke immer noch, dass thovalo mit dem Wortgebrauch falsch liegt. Es geht um den Ritus, die Art der Bestattung, die Bestattungsform...das Netz ist voll mit Beispielen...Hier gibt es anhand einer gehobenen Grabausstattung doch nicht darum, dass hier jemand anders behandelt wurde als die Anderen. Bestattungen außerhalb von Friedhöfen, oft im Siedlungskontext, gebunden womöglich an den daneben liegenden Wohnort zu Lebzeiten, das ist wie gesagt aus dem fränkischen/alamannischen/frühmittelalterlichen Raum bekannt. Da könnte man Beispiele heraussuchen. Auch die "Adelsgräber" hatten z.B. die gleiche Ausrichtung usw. Ist aber nicht so wichtig. Eine schöne Grabausstattung ist es jedenfalls und vermutlich auch nicht die einzige Bestattung an dieser Stelle.  Lars

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

lapillus

Zitat von: Lars in 14. Dezember 2013, 12:04:42
...Eine schöne Grabausstattung ist es jedenfalls ...

Das stimmt allerdings, sehr schöne Fundbelege  :super: :Danke2:
Da darf man auch gerne mal ein paar Superlative mehr verwenden  :zwinker:

cu

lapillus

stratocaster

Nun macht Euch mal nicht wegen des Begriffs verrückt  :friede:

In jeder wissenschaftlichen Disziplin, in der Dinge veröffentlicht werden,
gibt es "Zitier-Kartelle", d.h. Personengruppen, die sich gegenseitig gerne zitieren
und andere Personen ausserhalb des eigenen Zitier-Kartells oft nicht; warum auch immer.
Dies mag örtliche Gründe haben, oder auch Neid oder Antipatie oder es geht um Geld.

Und daher kommt es dann immer wieder über die Jahre zu unterschiedlichen Interpretationen
oder Definitionen eines einzelnen Begriffes oder Umstandes.
Das ist auf jeden Fall meine Erfahrung aus dem Berufsleben.
Man sollte sich davon lösen, ob etwas richtig oder falsch ist  :dumdidum:

Gruß  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

Lars

@stratocaster
Man sollte sich davon lösen, ob etwas richtig oder falsch ist  :dumdidum:


Bin mit allem einverstanden, nur mit dem letzten Satz nicht.
Aber ich billige die salomonische Absicht darin.
Lars.