Das Randstück eines Topfes des späten 4. - 5. Jhs. aus Mayener Produktion

Begonnen von thovalo, 16. Mai 2015, 23:13:32

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thovalo



      :-)


Sie sind immer selten und gelten als "Kastellkeramik", da sie insbesondere durch die spätantike Militärverwaltung in spätantike Kastelle innerhalb des militärischen Netzwerkes ausgeliefert worden waren: rauwandige Töpfe aus der Produktion der  Töpferbezirke bei Mayen in der Eifel, die den Zusammenbruch der römischen Vorherrschaft überdauern konnten.

Die Führer des spätantiken Militärs waren weit über das Rheinland hinaus bereits germanisch-fränkische Kriegerführer. Dazu gehörte z.B. auch der Heermeister Stilicho der sich lange und kraftvoll behaupten konnte.

In die Militärverwaltung müssen insbesondere am Niederrhein immer mehr Germanen aufgenommen und in die militärisch Führung aufgestiegen sein und Aufgaben der Grenzsicherung gewährleistet haben .... insbesondere zu ihren eigenen Gunsten!

Der vor 13 Jahren entdeckte Ort scheint nach bisherigen Stand eine offene Siedlung gewesen zu sein, die von den Familien hoch gerüsteter germanisch-fränkischer Reiter/Krieger in römischen Grenzdienst bewohnt worden war. Er gehörte zu den zentralen Orten dieser Zeit im Rheinland mit einer früh ausgeprägten fränkischen Präsenz. An diesen Ort gingen über mindestens vier Jahrhunderte hinweg immer wieder Lieferungen von Keramik aus Mayen.

Die Gefäßbelege der Mayener Produktion sind insbesondere an vulkanischen Anteilen der Magerung gut zu identifizieren und von Gefäßen anderen Produktionen zu unterscheiden.

Es handelt sich bei dem Fundbeleg um die Randform eines massiven großen Topfes spätantiker Keramik aus Mayener Produktion. Anders als den Meisten vertraut, besteht dieser Topf aus hell-gelber "oxydierend" gebrannter Keramik und nicht aus der sehr viel bekannteren, weithin verbreiteten und besser bekannten dunkel-grauen, reduziert oder rot "oxydierend" gebrannten charakteristischen Mayener rauwandigen Keramik.

Unterhalb des ausgelegten Randes befindet sich eine umlaufende Wulst. Bemerkenswert ist die zusätzlich dem Randumlauf eingetiefte Rille. Ausgeführt wurde diese Randbildung mithilfe eines Formholzes.  Es handelt sich um eine Randform der Zeit der zweiten Hälfte des 4. bis ersten Drittel des 5. Jhs. n. Chr. Handwerklich ist das ein für die Zeitstellung qualitativ hoch aufgestelltes Produkt, von wegen "dunkles Zeitalter".

Der Ort entwickelt sich offenbar zu einem wichtigen und scheinbar zivilen Standort im Rheinland. Er überliefert einen hohen Anteil von üblicherweise zumeist grau und rot gebrannten Fundbelegen dieser besonderen spätantiken Keramik aus der Region um Mayen in der Eifel. Die Gefäße wurden per Schiff über den Hafen von Andernach flussabwärts bis zur Auslieferungsstelle transportiert.



lG  Thomas  
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Servus Großer,

ich arbeite gerade deinen gezeigten Keramiken durch. Die Beiträge sind für mich sehr wertvoll, und ich hoffe, du stellst bei Zeiten wieder etwas ein.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo



Lieber Daniel!

Die Felder sind bearbeitet, aber nun zum ersten Mal seit 17 Jahren alle zugleich, das gab es noch nie. Es hat kaum geregnet und Pflanzenmaterial liegt auch noch quer, sodaß die Begehungen mühsam sind. Gestern konnte ich in drei Stunden gerade mal ein Sechstel eines der zentralen Plätze prospektieren der im Wesentlichen zum jüngeren und späten Neolithikum gehört und eine fränkische Hofesstelle beherbergt. Bleiben noch über 60 Hektar offen.

Ich weiss gar nicht wie ich mich da organisieren soll oder überhaupt kann. Langsam weiss auch nicht mehr wohin mit den Funden obwohl ich den ersten Sammlungskomplex vor vier Jahren schon komplett abgegeben habe. Offenbar sind nun auch noch weitere Gruben der älteren Eisenzeit neu angerissen worden Es treten frische Bruchstücke mit scharfen Kanten und guter Oberflächenerhaltung auf. Das ist dort so extrem fundreich und überbordend wie am ersten Tag und zuletzt ist die schrittweise Zerstörung der Befunde auch eine wissenschaftliche Katastrophe.

Das läuft genauso tragisch wie es einst in und für Urmitz gelaufen ist. Das die Facharchäologie den Platz in seiner einzigartigen und herausragenden überregionalen Bedeutung einerseits anerkennt und dann bei allerbester Befunderhaltung überhaupt nicht sichert und nicht Druck auf die Stadt ausübt ......  ich hab da keine Worte mehr und persönliche Trauer, weil es auch die Besonderheit der Geschichte meiner Region betrifft.


Ein, oder der Masse der Fundbelege nach vielleicht eher noch, DER Zentralort der Michelsberger Kultur am Niederrhein, der Hauptfundplatz des späten Neolithikums des gesamten Rheinlandes, eine bis dahin unbekannte und wohl auch literarisch überlieferte spätantike Siedlung und Handelsniederlassung, Materialbruch mehrerer römischer Kaiserstatuen  .....  alle  Befunde vergehen ungeschützt. Dafür bin ich den Bäuerlein nicht mal böse. Die tun was sie immer tun.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Guten Morgen,

das ist dieses Jahr hoffentlich ein Ausnahmejahr. Wenn das die Regel wird, haben wir als Feldbegeher eher das kleinste Problem. Trotzdem Mist. Ich konnte dieses Jahr die meisten Funde im abgeernteten Getreide machen.

Wie lange läuft denn deine Siedlung und kann man sich die Ausdehnung so wie Karlburg oder Ballhorn vorstellen?

In Karlburg gibt es für die Bauherren natürlich strikte Auflagen. Neulich mussten wir aber feststellen, dass die auch mal mit Füßen getreten werden. Schade eigentlich, wenn es schon einen Kompromiss gibt. Da wird dann einfach anstelle eines Vlieses zu verwenden das ganze Grubenhaus mit ausgebaggert. Schade schade

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo


Hallo mein Lieber!

Bei der Grabung wurde festgestellt, dass es zumindest die bislang größte bekannte spätantike und eine ungewöhnliche große fränkische Siedlung rechts des Rheinlaufs im eigentlichen Stammland der Franken und vor der Rheingrenze der römischen Provinz ist. Durch die Funde von über Byzanz importierten Steinperlen aus Bergkristall, Amethyst und Glasperlen sowie durch Metallobjekte ist auch die Präsenz der Oberschicht gesichert. Weiter Fundbelege sichern die Glas- und Metallverarbeitung innerhalb des Ortes. Also zumindest eine ähnliche Situation. Dazu muss es zumindest auch noch nicht entdeckte Landungsanlagen für den Flusshandel gegeben haben.

Der wesentliche Unterschied zur Karlburg ist: hier in der REgeion war man schlicht bei sich Zuhause.
Die Karlburg sicherte dagegen die eroberten Gebiete im "Feindesland".

Die Siedlung hier ist durch überlieferteoi Raubüberfälle der Wikinger in die Region in merwowingisch-karolingischer Zeit vielleicht sogar mehr als einmal geplündert worden. Es ist bekannt, dass ein fränkischer Prinz in die Region gesendet worden ist um sich dem entgegen zu stellen. Als Konsequenz der wiederholten Bedrohungen gründete man dann einige Kilometer weiter flussabwärts eine militärsich besser abgesicherte Handelsniederlassung.

Auf der Gegenseite residierten die Beherrscher der Region von denen einer mit der reichste jemals ergrabene Grabausstattung eines Fürsten seiner Zeit ausgegraben werden konnte. Allein schon deshalb ist es unglaublich den vollkomen neu dazu entdeckten Bereich ungeschützt der progressiven Zerstörung durch die Landwirtschaft auszusetzten.

Von daher ist der Ort archäologisch wie historsich von weit überregional herausragender Bedeutung. Das bestätigen auch Alle ... und es geschieht weiterhin gar nichts zum Schutz der Befunde.

Und ganz nebenhar ist es auch einer der bedeutendsten Fundplätze ab der jüngern Jungsteinzeit im gessamten Rheinland. Das bestätigne auch Alle ... und es geschieht nichts.

Das macht deutlich, das die urgeschichtliche Archäologie heute gar keine Lobby mehr hat. Die akademischen Institutionen kümmern sich nur noch linksrheinisch intensiv um die LBK und was sich dort als  "Beifang" findet. Da fliessen tradoitionsgemäß  die wenigen Gelder hin, die überhaupt noch zur Verfügung stehen.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Wiesenläufer

Moin Thomas,

selbst, wenn es kein herausragender Fundplatz wäre, ist es erschreckend wie gleichgültig mit bekannten Fundplätzen umgegangen wird. Wie Du schon schreibst, der Landwirt macht nur seine Arbeit.
Ich hatte dieses Jahr ebenfalls ein erschreckendes Beispiel dafür. Ein Feld auf dem mehrere Fundplätze sind. Der Landwirt hat in Abständen von 8 Metern, parallel in 1,20 Tiefe seine Entwässerungsschläuche mit einer Maschine verlegt. Als ich es mitbekommen habe und Bilder sowie Angaben dazu, weitergeleitet hatte, hieß es: Bedauerlich, aber da kann man nichts machen, der Landwirt kann auf seinem Feld Entwässerungs-arbeiten vornehmen. Drei Fundplätze waren davon betroffen. Ob da nun Herdstellen, Siedlungsgruben oder sonstiges ist, es ist damit in meinen Augen zerstört. Ich finde es einfach nur traurig und erschreckend.  :wuetend:

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

RockandRole

Hallo Thomas,

das hört sich alles sehr interessant an. Vielleicht kann man das Konglomerat an Siedlungen wie einen Brückenkopf sehen, von dem die fränkische Eroberung bei uns in den Raum ausgegangen ist.

Ich stelle mir diese Überfälle der Wickinger so vor, dass sie einfach zu schnell und zu aggressiv waren, um sie von solchen begrenzten Siedlungen abzuwehren. Da waren einfach nicht genug wehrfähige und ausgerüstete Männer vor Ort.
Bei uns, den Main hoch, scheinen sie nicht gekommen zu sein.

Wäre mal interessant den Wechsel zwischen der alemannischen/burgundischen Herrschaft und der Übernahme der Franken archäologisch zu fassen. Das wird aber wahrscheinlich unmöglich sein.

Freu mich auf alle Fälle, wenn unsere schöne Stelle wieder Scherben ausspuckt. Hier ist der Großteil überbaut. So viel zur Zerstörung

Liebe Grüße Daniel

gefährliches Drittelwissen

thovalo



Ja, das ist schon insgesamt und offenbar überall sehr frustierend.
Allerdings gebe ich die Hoffnung und das Klingeln in den Ohren der Zuständigen nicht auf.  :wuetend:

Die Wikingerüberfälle liefen wohl im wesentlich im Rahmen von strike and go ab.
Selbst tiefer im Binnenland überfielen sie mehrmals das in dieser Zeit hoch bedeutende Kloster Prüm in der Eifel.

Es kamen nicht schnell genug bewaffnete Reaktionen zustande. Die Wikinger schlugen hier in der Region ihr Winterlager auf, wurden darin stark bedrängt und zuletzt durch den fränkischen Prinzen Theudebert angegriffen und vertrieben. Ihr Vorteil waren die schnellen Drachenboote mit sehr geringen Tiefgang mit denen sie über die Flussläufe tief in die angegriffenen Landschaften eindringen konnten.

Immerhin gibt es sogar einige wenige historische Quellen zu den Vorgängen hier in der Region!
Das macht das ganze Fundaufkommen noch viel fassbarer und spannender.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.