Aussagekräftige Tone

Begonnen von Silex, 08. Dezember 2006, 22:05:28

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Silex

So Freunde,
Endlich hats wieder mal geregnet.... und soll ich leider sagen? Man muss es wohl.. denn der Bauer hat dermaßen in eine Siedlung hineingesägt.... hindurch durch Neuzeit und Mittelalter in die späteste Bronzezeit... bei uns "Urnenfelderzeit" genannt.. Hellgelbe Areale mit Holzkohlepartikeln durchsetzt.... orange- und rostfarbene  Nester mit speckiger  Keramik die seit 2 einhalb Jahrtausenden nicht mehr den gleichen Himmel und die gleiche Sonne gesehen hat (den und die es damals und heute gegeben hat....... allerdings wenn ich heute meiner Tochter die Faszination einer Sternennacht erklären will muss ich fast kapitulieren vor den Unmengen von Fugzeugen in denen  hirnrissige Idioten vermeinen ihren Freiheits- und Urlaubsdrang befriedigen zu müssen, .... um in der Karibik Ihr unverdientes Schnitzel zu fressen   ... um dabei soviel Energie zu verprassen wie es eine keltische Sippe in 200 Jahren  nicht vermochte.. ).
Es hatte zwar nur ein bißchen genieselt... aber dies reichte für 2 Kilo Keramik aus fernen Zeiten.....
Eine grobkeramische Vorratsgefäßwandscherbe mit  etwas verunklärter Fingertupfenleiste
ein feinkeramisches Randscherbenstück
eine Miniwandscherbe mit Kerbverzierung
und ein Graphittonstück...
alle Teile sind nicht mit der Drehscheibe hergestellt und datieren vermutlich in die Zeiten der Urnenfelderkultur.(wobei bei dem graphitierten Stück eventuell schon eine hallstattzeitliche Übergangsphase möglich wäre
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

..die feinkeramische Randscherbe
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

H. Wurst

Ich liebe Deine Beiträge!!!
:winke: Jan

Silex

Miniwandscherbe mit Kerbleiste und Graphittonwandscherbe....

Und bitte hebt solche Sachen auf   und meldet sie.... es wird  sie bald nicht mehr geben....




(Und danke H.W. .....weil ich während des Schreibens Deine rote Zipfelmütze erspähe.... und  glücklich erschaudernd Dein "LOB" wahrnahm... weil es doch stimmt wie diese Wohlstandsfratzen die Himmel durchkreuzen und auf uns niederkacken und urinieren, kerosinisieren,  flüchten vor sich selbst auf Kosten Aller  und... dann "Himmelsscheiben" bewundern,  die Pyramiden begaffen  und Delphine streicheln wollen  mit ihren "schönen" (scheinbar daseinsungebundenen)  Körpern die auch nur aus Eiweiß, Fett , Schleim und einer gehörigen Portion Kalk bestehen.)

und jetzt wieder zurück zu den Urnen.. als die Frauen noch die Totenfolge antraten.. wenn der Patriarch seine irdische Endlichkeit aushauchte... als Nebel die Hierwelt verließ... (und wie bei uns in der Oberpfalz noch die Fenster geöffnet wurden... vor wenigen Jahren)....
Eigentlich wollte ich heute ausgiebig suchen aber ich kam fast nicht dazu weil ein halbes Dutzend Leute mich immer wieder unterbrach.... 5 ältere Herren und ein junger Bauer mit Sohn der nahebei im Wald werkelte.... aber diese Gespräche waren die wahren "Fundstücke" des heutigen Tages.
Jeder dieser Menschen hat mir mehr gebracht als alle Bücher und Artikel die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Erzählen , sprechen, zuhören, verstehen

und hier die Scherben
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Manchmal weiß man nicht ob man  :narr: oder  :heul: soll ...

Die Randscherbe ist wunderschön ... Aber wenn man weiß wie weich und fragil vorgeschichtliche Kermik ist, dann mag man nach einiger Zeit keine frischen Brüche mehr ... Man hört es förmlich knirschen wenn man an das Tagewerk der Bauern denkt ... ein paar Saatwechsel an der Oberfläche, die Kreiselegge ... und es bleiben nur winzige Fragmente.

Ich war mal stolzer Entdecker eines eisenzeitlichen Fundplatzes mit dicken frischen Scherben, nicht so verollte Winzlinge, sondern ordentliche Brocken. Ein Paar davon recht hübsch verziert. Noch während ich mir selbst jovial auf meine Forscherschulter klopfte, machte ich durch Zufall eine Beobachtung ... auf dem Nachbaracker, der kaum Keramik lieferte, waren im Bewuchs deutlich die Kreisgräben von mehreren Grabhügeln zu sehen. Auf dem Acker mit den tollen Funden zeigte sich im Bewuchs: ... Nichts ... mehr.

Die Vorfahren meiner Mutter waren Bauern in dieser Gegend. Ich finde ihren Namen hier bereits im 13 Jahrhundert erwähnt ... und davor werden sie auch schon dort gewesen sein ...

Ich geh morgen nochmal zu der Stelle hin ...

ciao
das Wühlmäusle

Silex

servus wühlmaus, das kann nur ein Augensucher verstehen, Du findest eine Scherbe - der Bruch ist frisch- daneben eine zweite- und die passt genau an die erste - da fehlt kein Körnchen- und sie rasten fettsatt ineinander.... die helle, rote  Ackerspur ist lang... und meist hat der Pflug nur einen Topf angerissen  und Du findest nichts mehr...selbst wenn Du oberflächlich rumpuulst...... und wenn ein ackerbaulicher Arbeitsgang dazwischenkommt dann ist die Keramik verloren......
Ich hatte einmal das Glück einen steinumstellten Topf aufzulesen der buchstäblich herausgehebelt wurde weil eine Steinplatte sich während des Pflügens unter ihm verkeilte und  nach oben hin zerbersten ließ..
Ich hatte es schon mal geschrieben... so ein 150 PS - Traktor von heute der kümmert sich nicht mehr um eine steinumgrenzte Sicherung für eine Keramikurne   oder ein Kammergrab.... wie dies bei  einer oder 17 Pferdestärken  jahrtausendelang üblich war .
Jetzt gehts ans Eingemachte.... das seh ich jeden Tag mehr....
Würdet Ihr die  Graphittonscherbe schon in die Hallstattzeit stellen??? Trotz aller terminierender Hinweisverzierungen und Ränderausformungen
Danke
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

servus nochmal  ...zum Editieren wars schon zu spät... es muss natürlich heissen:
"Trotz des Fehlens jedweder  terminierender Hinweisverzierungen und Ränderausformungen....."
Gott behüte Euch
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Rambo

Servus
Könte es sein, das man das zweite Randstück endneolithisch oder kupferzeitlich datieren könnte?
Sieht toll aus
Gruß Rambo
Willst du der Väter Taten kennen
folge ihrem Erdensein,
lern das Gute zu erkennen
und das Schlechte still verzeihn

Silex

Servus rambo, die ersten 3 Fotos sind die Reste einer fingertupfenverzierten Wandscherbe (vermutlich) knapp unterhalb des Randes (die könnte vielleicht etwas älter sein- lag  auch etwas abseits der UK Siedlung). Die zweite Randscherbe gilt in unseren Gefilden als  typisch urnenfelderzeitlich (wieder 3 Fotos). Dann folgt diese kerbverzierte Randscherbe die eigentlich im süddeutschen Raum als UK - zeitlich gilt... und die letzte (2 Fotos),  graphitierte , könnte schon einen hallstattzeitlichen Horizont andeuten...
Für mich könnte höchstens die erste Scherbe aus  früheren Zeitschichten stammen....
Aber wie gesagt ...der Pflug war tief... und unsere Fundlandschaft ist nur in Ansätzen erforscht...
Danke
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger


Sehr feine Sachen, Edi !!!  :super:

Gibt es eigentlich noch Typen, die dir fehlen !!  :staun: :zwinker: :winke:

Silex

Servus , agersoe, mein Freund,
Es fehlt, ehrlich gesagt Alles was mich weiterbringen würde....und das ist gut so .... diese Menschen sind unbegreifbar   (Magritte schrieb : Cést une pipe, und es war ganz was anderes was er malte und zeigte..... wir denken das ist eine Sonne , ein Mond,...... Aber unser Bild davon ist nicht emblematisch und bedeutungsschwanger-wie damals- er ist nüchtern und grob....eine Neutronenquelle oder etc...... Ein Gedicht aus dem 18. Jhdt. über den Mond und die Sonne ist für viele Zeitgenossen einfach unverständlich). Es ist lediglich der Thrill etwas in der Hand zu halten das unsäglich alt ist - und kurz vor der endgültigen Zerstörung ist.  Es sind ein paar Scherben...die kaum etwas bedeuten.... ein Tag Suche... ein bißchen Glück.... bestimmt auch Pech....
der Versuch stolz zu sein, durch das "Zeigen" (deshalb gibt es "uns" unter anderem) .
ABER: Diese Beständigkeit gibt mit der Zeit eine lokale Kompetenz (samt  logisch folgendem Eingeständnis der eigenen  Unwissenheit) die mir in der "Zusammenschau" über Jahre hinweg einen eigenen Geschichtsblick gibt . Ich habe eine vage Ahnung  ... nicht zuletzt durch Euch.
Und drum schau ich auch morgen wieder nach- an dieser Stelle.
Und vielleicht treff ich den Bauern wieder mit seinem 8-jährigen Sohn  , der die Kettensäge so vortrefflich bedient und mich begleitet weil er  wissen will  was sein Feld früher war......
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.