Frühe Stegkanne

Begonnen von Grafino, 08. Juni 2011, 16:07:54

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Grafino


Hallo und guten Tag,

gerne zeige ich euch diese frühe Scherbe einer Reliefbandverzierten Kanne
die seinerzeit bei Bauarbeiten an einem Seniorenstift in Pingsdorf ans Tageslicht kam.
Gleiche Belegstücke werden im Buch von Markus Sanke " Die mittelalterliche Keramikproduktion in
Brühl-Pingsdorf " aufgeführt.
Ein echter Vorläufer für die späteren Stegkannen der Renaissance....
Viele Grüße
Guido

thovalo

Ein typisches Rheinisches Stück des 12. - 13. Jhs. !
Die wurden auch direkt in Brühl und vielleicht auch schon in Siegburg hergestellt.
Ein seltenes Belegstück in dieser Variante!  :super:

Gab´s auch mit Auflagen von Phallus und Figuren .......   skurrile Dinger .....
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

teabone

Hallo Guido,

gratuliere zu dieser Scherbe. So etwas werde ich bei mir im Weinviertel nicht finden können.

Vermutlich dürfte dieses Reliefband "evolutionär" einmal ein organisches Band gewesen sein. Leder oder so.
Analog zu Beispielen von bestimmten jungsteinzeitlichen Keramiken wo ein ursprünglich organisches Material, Beispiel: eine Seilaufhängung später als Schmuckauflage aus Ton wiederkehrt, da sich zwar die Art der Aufstellung bzw. Lagerung ändert, man aber an Konventionen gebunden bleibt.

Gruß
Augustin
 
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

thovalo

#3
Zitat von: teabone in 08. Juni 2011, 21:38:05
Hallo Guido,

gratuliere zu dieser Scherbe. So etwas werde ich bei mir im Weinviertel nicht finden können.

Vermutlich dürfte dieses Reliefband "evolutionär" einmal ein organisches Band gewesen sein. Leder oder so.
Analog zu Beispielen von bestimmten jungsteinzeitlichen Keramiken wo ein ursprünglich organisches Material, Beispiel: eine Seilaufhängung später als Schmuckauflage aus Ton wiederkehrt, da sich zwar die Art der Aufstellung bzw. Lagerung ändert, man aber an Konventionen gebunden bleibt.

Gruß
Augustin


NEIN,
die haben hier und zwar im benachbarten Töpferort "Badorf", erstmalig große (50 cm Höhe und mehr) bauchige Tonfässer, die sog. "Badorfer Amphoren", im Bild rechts eine von vielen Varianten .......  :glotz:

http://www.fantomzeit.de/wp-content/uploads/niemitz_keramik_01.jpg

mit solchen Tonbändern stabilisiert und diese Tonbänder dann bei solchen Beispielen wie dieser Kanne einfach als Verbindungsstege eingesetzt. Das sind wirklich rein tradiert materialbezogene kreative Lösungen. Es gibt auch große Tonschalen mit solchen Stabilisierungsbändern in Ratingen-Breitscheid usw.

Die Entwicklung verlief dann über die Tüllenkannen,

http://www.viatores-temporis.de/Sachkultur/koeln/pics/2_002.jpg

die im Rheinland eine lange Tradition haben bis hin zu den exqusiten Meisterstücken in der Renaissancezeit ......!


 
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

teabone

Hallo Thomas,

Deine Kompetenz erlaubt mir keinen Widerspruch!  :winke:
Der zweite Link war leider nicht zu öffnen.
Ich habe bloß eine bestimmte Vorstellung von Möglichkeiten, aber gerade nichts zur Hand um dem Gewicht zu geben. Ich werde dran arbeiten. Braucht aber noch Zeit.

Gruß
Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

thovalo

Ich habe den nicht funktionierenden link durch einen anderen ersetzt!

lG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

teabone

Hallo Thomas,

jetzt funktioniert es, danke! Schöne Beispiele, sehe daran auch die Entwicklung inkl. dem oben vorgestellten Fragment. Spannend!

Gruß
Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

thovalo

Hier noch ein Exemplar mit figürlicher Verzierung datiert in das 13. Jh.  ......  Siegburg/Brühl ...

.......... aus dem Hetjensmuseum in Düsseldorf :glotz:



glG thomas   :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

teabone

Hallo Thomas,

ja das ist voll Leben. Ein originelles Stück, ich bedanke mich für diesen Exkurs!  :winke:

Gruß
Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

Grafino


Vielen Dank Thomas,
äh, hast du ein Schlüssel für´s Museum?
Anbei noch zwei literaturbekannte Exemplare aus dem Kölner Gewerbemuseum.
Gruß
Guido

Levante

Zitat von: thovalo in 08. Juni 2011, 19:25:11
Ein typisches Rheinisches Stück des 12. - 13. Jhs. !


Dem ist ja wieder mal nichts mehr hinzu zu fügen.  :zwinker:

Ich hätte die Scherbe aber eher ins 11. - 12. Jhs. datiert.  :nixweiss:

Und ob die Kanne mit der figürlichen Darstellung wirklich aus dem Rheinland stammt, ist noch nicht bewiesen oder?

Warten wir die Zukunft der Forschung mal ab, ich tendiere, mittlerweile, bei solchen Stücken eher nach Niedersachsen.  :zwinker:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

thovalo

Zitat von: Grafino in 08. Juni 2011, 23:16:13
Vielen Dank Thomas,
äh, hast du ein Schlüssel für´s Museum?
Anbei noch zwei literaturbekannte Exemplare aus dem Kölner Gewerbemuseum.
Gruß
Guido

Der Schlüssel ist verloren .......  :heul:


Bernd Hakenjos (* 13. Februar 1945 in St. Georgen im Schwarzwald; † 25. Juli 2006 in Düsseldorf) war ein deutscher Kunsthistoriker und langjähriger Direktor des Hetjens-Museums/Deutsches Keramikmuseum in Düsseldorf. Einem breiten Publikum wurde er durch die Sendung Kunst und Krempel des Bayerischen Fernsehens bekannt, in der er als Experte für die beiden Fachgebiete Porzellan und Glas entsprechende Kunstgegenstände begutachtete und bewertete.

in memoriam
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Grafino


Ja ich habe selbst mal zwei Keramiken von Herrn Hakenjos begutachten lassen.
Das war und ist vielleicht immer noch einmal im Monat im Hetjensmuseum möglich.
Aber noch etwas:
Was mir auffällt ist das diese frühen " Prunkkannen " erkennbar einen Doppelhenkel hatten.
Diente diese Doppelhenkelung der Fixierung eines an das Gefäß gebundenen Deckels? :kopfkratz:
Werde mal selbst drüber schlafen.
Angenehme Nachtruhe allerseits...

thovalo

Gute Nach Johnboy!  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

grünland


Hallo zusammen,

annähernd 5 Jahre ist es nun schon her das ich die Scherbe der frühen Stegkanne gezeigt hatte.
Im Spätsommer dieses Jahres konnte ich nun die jetzt gezeigt Kanne erwerben.
Das macht die Sache jetzt rund und ich wollte sie euch nicht vorenthalten  :winke:
Habe sie von einem pensionierten Gas-Wasserinstallateur, der sie in den 60´gern in Badorf gefunden hat.
Hätte sie nach Brühl eingeordnet aber die Töpferortschaften sind dort ja alle dicht beieinander.
Lg
Guido

queque

Ein prächtiges Stück. Was da wohl  noch alles bei ehemaligen Klempnern, Maurern und Totengräbern in Kellern und auf Dachböden schlummert...
Glückwunsch zu dem Kauf.
Sieht nach Pingsdorf aus, oder?

Grüße aus Köln
Bastl

grünland

#17
Hallo Bastl,

in Brühl selbst und in den anliegenden Ortschaften Pingsdorf und Badorf wurde ja sehr ähnlich bzw. identisch getöpfert.
Aber "formell" zählt die Kanne zur "Pingsdorfer Keramik", da hast du Recht.

Gruss
Guido


thovalo

#18


Die "angeschnallten" langen Tüllen sind witzige Konstrukte.
Die Art der "Befestigung" entspricht etwa mit Weidenruten gebundener Holzgefäßen.

Dein Neuerwerb scheint zeitlich ins späte 12. -13. Jh. zu datieren.
Fundortangaben sind ja leider nicht mehr prüfen.

Die Kombination der Gliederung mit scharfen Absätzen, den Bogenauflagen, der Bemalung und dem vergleichsweise hart erscheinenden Brand ist bemerkenswert und leitet zur Datierung. In Aufbau und Ausführung ist das, trotz der Seltenheit vollständiger Stücke, eine Massenware wie die meisten der anderen Gefäßtypen aus dem Raum Brühl.

Wenn ich hier in Brühl, Pingsdorf, Badorf dazu komme in Baumassnahmen zu schauen liegen da unendliche Schichten und Massen zertrümmerter und immer wieder umgeschichteter Fehlbrände und immer und immer der gleiche Pröll.


Trümmer einer solchen Kanne sind selten darunter.

Glückwunsch zum Erwerb.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Guten Abend,

na ja also ich finde schon das diese hoch dekorierten oder Figural verzierten Gefäße aus der Richtung des Vorgebirges recht selten sind, auch wenn diese immer mal in den Scherbenhalden auftauchen.

Anbei mal ein Fehlbrand aus unserer kleinen Sammlung.  :smoke:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

grünland


Ein sehr schönes Stück,  :winke:

ähnelt schon sehr diesem hier.

Lg Guido