35 Jährige Odyssee eines Nahezu einzigartigen Fundbeleges

Begonnen von Levante, 15. Juli 2010, 14:29:11

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Levante

Hallo,

hier nun der Bericht zu einem sehr seltenen Fundbeleg.

Gefunden wurde dieses Fragment, damals noch in Scherben, 1975 bei Ausschachtungsarbeiten im Keller des Hochzeithauses in Bad Soden-Allendorf.

Die Fragmente wurde von einen Hobbysammler auf dem Aushub des Containers aufgesammelt.

Worauf er umgehend die zuständigen Archäologen informierte.

Die sagten sie wollen den Inhalt des Containers sicherstellen und durchsuchen.
Und weitere Grabungen im Keller durchführen.

Leider kam es wie es zu erwarten war, der Container wurde abtransportiert und natürlich nicht untersucht.
Grabungen hat es leider auch keine gegeben.

Nähere Informationen zu dem Thema sind mir leider nicht bekannt.

Es ist davon auszugehen, das der Rest der Kanne im Container lag, da es alles frische Brüche waren. Wenn man darüber nachdenkt, kann man noch heute anfangen zu heulen.
Der Wert einer ganzen Kanne in dieser Qualität währe übrigens ohne weiteres 6 stellig zu beziffern.
Wobei natürlich der Materielle Wert hier nicht das entscheidende ist, er Dient nur zur Veranschaulichung der Seltenheit.

Nachdem keine weiteren Scherben mehr zu erwarten waren, wurden die Fragmente der Kanne dann zur Dokumentation an die ansässige Arbeitsgemeinschaft Archäologie übergeben.

Nach der Dokumentation wurden die Funde wieder dem Finder übergeben. Dieser hat sie dann wohl irgendwann an eine unbekannte Person verkauft, somit war dieser Fund lange Jahre verschollen.

Bis wir dieses Jahr bei einem Sammler aufgeschlagen sind, welcher dieses Fragment nun in seiner Vitrine stehen hatte.

Uns sind natürlich fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als wir das Fragment sahen, wir kannten es ja schließlich nur von den Bildern und aus dem Fundbericht.

Leider war er nicht bereit das Fragment zu verkaufen, da er kein Geld brauche. :-(

Dem folgten dann einige Monate zäher Verhandlungen.  :zwinker:

Glücklicherweise war er aber an einem Tausch gegen ein anderes Gefäß interessiert.Dieses hatten wir eigentlich schon dem W. Q.  versprochen, aber das ist eine andere Geschichte.

Daher sind wir nun die glücklichen Besitzer dieses nahezu einzigartigen Fundbeleges.
Und wenns es nach uns geht, wird es in Zukunft auch einen Platz in einem Museum bekommen.

Das Fragment befindet sich derzeit bei einem Restaurator, der es stabilisiert und reinigt.

Nächstes Jahr wird das Gute Stück erstmals in einer Ausstellung über Werrakeramik als eines der Glanzstücke der Öffentlichkeit präsentiert. Eine veröffentlichung ind er nächsten Fachliteratur wird es sicherlich auch geben.


Hier noch mal in kürze, was dieses Stück so besonders und herausragend macht.

Die Kanne wurde um 1575-1585 in Wanfried oder Witzenhausen hergestellt, nähere Ergebnisse sind noch ausstehend.

Werrakeramik Kannen sind ebenso selten wie Mahlhornbemalte siegburger Trichterbecher.

Es sind momentan nur 4-5 Kannen weltweit bekannt.

Jedoch einige wenige Funde von kleineren Fragmenten und Scherben.

Dies ist bislang die einzige Kanne (Fragment) in dieser Blau-Grünen Überglasurtechnik.

Ich bin mir dessen bewusst, das es für weniger begeisterte Leser, nicht so spannend ist, wie für die Sammler und Kenner und Interessierte der Werrkeramik.

Ich bitte die schlechten Bilder zu entschuldigen.  :dumdidum:



Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

Hier noch das Bild einer Fehlbrandigen, gut restaurierten Schrühbrand Kanne aus dem Museum in Hann.Münden.

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

hochwald

Moin Levante!

Mal nicht von einem Fehlbrand, sondern von einem gelungenem Gefäß ausgegangen... ...so wie Dein erworbenes...

Ist diese marmorierte Farbstruktur (bräunlich/dunkel) incl. der Magerung mit ihrer Art und Färbung, signifikant zur Bestimmung eines "Wanfried oder Witzenhausen"-Keramik-Relikt`s ?

Wenn ja, könntest Du ein scharfes Detailfoto von Muster, Lasur und Magerung machen?


Beste Grüße!
hochwald

haasa2003

Hast Du etwa den Rest des Kruges?  :staun:

Gruß Winfried
Je länger man lebt,
desto deutlicher sieht man,
daß die einfachen Dinge
die wahrhaft größten sind.

Romano Guardini, 1885 - 1968

Levante

Hallo hochwald,

so einfach ist das leider nicht mit der Zuordnung.

Werrakeramik wurde in mehreren an der Werra gelegenen Orten hergestellt, und ab 1605 auch in den Niederlanden getöpfert.

Nachdem Töpfermeister von der Werra dort Werkstätten aufgebaut haben.

Die Werrakeramik ist nur einem Töpferort zuzuordnen, indem man sie einem Maler zuordnet.

Das geht eigentlich recht gut, da jeder Maler seinen eigenen Stil hatte, und den auch über die Jahre beibehalten hat.

Manche Teller sind datiert über eine Jahreszahl, andere über Beifunde, oder über die Veränderungen im Laufe der Produktion.

Desweiteren ist ungefähr bekannt, wann welcher Maler wo tätig war ( jedoch noch sehr lückenhaft).

Da viele Aufzeichnungen 1637 durch Brandschatzung zerstört wurden.

Wenn  du meinst das du Werrakeramik hast, dann sende mir doch bitte Bilder der Ware.

So weit es mir möglich ist, kann ich anhand meines Wissens und mit Hilfe anderer Experten, mit denen ich in guten Kontakt stehe, deine Scherben einordnen.

Leider ist über die Werrakeramik nicht viel publiziert, und das meiste wurde in den Niederlanden veröffentlicht.

Dort ist die Wertschätzung dieser Ware noch um einiges höher als hier bei uns.
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

hochwald

Moin Gemeinde!


@ Winfried:  :winke:

Erst jetzt habe ich geschnallt, daß Deine Frage wohl an mich gerichtet war.

Nein, ich habe sicher nicht den Rest des Kruges.
Wäre es der Fall, dann wär diese Geschichte filmreif.


@ Levante:

Danke!  ...und wie immer ein sehr fachliches Statement Deinerseits.  :super:

Ja, daß klingt einleuchtend, daß man über die Art der Malerei, eher Rückschlüsse auf den Ursprung jener Keramik führen kann, als über deren Magerung oder der Lasurfarbe.

Mitlerweile haben sich bei mir etliche Kilo Scherben angesammelt, von den verschiedensten Arealen meiner Heimat.
Habe genug Zeit und ein paar gesunde Füße. :-D
Einige sind darunter, die zumindest optisch mit der Lasur und der Magerung :irre: mithalten könnten.
Jedoch auf keiner einzigen ist derartige Malerei zu erkennen, wie auf Deinem antiquarischen Krug.
Bei Gelegenheit knips ich ein paar dieser Scherben und stelle sie hier mal untertänigst vor. :schaem:


Beste Grüße!
hochwald

thovalo

Das klassische Drama wichtiger Fundbelege: vollständig erhalten, aus Desinteresse und Ignoranz zerstört und wenn der fleissige und engagierte Privatmann nicht mit aufgepasst hätte, wäre wichtiges Kulturgut im Unterbau irgendeiner Landstrasse gelandet!

Zu schade der Zerstörungszustand!!!

Klasse das Du das Besondere erkennen und das Stück mit Engagement und Beharrlichkeit sichern konntest!   :super:


Und wenn ich mal .......... dann ruf ich Dich sofort an!!!!!!!!!!!!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)