Zwei Prospektionstage auf einer Flur mit wenigen Funden und tollen Ergebnissen

Begonnen von thovalo, 04. September 2025, 18:09:11

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thovalo



Moin!


Die vergangenen zwei Tage habe ich das Fundareal mit einem Lagerplatz des späten Paläolithikums bei Düsseldorf prospektiert. Die Begehungsbedingungen und die Sichtbedingungen waren weit unterdurchschnittlich. Dennoch konnte ich die her übliche geringe Anzahl von Artefakten auflesen.

Darunter befanden sich zwei "einfache Stichel an Endretusche" und eine "sekundäre Stichellamelle" die auf einem eng bgrenzten Bereich nahe zueinander lagen und vermutlich auf einen in diesem Bereich gelgenen Befund verweisen.


Der größere Stichel an einem Abschlag ist 4.9 cm lang und hell patiniert.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo




Der kleine Stichel ist nur 1.9 cm lang und weiß-blau patiniert. Dieser Stichel, der die Zeiten vollkommen unbeschädigt überdauert hat, zeigt das  bislang geringste Format dieses Gerätetyps auf diesem Platz.


Bereits in der vergangenen Woche hatte ich Fnde des Platzes an die Denkmalpflege übergeben, worunter sich drei weitere Stichel befanden. Auch in den Abgaben davor befanden sich Stichel.


Diese Stichel sind nicht mehr in die Fundaufnahme gekommen, sodaß die tatsächliche Stückzahl von Sticheln auf diesem Fundplatz inzwischen bei etwa 50 (!) Exempalaren liegt, die weit überwiegend klein und damit auch zierlich und relativ zerbrechlich sind.

Die Stichel bilden im Gesamtfundinventar etwa 18% aller Artefakte, einschießlich Kerne, Abschläge, Lamellen usw. Das ist prozentual die höchste Funddichte an Sticheln, die jemals auf einem paläolithischen Fundplatz in Deutschland verzeichnet werden konnte. Als Hintergrund wird eine besonders intensive Bearbeitung von Knochen und/oder Hölzern auf diesem Platz anzunehmen sein.

Fundplätze an denen ein Gerätetyp dominierend vorherrscht, bezeichnet man als "special-task-Camp".
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Die Stichellamelle ist 1.4 cm lang gleichfalls patiniert, so wie das hier für fast alle Artefakte vom Ende des Eiszeitalters charkteristisch ist.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Das aktuelle Fundaufkaommen wird noch durch einen vollstädig erhalten gebliebenen kleinen und umlaufend retuschierten Kratzer mit weißlicher Patierung, eine für das Fundinventar bereits großformatige (4.9 cm Länge) patinierte Klinge, mit einem kleinen und einem größeren Bulbus, durch gebrochene patinierte Lamellen und Abschläge, die patinierte Distalpartie einer Kernkantenklinge und zwei verbrannte Silices ergänzt.


Da alle Funde eingemessen werden, bildet sich inzwischen ein deutlicher werdendes Muster der Verbreitung der Artefakte im Gelände ab.

Die für dieses Jahr geplante Grabung der Universität Köln scheiterte an der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Pächters. Inzwischen ist in die Pattsituation allerdings etwas in Bewegung gekommen, sodaß wir für das kommende Jahr mit der Grabungsgenehmigung rechnen.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Moin Thomas,

Danke für diesen reich bebilderten Fundbericht.
Alles eindeutige mustergültige Fundstücke die mit der Zeit helle Patina angesetzt haben.

LG
Jan

thovalo


Moin Jan!

Die meistn der spätpaläolithischen Stücke hier haben eine porzellanartig weiße, blau-weiße oder hellbeigefarbige Patinierung. Die variierende Patinierung hängt von den direkten Einlagerungsverhältnissen vor Ort, wie auch davon ab, aus welchen Situationen die eingetragenen Feuersteine entnommen worden sind.

Es handelt sich bislang ausschließlich um nordischen/baltischen Geschiebefeuerstein und einige wenige, im Rheinkies enthalten gewesene Strandgerölle. Das ist für einen relativ großen Federmesserfundplatz im Rheinland ungewöhnlich. Auf den meisten Fundplätzen, mit oft sehr viel weniger Artefakten, zeigte sich, dass die Menschen zumindes auch westliche Feuersteinvarietäten aus den Niederlanden und Belgien mit sich geführt oder eingetauscht hatten.

Die Menschengrppe hier scheint aufgrund des ausschießlichen Gebrauchs nordischer Feuersteine, die aus Obrflächenablagerungen im Geschiebe stammen, aus nord-östlicher Richtung kommend, neu an den Rhein gewandert zu sein.

Das muss noch weiter wissenschaftlich behandelt, untersucht, überprüft und abgeglichen werden. Ein möglich Aussage wäre dann, dass es in dieser Zeit zwar überwiegend Gruppen gab, die sich längerfristig im Rheinland und der Maasregion bewegten, es aber auch, wie in diesem Beispiel, eine Zuwanderung aus entfernteren nord-östlichen Regionen gegeben hat. Zumindest evolotionsbiologisch ar das auch dringend notwendig, um den Genpool, der insgesamt sehr geringen Gesamtbevölkerung, aufzufrischen und variabel halten zu können.

Es ist bekannt, dass diese Jäger- und Sammlerbevölkerung, spätestens mit dem ausgehenden Mesolithikum aus Europa ab- oder verdrängt worden ist und neolithische Zuwanderer aus der Levante auch hier die "neolithische" Revolution einleiteten.

In sofern ist dieser, im ersten Eindruck eher beschaulich und unscheinbar wirkende Fundplatz, mit seinen weit überwiegend kleinformatigen Artefakten, von einiger Bedeutung für die Interpretation von  Wanderbewegungen, des Bevölkerungsaustausch und der überregionalen sozialen Organisation, gegen Ende des Eiszeitalters in Mitteleuropa.


lG Thomas  :winke:






Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Jondalar

Hallo Thomas, 

vielen Dank, dass Du uns wieder an Deinen Funden und Forschungen teilhaben lässt und auch dafür, dass Du die Funde sogar überregional 'einbettest'. Mein erster Gedanke war, dass dann DEINE Federmesserleute ja aus MEINER Gegend gekommen sein könnten... UND -bitte entschuldige, ich bin jetzt mal wieder albern- wir beide, sofern Du in Deiner Gegend ursprünglich ansässig bist, ja recht nah verwandt sein könnten...     ;)  
Ach, da fällt mir ein, meine direkten Vorfahren kamen ja aus dem süddeutschen Raum...   ;)
Viele Grüße

Jondalar
'Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf, es kompliziert zu machen!'
(Konfuzius)

thovalo


Moin!

Es ist gut möglich dass die Menschen über die Hellwegzone aus Westfalen hierher kamen. Aber noch ist zu wenig über diese Zeitphase bekannt.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.