Kleines Keilmesser

Begonnen von palaeo1, 01. Juni 2024, 19:48:39

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palaeo1

Moin !
Neben Flint kommmt hier im Norden Deutschlands im Mittelpaläolithikum auch mal, wegen der guten Brucheigenschaften, die Verwendung von Hällleflint als Rohmaterial vor. Publiziert ist ein Fundplatz von Oberntudorf in NRW.
https://www.academia.edu/68260549/Baales_and_Pongratz_2003_Mittelpal%C3%A4olithische_Funde_aus_Salzkotten_Oberntudorf_Ostwestfalen_AK?sm=a

Heute wurde ich selbst fündig und habe ein kleines Keilmesser entdeckt (Dm. 6,5 cm). Es ist aus einem Abschlag gefertigt und bifazial zugerichtet. Rechts im Bild die konvex gestaltete Schneide. Hat jemand von euch auch schon entsprechende Funde gemacht ?
LG Klaus

hargo

#1

RockandRole

Servus Klaus,

ein sehr interessantes Material. Würdest du uns bitte noch die anderen Seiten von dem Stück zeigen. Ist ja schon fast unfair, dass nur du die weiteren Ansichten sehen darfst  :zwinker:

Liebe Grüße Daniel und schön, dass du wieder mal etwas zeigst.
gefährliches Drittelwissen

palaeo1

#3
Daniel,
Du hast natürlich Recht. Ich wollte das Stück gezeichnet haben und präsentieren. Leider fehlt mir die Muße und die Zeit. Das Problem bei diesem Material ist, dass sich die Grenzen (Grate) der einzelnen Negative nur sehr diffus abzeichnen und schwer fotografisch darstellen lassen. Ich kann das ganz gut beurteilen, da ich einen großen Teil der Oberntudorfer Funde zum Zeichnen auf dem Schreibtisch hatte.
Ich habe das Artefakt jetzt mal kurz auf den Scanner gelegt. Ich meine, man kann sehr gut den Schlagpunkt auf der Ventralseite erkennen. Das zweite Bild zeigt den Rücken mit der originalen Oberfläche.
LG Klaus

palaeo1

#4
Noch eine kleine Anmerkung:
Das Material ist Durch einen Geologen sicher bestimmt, ebenso ist die Ansprache als Keilmesser gesichert. Es geht mir primär darum, das Augenmerk auf dieses Rohmaterial zu lenken, da der gewohnte Rasterblick beim Suchen solche Stücke leicht nicht wahrnehmen könnte. Die Retuschen sind in der Ausprägung gegenüber dem Flint sehr diffus und kann nur zeichnerisch real dargestellt werden, deswegen hier nur einfache Scans. So könnte so manches gute Artefakt nicht beachtet werden. Da das Gestein aus Südschweden kommt, liegt die Verbreitungsgrenze gleich mit der Ausdehnung der Saale-Vereisung + Transfer auf welchem Wege auch immer.
Lg Klaus

thovalo

Moin, Klaus!

Ich kann die Idee das Stück hier einzustellen gut nachvollziehen aber die Angaben dazu nicht. Nicht weil ich nicht will oder das nicht könnte, sondern weil mir die Bilder des Artefakts nichts sagen. Zu erkennen ist nichts das relevant wäre und mir die Ansprache als ein Keilmesser nahelegt, außer einem optionalen  "natürlichen" Rücken. Ich denke, das Stück muss man einfach im Original in der Hand halten und auch die anderen Funde des Platzes zur Verfügung haben, um es dann in so einen Fundkomplex einordnen zu können. Das Gestein scheint auch hoch speziell zu sein. Ich wohne ganz am Ende der maximalen Vereisungsgrenze und da liegt Nichts, das ich diesem Gestein nach den Bildern zuordnen könnte. Das wäre hier auch kein Material das für eine Nutzung in Frage gekommen wäre, da reichlich alternativ geeignete Gesteine vorhanden sind.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

palaeo1

Thomas,
in der Tat muss man das Stück zur Beurteilung in den Händen halten, aber darum geht es hier ja auch nicht. Ich wollte nur ein Material vorstellen, was im MP Verwendung gefunden hat und im Geschiebe gar nicht so selten vorkommt.
LG Klaus

Wiedehopf

Guten Abend,

ich habe im hiesigen Geschiebe (Westfalen, saalezeitliche Grenze der Eisausdehnung) vermutlich schon solches Material gefunden und für meine Geschiebesammlung im Garten mitgenommen. Es fühlt sich im Gegensatz zu den ähnlich aussehenden Gneisen an den Bruchkanten eher rau, scharfkantig an. Insofern könnten die gewünschten Materialeigenschaften für die Werkzeugherstellung (muscheliger Bruch) durchaus vorliegen.
Allerdings kommt auch hier, wie Thomas schon schrieb, massenhaft sehr viel besser geeignetes Material wie baltischer Flint vor.

Viele Grüße
Michael       

palaeo1

#8
Zitat von: Wiedehopf in 03. Juni 2024, 21:10:01Allerdings kommt auch hier, wie Thomas schon schrieb, massenhaft sehr viel besser geeignetes Material wie baltischer Flint vor.
   

Und genau da möchte ich ansetzen. Die damaligen Aufschlüsse am jeweiligen Ort sind doch nicht mit den heutigen zu vergleichen. Damals stand am Ort vielleicht nicht großformatiges und dazu Frostriss freier Flint zur Verfügung. Dann hat man auf Alternativen zurückgegriffen. Vielleicht ist das Material "Hälleflint" viel häufiger im Norden genutzt worden, nur bislang nicht erkannt, weil die Bruchmerkmale wesentlich unspezifischer als beim Flint sind. Die von mir eingestellten Fotos zeigen es ja - und in diesem Zuge auch die Anmerkunegn von euch auch, und dies ist auf keinen Fall negativ gemeint ! Und darauf wollte ich hinaus, die Augen öffnen beim Suchen. Oberntudorf und meine Fundstelle bei Nienburg gibt es vielleicht viel öfter. Man sieht nur was man kennt.
LG Klaus

Wiedehopf

Hallo Klaus,

ZitatUnd darauf wollte ich hinaus, die Augen öffnen beim Suchen. Oberntudorf und meine Fundstelle bei Nienburg gibt es vielleicht viel öfter. Man sieht nur was man kennt.

Da gebe ich dir gerne recht. Ich bin hier sicher auch viel zu sehr auf 'die üblichen Verdächtigen' Flint und Grünstein fixiert. Und die im Material von der Norm abweichenden Stücke wie z.B. der paläolithische Faustkeil aus Elfenbein oder das mesolithische Kernbeil aus Glimmerschiefer sind wirklich spannend und besonders.

Viele Grüße
Michael     

Danske

Hallo Klaus,

ein interessantes und wahrscheinlich auch schwer zu bearbeitendes Material, was zu uns hier zeigst. Zu deiner Frage, ob jemand entsprechende Funde gemacht hat, muss ich bei meinem Suchbereich in Rheinhessen natürlich passen.

Auch wenn es dir vorrangig nicht um die Ansprache des Fundstücks sondern um das außergewöhnliche Material geht, sehe ich anhand der Fotos kein Keilmesser, sondern eher einen bifaziellen Schaber.

LG
Holger :winke:
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

palaeo1

Hallo Holger,
manchmal, insbesondere nach einer Überarbeitung und diesem schwierigen Material, sind die Übergänge ja fließend. Insbesondere die beidseitig aufgewölbten Seiten und der keilförmige Querschnitt haben in meinem Kollegium zu dieser ersten Ansprache geführt. Also: Schaber/Keilmesser ?
LG Klaus

Danske

Hallo Klaus,

meine laienhafte Ansprache erfolgte nur anhand der Fotos und ist daher wenig beachtlich. Eine Beurteilung kann natürlich besser anhand des Originals und von Fachleuten erfolgen. Und die Übergänge Keilmesser/ Schaber sind sicherlich fließend. Eine französische Bezeichnung von Keilmessern lautet: racloir à dos.

LG Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Neos

Hallo, Klaus,

als (echtes) Nordlicht kann ich zwar nichts zu dem Material des von dir vorgestellten Keilmessers/Schabers beitragen. Ich möchte es jedoch nicht missen zu schreiben, dass ich mich total freue, dass du uns die Treue hältst! Schön von dir zu hören und von diesem interessanten Artefakt zu lesen! :super:

Viele Grüße

Frank

Steinkopf

#14
Moin Klaus und alle Mitstreiter, 

Helleflint kannte ich nur in der Literatur bis bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit Niederländischen
Profi- und Hobbiarchäologen Artefakte aus diesem Material vorgestellt wurden.
Man sollte berücksichtigen, dass Helleflint sehr unterschiedlich aussehen kann und kaum zwei Stücke im Material sich gleichen.
Bei einer Wanderung (in NL) fand ich sogar ein Artefakt aus Helleflint, welches ich den Niederländern
aushändigte.

Kurz, wenn es keine artefakttypische Form hat, würde ich es nicht erkennen.
Ein Artefakt ist unter  https://www.stenenzoeken.nl/welke-steen-heb-ik/welke-steen-heb-ik-1/helleflint
zu sehen. Für Steine, besonders Geschiebe, kann ich das Museum in Borger NL empfehlen.

"Zwerfsteen-helleflinten vormen een uiterst heterogeen gezelschap. Kleur, structuur en de aan- of afwezigheid van veldspaat- en kwarts-eerstelingen varieert sterk. Het is niet eenvoudig om twee gelijksoortige helleflinten te vinden."


Für Freunde dieser Materie ist ein Besuch empfehlenswert.  Hunebedcentrum

Bezoekadres:
Hunebedstraat 27
9531 JT Borger
Nederland


https://www.hunebednieuwscafe.nl/category/zwerfstenen/

LG
jan

Wiedehopf

Danke Jan für den Hinweis auf die Niederländische Geschiebeseite.

Als Ergänzung in deutscher Sprache hier noch:

https://strand-und-steine.de/gesteine/metamorphite/andere/andere2.htm 

Viele Grüße
Michael


 
 

palaeo1

Hier noch mal ein Schaber aus dem Material. Der nicht so zu kontrollierende Bruch gegenüber dem Flint lässt somit auch keine idealtypischen Formen zu, was die Erkennung noch einmal erschwert.
LG Klaus

Furchenhäschen

#17
Hallo Klaus,
zusammenfassend kann man es so erklären, wer Paläolithikum sammelt sollte sein Auge nicht ausschließlich auf Flint, Silex bzw. Hornstein focusieren. Der paläoolithische Jäger verwendet auf seinen Streifzügen so ziemlich jedes, manchmal auch nur halbwegs geeignete Gestein zur Werkzeugherstellung. So kann ich für mein Fundgebiet Bayern angeben, dass wie auch im Mesolithikum vielfach Gerölle aus der Donau Verwendung fanden aber es wurden auch schon Faustkeile aus fossilem Holz gefunden. Wenn man die "Werkzeugkiste" des Frühmenschen insgesamt betrachtet so ist das ein buntes Allerlei aus vielen Gesteinen. Wer Mittelpaläolithikum sammelt muss mit allem rechnen.
Grüße Peter

Fischkopp

Hallo Klaus,

den Hälleflint kenne ich als Gestein vom Ostseestrand. Wusste aber nicht das es Hälleflint ist und auch als Rohmaterial diente. Beim nächsten Strandspaziergang werde ich versuchen ein paar Proben zu finden und zu bearbeiten. Vielen Dank für den Beitrag und herzliche Glückwünsche zum ungewöhnlichen Fund.

LG Fischkopp

palaeo1

#19
Wer noch mehr zu Rohmaterialien im Paläolithikum wissen möchte, dem sei diese, zwar schon etwas ältere, aber wissenswerte Literatur empfohlen:
Bericht des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend e. V.
- Sonderheft 4 -
Walther A d r i a n und Martin B ü c h n e r

Eiszeitliche Geschiebe und andere Gesteine als Rohstoffe für paläolithische
Artefakte im östlichen Westfalen Teil 3 (Schluß): Nachträge, schichtförmige
kieselige, karbonatische und kristalline Gesteine. Mit 134 Abbildungen

als Download
https://www.nwv-bielefeld.de/ver%C3%B6ffentlichungen/sonderb%C3%A4nde/band-4/

Das Ganze gibt uns aber einen alten Wissensstand wider mit vielen Geofakten, die noch als Artefakte galten, wie z.B. die Nasenschaber (nach Rust).
LG Klaus