Ich war heute Nachmittag zu Hause und drehte mit den Kindern eine Runde ums Dorf und musste eine schreckliche Entdeckung machen: eine sehr große Fläche mitten auf einer von mir seit ca. 20 Jahren begangenen neolithischen Siedung: mit dem Bagger abgeschoben, etwa 50cm tief. Dunkle Flecken, Scherben, ...
Das Grundstück ist sein kurzem in neuen, Dorf-fremden Händen und der gute Mann macht in Sachen Pferde, dort wohl so eine Art Pferdelusthaus. Das ganze sah so aus als würde morgen weitergearbeitet. Schei ...Emotional war ich wirklich im Keller. ,,Meine" Siedlung in meinem Dorf, kurz vor der mehr oder weniger Zerstörung. Und ich zu spät.

ABER, und ich behaupte ohne Melden und ohne die eben so entstandene Vertrauensbasis wäre das nicht so gut gegangen, das Ganze hat ein Hollywood-würdiges vorerst-Happyend: Ein Griff zum Handy, den ,,Mann vom Amt" auf seinem Handy angerufen, den Sachverhalt geschildert (er kennt ja auch die Funde von dort, ihr auch!), er war in der Gegend und nach einer Stunde da. Schaut sich das ganze an, murmelt kurz ins Handy und morgen Früh beginnen sie zu graben! Er war dann noch beim Grundbesitzer (den ich wie gesagt nicht kenne) um ihm quasi bauzustoppen, aber der war gar nicht problematisch. Wohl auch weil das Ganze in 3 Tagen vorbei sein wird.

Ich schildere das hier nicht um Schulterklopfen zu ernten, nein, es ist eine schöne und eigentlich nicht ganz seltene Geschichte die hier erzählt wird: das gegenseitige Vertrauen Archäologe und "Sucher" wurde nie überstrapaziert und auch nie enttäuscht, und der gegenseitige Nutzen ist gegeben. In seinem Nebenzimmer sitzt jemand, der Menschen mit Metalldetektoren nicht die Hand gibt, in meinem Nachbardorf sitzt jemand mit einem Metalldetektor der dieser Person jeden Grund dafür gibt. Weiser Uhu spricht: Wie Du in den Wald rufst ...
Melden macht nicht immer frei, aber immer öfter, und ich wünsche es meinen Kindern dass irgendwann das so genannte ,,englische Modell" bei uns am Kontinent Schule macht. Im Kleinen gießen wir ja schon Pflänzchen die in diese Richtung wachsen.

Grüß Euch,
Clemens (heute ganz verklärt und heilig...)

PS Nachbericht, mit Bildern hoffentlich, folgt in ein paar Tagen.

oh...so bekannt, lieber clemens....
hätte der "gute" Mann keine Genehmigung gebraucht - auf einem Bodendenkmal- eine Bebauung , jedweder Art, vorzunehmen , welche Eingriffe in den gewachsenen Boden zeitigen können? Auf einem Bodendenkmal, zu dem es geworden, weil Du Deine Funde gemeldet hast!
Das bißchen  Stolz und das "Heilige" ...das ist unser Lohn.
Aber  in der Realität kann man es wirklich nicht hoch genug einschätzen..... dass es solche "Deppen" wie uns gibt.
Bin schon ganz gespannt auf die ersten Schilderungen und Bilder.

Bis bald


edi

Ja edi,
normalerweise Sollte man denken, dass der Grundstückseigentümer von dem Bodendenkmal gewusst haben müsste. Ich stelle aber immer wieder fest, dass diese vom Amt her nicht speziell über ein Bodendenkmal in Kenntnis gesetzt werden. Wieviele Bauern habe ich schon kennengelehrnt, die ich erst über den Sachverhalt aufklärte.
Außerdem sollt man doch annehmen, dass der Mann die Bebauung beantragt hat, aber auch hier wurde von Amtsseite offenbar kein Veto eingelegt.
Gruß Jörg

Dies, Lojoer, ist eines der Hauptprobleme der Denkmalpflege. Es mag Ausreisser geben aber ich behaupte dass die meisten Bauern ein besonderes Verhältnis zu ihrem  Acker bekämen wenn sie informiert würden  welche Besonderheiten da drunter liegen.
Bisher hab ich ausnahmslos alle Landmänner als Erster darüber informiert......nur ein paar wurden recht grantig drüber weil sie das ja wissen müssten, als Grundbesitzer...kann ich ehrlich gesagt verstehn.
Bis auf 2 von ca. 90 hab ich ein  sehr gutes Verhältnis zu diesen Typen...und wir verstehen  uns blendend.
Die Fundstellen gehören im Gemeinwesen verankert.
Zuerst beim  Grundstücksbesitzer!

Was ihr ansprecht habe ich auch gefragt: Warum wusste er nichts? - Also wenns ein Bodendenkmal ist dann weiß dass der Grundbesitzer, steht im Grundbuch und wird per Bescheid in Kenntnis gesetzt.

Eine fundträchtige Gegend ist aber nicht per se ein Bodendenkmal, wäre auch blöd, das ist eine doch recht massive Unterschutzstellung für ein paar Scherben. Diese Daten hat nur das Amt. Was aber dennoch fehlt ist die Verbindung Amt-Gemeinde, die findet nur bei großen Widmungsplan-Änderungen statt. Der gute Mann vom Amt hat zu den meisten Gemeinden Verbindung und das funktioniert oft. Aber nicht immer. Eine Veröffentlichung aller Amts-Fundstellen fände nicht nur ich wahnsinnig. Also das könnte man optimieren denke ich.

Da dieser "Bau" im Grünland-Agrar steht ist das entweder illegal (was ich nicht glaube, so ganz ohne Rückhalt aus dem Dorf) oder eine von diesen besch. Ausnahmeregelungen wie Aussiedlerhof oder landwirtsch. Zweckhalle oder so Zeug. Und die Gemeinde wie gesagt weiss nichts von der Siedlung.

Aber das hat Edi ja schon gesagt: Die Fundstellen gehören im Gemeinwesen verankert. Administrativ ist das halt ein Wahnsinn und wirds wohl nicht werden.

Grüße Clemens

Sehr schöner Bericht Clemens.... es wäre wünschenswert, wenn es immer so liefe (von beiden Seiten!).

"So eine Rettungsgrabung ist wie Fensterputzen mit einem Maschinengewehr" brummte er zur Begrüßung. "Er" ist einer der älteren Weisen in der kleinen österr. Archäologenriege und scheu. "in nur einem Tag hier fertigwerden, das kann nicht gehen. Und ich müsste schon wieder woanders sein." "Scheis.serde, sowas festes hab ich schon lange nicht gesehen"

Zeigt in ein kleines Plastikschüsserl mit ein paar Scherben: "Notenkopf. Eh schön" Ich bringe Kaffee (absolutes Alkoholverbot an jeder Grabung) und die Funde der letzten 20 Jahre von dort. Er schaut kurz hinein (sicher u.a. 15 Beile und Bruchstücke), nickt, "jo". Hmpf.

"Und, wenns jetzt sterben, wer weiss die Parzellennummer zu jeder Scherbe, ha!?" Ich murmle was von dokumentation und im Deckel der Schachtel, er ist halt eine Autorität. "Und Römer, gibts da auch was in der Gegend?" Ich verweise auf Steinkistengrab gleich in der Nähe und meiner erfolglosen Suche nach der Villa und meinen vermuteten Gründen, er stimmt zu und fragt weiter nach Römern. Ich begehe einen taktischen Fehler und gestehe meine weniger-Sympathie zu den "Imperialisten der Antike". Vergessend, dass er eine DER Provinzialrömer-Spezialisten im Lande ist. Das wars dann mehr oder weniger. Da kam ich nicht mehr raus. Aber fein wars, schade dass ich morgen wahrscheinlich nicht kann und sie dann fertig sind.

Ich werde wohl irgend eine Art von Grabungsbericht irgendwann bekommen, wird gerne nachgereicht.

Grüße!
Clemens

Hi Clemens

Tolle Sache und Bericht.

Dein Handeln war absolut richtig und lobenswert.

Und was mich besonder freut, ist dass du das selbe Motto hast wie ich.

Gruß CR

PS. Lies mal ganz unten

Super sache, ja. und auch schön, dass du da noch was retten kontest. na die herren archäologen werden auch noch freunde, seh ich grad an manchen sachen, die hier in vorarlberg und auch im tirol laufen.

grüsse
klaus

Zitat von: Carolus Rex in 11. November 2008, 20:15:31
Und was mich besonder freut, ist dass du das selbe Motto hast wie ich.
Gruß CR
PS. Lies mal ganz unten

Hi Carolus Rex,
hiervon gibt es lobenswerterweise noch mehr bei uns im Forum. 

Na das weiß ich doch

Gruß CR

Sehr schöne Grabung vor allem die Grubenbilder sind erste Sahne.
So sollte es laufen da wird jedem geholfen
Gruß Rambo

@ Clemens lobenswertes verhalten ( so sollten es eigendlich alle machen was leider nicht geschieht)

kanst du irgendwann mal den fundbericht einstellen würd mich brennend interesieren

mfg.zenzi