Restaurierung eines mittelalterlichen Krugs 13. Jhdt.

Begonnen von Lojoer, 02. Dezember 2009, 11:25:15

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Lojoer

Hier möchte ich einmal die von mir praktizierte Vorgehensweise beim Restaurieren von Keramik vorstellen. Die Arbeitsweise, die ich learning bei doing entwickelt habe, hat sich bisher immer als erfolgreich herausgestellt.
Übergeben wurden mir die Scherben in einem Teilweise schon zusammengefügten Zustand (Bild 1). Leider war für das zusammenkleben ein Kontaktkleber verwendet worden. Dies führte - neben den unschönen Gelbverfärbungen der Klebstoffreste - dazu, dass die Scherben nicht immer passgenau aneinander gefügt waren. Kontaktkleber, wie z.B. Patex, sind für das Zusammenfügen von Scherben ungeeignet, da diese Klebstoffe zu dick auftragen und sofort bei der Berührung der Verklebungsflächen eine zähe Verklebung herstellen, die sich nicht mehr korrigieren lassen. Die Passungenauigkeiten addieren sich dann beim weitern Zusammenfügen und  das Resultat weist dann Lücken oder Überlappungen aus.
Die vorhandenen Verklebungen mussten für die Lagekorrektur daher alle mit Lösemittel gelöst und die Verklebungsflächen gereinigt werden (Bild 2).

Anschließende wurden die Scherben auf dem Tisch ausgelegt, die größten auf gemeinsame Bruchflächen hin überprüft und in entsprechender Sortierung ausgebreitet (Bild 3).  
Bei den ersten Verklebungen beginne ich mit den größten Scherben. Als Klebstoff hat sich Weißleim (z.B. Ponal) am besten bewährt. Die Klebefläche wird mit Leim bestrichen, aneinander gepresst, so dass der Leim an den Bruchflächen austritt und anschließend mit Knete in der Lage fixiert. Der überschüssige Leim wird auf der Außenseite abgewischt, wobei die passgenaue Lage nochmals überprüft wird.
Das Resultat nach 3 Zigaretten und 2 Tassen Kaffe ist auf Bild 4 zu sehen.
Nun kommt der ein wenig knifflige Part – das Zusammenfügen zu einer größeren Einheit. Hier wünscht man sich meistens eine dritte oder vierte Hand, aber wo die nicht sind muss eben eine Fixierung der Lage mit Klebeband irgendwelcher Art herhalten. Im vorliegenden Fall hatte ich gerade Tesa zur Hand. Hiermit wird das Gefäß so umwickelt dass es einen Halt hat und die Scherben sich nicht mehr lösen können. Die restlichen Scherben werden dann noch eingepasst. Sollte es einmal haken, kann man die anderen noch nicht vollständig durch getrockneten Verbindungen unter partiellem Lösen des Klebebandes minimal weiten und anschließend wieder zusammenpressen. Ein wenig Übung gehört dazu, aber dann klappt es problemlos.  
Zum Schluss hat man nur noch das Problem der überschüssigen Scherben, die einem Kopfzerbrechen bereitet haben und bei denen sich nun herausstellt, dass sie einfach nicht dazu gehören (Bild 5).
Das Ergänzen der Fehlstellen mit Gips kommt im nächsten Part.
Gruß Jörg

Levante

#1
Hallo Jörg,

Hast du sehr schön beschrieben. Das Thema mit dem suboptimalen Kleber habe ich leider auch schon durchgemacht.

Ich versuche nur noch Ponal Super3 zu verwenden. Leider klebt dieser Kleber nicht jedes Scherbenmaterial.

Der Dippentyp den du da zusammenfügst ist mir wohl bekannt. :-)

Scheint mir eine Marienthaler Feldflasche zu sein?   :zwinker:

Wir sind auch noch auf der Suche nach einem solchen Stück.

Anbei mal ein Bild von einer (unregistrierten?) Marienthaler Feldflasche, mit leicht abgeänderter Ausgusstülle und ohne Bauchnippel.

Und dazu noch eine Marienthaler Aquamanile.

Die Aquamanile liegt in einem Niederländischen Museumsdepot.

Und die Feldflasche ist im Schloss Burg zu besichtigen.

Grüße

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Silex

Dank Dir, für diesen lehrreichen Werkstattbericht!

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Rheingauner

@Lojoer,
Hi Jörg, schöner und lehrreicher Beitrag >> wieder was dazu gelernt :super:.
Gruss Rüdiger

Lojoer

Nachdem wir nun festgestellt haben, dass die übriggebliebenen Scherben definitiv nicht zu dem Krug passen (keine gemeinsamen Bruchflächen, andere Farbgebung, anderer Durchmesser), müssen die Fehlstellen schon aufgrund der Stabilität ergänzt werden.
Hierzu verwenden wir Gips. In Vorbereitung zu diesem Arbeitsschritt bestreiche ich die Außenseite des Gefäßes rund um die Fehlstellen mit einem gut wasserlöslichen Leim (Kleister), um so die Verschmutzung durch Gips zu verhindern.

Nach dem dieser getrocknet ist, werden die kleinen Fehlstellen von  der Gefäßinnenseite her mit Knetplatten belegt und die Fehlstellen mit Gips aufgefüllt und die Oberfläche entsprechend angeglichen.
Bei den größeren Fehlstellen wäre das Grundsätzlich auch möglich, aber bei einem Krug kann die Knete hinterher nicht mehr entfernt werden.

Als einfachste Lösung des Problems hat sich hierbei folgende Vorgehensweise bewährt.
Mit Knete nehme ich hier an einer der Fehlstelle entsprechendem intakten Bereich des Gefäßes einen Abdruck ab (Bild 6).
Anschließend wird der Knetabdruck entsprechend der Wandstärke von mit Gips bestrichen Bild 7).
Nach dem Trocknen kann ich diesen von der Knete ablösen und erhalte ein Stück, welches in der Wölbung und dem Muster weitestgehend der Fehlstelle entspricht (Bild 8).
Dies wird in mit einer Dekupiersäge dann nach der Form der Fehlstelle ausgeschnitten und eingesetzt. Man muss darauf achten, dass das Passstück nur an einigen Punkten anliegt, damit der Spalt von 2-3 mm anschließende mit Gips gefüllt werden kann. Nur so erreicht man eine ausreichende Stabilität (Bild 9).
Anschließend wird z.B. mit Schabern und Schleifpapier die Übergänge vorsichtig angeglichen. Ist das Gefäß soweit geschlossen werden noch andere Fehlstellen (z.B. Griff, siehe Bild 10) ergänzt.

Nach dem Trocknen wird das ganze Gefäß abgewaschen. Die Gipsverschmutzungen lassen sich hierbei durch den darunter liegenden wasserlöslichen Kleister gut entfernen. (Bild 11).

Ob dann noch farbliche Anpassungen erfolgen ist Geschmacksache und erfolgt nach Kundenwunsch  :zwinker:

Gruß Jörg    
         

Levante

Hallo Jörg,

Ist wirklich toll geworden.

Also ich bin eigentlich immer für die farbliche Anpassung.

Ich könnte mir vorstellen, das du in Zukunft auch für uns restaurieren darfst. :-)

Grüße

Patrick
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Lojoer

Hi Patrick,
meine eigene keramik habe ich auch früher farblich voll angepasst, so dass die Fehlstellen nur bei sehr genauem hinsehen erkannt werden konnten. Mittlerweile bin ich jedoch vollständig davon abgekommen. Ich für meinen Teil finde man sollte solche Fehlstellen schon erkennen können sollte, also ein Farbton unterschied vorhanden ist. Muss ja nicht unbedingt schwarz/weiß sein.  :zwinker:
Gruß Jörg 

nobody

Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende

Lojoer

Auf Wunsch des Besitzers habe ich mich nochmal an die farbige Anpassung der Gipsergänzungen gemacht.
Hier das Resultat.
Gruß Jörg

grünland


Hallo Jörg,

sehr gelungene und gekonnte Arbeit. Will ich auch so können.
Nimmst du auch Lehrlinge ... :winke:

Gruß
Guido


dappeler

Jörg, gibt es etwas, daß du NICHT kannst?
Respekt und danke fürs zeigen  :super:
Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!