Arbeitsschritte von der Fundfibel zur Replik

Begonnen von Lojoer, 22. Oktober 2012, 12:19:39

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Lojoer

Auf Wunsch von Euch, möchte ich hier anhand einer schon gezeigten Rekonstruktion einer Fibel die einzelnen Schritte darstellen, wie man von einer Fund-Fibel zum Replik kommt.
Hier zu erst einmal das Original, dass ja einigen von Euch bekannt sein dürfte.
Man erkennt, dass der Zahn der Zeit ganz schön an dem Teil genagt hat. So sind einige Teile abgebrochen und die Patina der Ränder ist zerfressen. Auch das Email dürfte verblasst sein und nicht mehr dem ursprünglichen Farbton entsprechen.

Lojoer

Um den originalen Zustand zu rekonstruieren, muss von dem Original erst einmal ein Abguss hergestellt werden. Für die schonende Abformung nimmt man hitzefestes Silikonkautschuk. In der entstandenen Silikonform kann man schon einige Fehlstellen durch ausschneiden ergänzen.
Der Abguss der Form wird mit sogenanntem Detailmetall ausgeführt. Die besteht aus einer Wismut/Blei-Legierung mit einem Schmelzpunkt von ca. 150°C. Da Wismut sich beim Abkühlen ausdehnt und Blei sich zusammenzieht, ist die Mischung der beiden Metalle so gewählt, dass der Abguss die gleiche Größe wie das Original behält.
Der Zeitaufwand für die Herstellung der Form beträgt durch die Aushärtzeit ca. 8 - 9 Stunden. Die reine Arbeitszeit ca. 1 Stunde.
Nach dem Abguss hat man hat man dann die Rohform der Fibel.

Lojoer

Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Weitere Fehlstellen, wie z.B. Ausbruch der Patina und Fraßlöcher werden mittels eines kleine Lötkolbens und Detailmetall aufgefüllt. Dann wird die Oberfläche wieder in Form gebracht und geglättet. Nun werden die Bereiche in denen das Email eingefügt werden soll, ausgehöhlt bzw. vertieft.
Je nach Komplexität der Fibel gehen da schon mal 4 Stunden drauf.
Anschließend hat man nun das Urmodell der Fibel.

Lojoer

Mit diesem Urmodell kann man nun eine zweiteilige Gussform aus Formsand (ölhaltigem Sand) herstellen, die für den Bronzeguss geeignet ist.
Dann wird der Schmelzofen angeheizt und die Bronze im Tiegel geschmolzen. Die zu verwendende Bronze sollte auf jeden Fall weniger als 10% Zinn enthalten, sonst wird sie zu spröde. Jetzt ist ein wenig Erfahrung im Bronzeguss gefragt (das ist jedoch ein anderes Thema und soll hier nicht ausgeführt werden).
Da der Prozess ca. 1 1/2 Stunden in Anspruch nimmt, sollte man möglichst mehrere Bronzeteile gießen.
das Resultat ist der Bronzerohguss.

Lojoer

Dieser wird nun entgratet, die Gussnähte verschliffen und Hinterschneidungen herausgefeilt. Die Nadelraste ausgeschmiedet und gebogen.
Hierfür sind, je nach der Qualität des Gusses, ca. noch einmal 1 ½ Std. nötig.
Nun hat man die Fibel, die fertig zum Emaillieren ist.

Lojoer

Bei dem hier gezeigten Beispiel musste vor dem Emaillieren für die Punktverzierungen auf der Fibel zuerst Glasstäbe in den unterschiedlichen Dicken gezogen werden. Anschließend wurden diese auf je 2mm abgelängt.
Beim Auftragen der angerührten Emailpaste wurden die kleinen Glasstücke in diese eingefügt. Damit diese richtig sitzen und eingebettet sind muss dies mittels Pinzette unter der Lupe geschehen. Da das Email beim Schmelzen im Volumen stark abnimmt, müssen die Flächen mit Überschuss gefüllt werden.
Das römische Email war immer bündig mit dem Metall (bei vielen zu kaufenden Repliken ist dies nicht der Fall).
Nach dem Schmelzen des Emails werden die Flächen mit dem überschüssigen Email und den Glasstäbchen plan geschliffen. Anschließend muss das nun raue Email noch mal glatt geschmolzen.
Dann wird der schwarze Zunder, der beim Emailschmelzen auf der Metalloberfläche entsteht entfernt und die Fibel poliert. Zeitaufwand je nach Fibeltyp ca. 1 ½  - 3 ½ Stunden.

Lojoer

Zieht man den einmaligen Aufwand für die Herstellung des Grundmodells ab, so kommt man je nach Fibeltyp auf  3 ½ - 5 ½ Stunden/Fibel.
Für die Herstellung einer authentischen Nadel mit feilen, härten und anpassen muss man noch mal eine Stunde rechnen.

Ich hoffe ich habe Euch jetzt so einen groben Überblick zur Herstellung. Nicht vermittel konnte ich jedoch wieviel Fehler man macht, bzw. wie viel Lehrgeld man zahlt, bis man die ersten brauchbaren Resultate hat.
Nun wisst Ihr warum man in den Replikenshops auch so viel für ein Replik hinlegen muss.

Gruß Jörg

master-jeffrey

#7
 :winke:

Woau. eine ausführliche Beschreibung. Dadurch erschließt sich mir, wie viel Arbeit in so einer Replik steckt und welches Feingefühl und welchen Erfahrungswerten es bedarf, damit so ein schönes Exemplar rauskommt, wie das von dir gezeigte. Vielen Dank für die Ausführungen.

mfg

Master-Jeffrey

Tomcat

Das ist absolut göttlich, meinen maximalen Dank!

Tomcat
Life burns!

ChristophNRW

Das finde ich klasse, dass du auf Wunsch einiger Mitglieder uns an deinem Können so detailliert teilhaben lässt.   :boh: :super:
Tout est chaos
Tous mes idéaux : des mots abimés
Je suis d'une géneration désenchantée
(Mylène Farmer - Désenchantée)