Warum und wieso?

Begonnen von queque, 12. November 2008, 00:00:48

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queque

Hallo zusammen,
ich möchte gerne eine Umfrage starten, bei der es nicht darum geht, irgendwelche vorgegebenen Antworten anzukreuzen, sondern etwas ausführlicher zu berichten (weiß gar nicht ob das geht). Ich weiß nicht, wie es Euch geht: Aber wenn ich irgendwelche Menschen kennen lerne und man mich nach meinen außerbeuflichen Beschäftigungen fragt und ich dann sage, dass ich einen großen Teil meiner freien Zeit drauf verwende über Äcker zu spazieren und im Dreck zu wühlen, am liebsten an grauen Herbsttagen und im Nieselregen, dann ernte ich Stauenen und Unverständnis. Was mich beschäftigt: Warum tun wir das? Es gibt ein interessantes Bändchen von Manfred Sommer, Professor an der Universität Kiel, mit dem Titel: Sammeln. Ein philosophischer Versuch. Franfurt am Main 1999. Dieser Versuch einer Systematisierung unserer Tätigkeit ist lesenswert, jedoch sehr allgemein und abstrakt. So unterscheidet er grundsätzlich in zwei Arten des Sammelns: das ästhetische Sammeln, das ist wohl das, was wir machen, und das ökonomische Sammeln, was Menschen von jeher getan haben, um Vorrat, Besitz und Reichtum anzuhäufen.
Ich möchte von Euch nicht wissen, was ihr sammelt und wo, sondern warum? Was reizt Euch? Der Funderfolg? Die einsame Regelmäßigkeit der Ackerfurche? Ist ein fundloser Tag ein schlechter Tag? Oder geht es darum draußen zu sein, die Gedanken schweifen zu lassen? Wollt Ihr mehr über das Leben unserer Vorfahren erfahren? Oder ist Eure Sammelleidenschaft einer permanenten Flucht vor Familie, Haus und Hof geschuldet? Wie seid Ihr zum Suchen und Sammeln gekommen? Geht es ums Sammeln oder eher ums Suchen (das Forum heißt ja "Sucher"- und nicht "Sammler"- oder "Finder"-Forum)? Seid Ihre eher in Gruppen unterwegs oder bevorzugt Ihr das einsame Voranschreiten über die Ackerscholle?
Wenn Ihr Lust habt, dann schreibt Eure Geschichten auf. Ich werde alles "sammeln"! Und wenn ich mal Zeit habe, dann entwerfe ich aus Euren Beiträgen vielleicht soetwas wie eine Phänomenologie oder Typologie des Suchers und Sammlers. Wenns mal soweit sein sollte, lass ich es Euch wissen.
Grüße vom
Bastlmann

CALIGULA

 :winke: naja dann mach ich halt mal den anfang.
also bei mir is es so, ich bin gern in der natur bin auch gern aleine also is das sondeln genau das richtige ,wenn man so aleine durch wald und flur streift und seinen gedanken freien lauf lassen kann ,is ganz einfach schön und entspannend.
und wenn da noch ein knöpflein -münzchen -oder was weis ich noch sonst zum vorschein kommt , irggendwas is immer dabei,dann macht man sich natürlich gedanken wer und wann das wol verloren hat,,bei sachen die hunderte oder sogar tausend jahre und noch älter sind überkommt mich ein ganz eigenes gefühl-eine gewisse ich sag mal ehrfurcht überkommt mich ,wenn ich daran denke wiviele genarationen vergangen sind bis ich kam und das ding ausbudle-wiviele tausende und aber tausende von menschen geboren und gestorben sind bis ich komme und es finde-da kommen so gedaken wie ,warum ich wiso hats noch kein anderer gefunden -is alles vorbestimmung .........
natürlich versuche ich meine funde zu hause zu bestimmen zeitlich einzuordnen -zu konservieren und so weiter.
das schönste an den ganzen so finde ich is eigentlich das suchen das ganze drum herum,ich gehe auch des öfteren nächtlings raus das hat einen ganz eigen reiz -absolute ruhe man wird durch nichts abgelenkt und wenn dann am morgen die sonne aufget -einfach
unbeschreiblich schön   :sondi:
flucht von der familie-naja is schon eine gute ausrede wenn mal dicke luft is-ich gehe mal sondeln  :zwinker:
und wenn man einen detektor hat bei den man allerhand einstellungen vornemen kann dan kommt noch das interesse am"spielzeug "dazu   :-)
                      GRUSS franz  :winke:

stekemest

#2
Die Frage, warum man sammelt, steht auch im Kontext der Frage, warum wir überhaupt besitzen wollen. Sommers Unterscheidung zwischen dem ästhetischen und dem ökonomischen Sammeln ist schon sinnvoll, denn bei zweiterem versucht man einen Überschuss zu erwirtschaften, um eine Lebensgrundlage für die Zukunft zu schaffen (was, ganz nebenbei, vielleicht der Meilenstein in der Evolution der Gattung Homo war).
Auch können wir wieder unterscheiden zwischen der Frage warum sammelt man und warum sammelt der Einzelne. Jeder hat seine eigenen Gründe und diese unterscheiden sich. Für die Frage, warum viele Menschen überhaupt sammeln möchten, würde ich Monokausalität ablehnen. Ich sehe hier stattdessen mehrere Faktoren: einerseits die Befriedigung eines kreativen Dranges, der grundsätzlich in jedem Menschen steckt. Die Kreativität liegt hier in der Erschaffung von "eigenen Welten", die nach Belieben zusammengestellt, geordnet, präsentiert, kurz: gestaltet werden. Noch etwas weiter abstrahiert (und damit auch als Antwort auf die Frage nach dem Besitzen an sich) kann man davon ausgehen, dass der Besitz als Erweiterung der Persönlichkeit dient; wir sind keine in sich geschlossene, unabhängige Persönlichkeit, sondern auch unser Wesen hängt von den Dingen ab, die uns umgeben (wusste ja schon Marx). Jedes Objekt, das wir nicht zum Erhalt unserer Lebensgrundlage besitzen, ist demnach einerseits Ausdruck unserer Persönlichkeit und wirkt andererseits auf unsere Persönlichkeit ein. Es ist dasselbe wie mit Markenklamotten, neuen Handys oder schönen Autos: es wäre zu kurz gedacht, zu behaupten, man möchte mit all dem bloß "angeben". Vielmehr projezieren wir einen Teil unserer Persönlichkeit in all diese Objekte hinein, und diese Objekte haben eine Rückwirkung auf uns.
Desweiteren besitzt der Mensch einen natürlichen Wunsch nach Permanenz und Sicherheit. Dieser Wunsch ist für unglaublich vieles in unserem Leben ausschlaggebend (bis in den Bereich des Religiösen hinein). Die Erkenntnis, dass das einzige Glück im vergänglichen Moment liegt, ist nicht besonders tröstlich, da sie im Grunde ein permanentes Zurückblicken ist. Um dem entgegenzuwirken, hat sich die menschliche Psyche allerhand Dinge einfallen lassen; die Eheschließung, der Hausbau, das Zeugen von Kindern etc. sehe ich alles (auch) im Kontext der Vergänglichkeitsfrage. Und auch das Besitzen, das Sammeln, das Horten. Durch die Schaffung einer Sammlung schafft man sich ein Stück Permanenz; es können Jahre vergehen, aber wenn man seine Sammlung betrachtet, dann findet man etwas relativ permanentes, etwas das von Bestand ist. Offensichtlich wird das auch bei Urlaubssouvenirs: der vergängliche Moment (der Urlaub) wird in etwas Permanentes (das Souvenir) "umgewandelt".
Neben diesen eher abstrakten Gründen gibt es natürlich auch noch ganz profane. Wir möchten Bewahren und Erhalten, weil wir das Gefühl haben, dass das, was wir besitzen, bei uns relativ sicher ist. Und vor allem möchten wir in direktem Kontakt zur Geschichte stehen; Geschichte sozusagen hautnah erleben. Indem wir Sammeln und Präsentieren, haben wir immer wieder einen direkten Zugriff "zur Geschichte"; wir können jederzeit auf unsere Stücke zugreifen und uns vorstellen, wer sie einmal trug und für was.

Ich persönlich sammle vor allem wegen dieses direkten Kontaktes zur Geschichte, epochen- und kulturenübergreifend. Ich sondle zwar nicht, aber sammle Blankwaffen aus verschiedenen Kulturen und Epochen; und ich finde es faszinierend, mir vorzustellen, wie Menschen vor hunderten von Jahren mit diesen Stücken in Kontakt waren. Ich finde es faszinierend, die Auswahl zu haben, ob ich ein mittelalterliches Schwert, ein japanisches Katana oder ein nepalesisches Kukri in die Hand nehme, und zu fühlen, wie mit jedem einzelnen Objekt eine ganze Kultur, eine ganze Zeit verbunden ist. Neben diesen persönlichen Gründen spielen aber sicherlich bei uns allen auch noch tiefenpsychologische Ursachen eine Rolle.

stekemest

IVVECVO

........warum und wieso Sammeln .....klarer Fall .....

der Unsterblichkeit Willen .

            Gruss  Juv

Silex

Unsere Welt heute  ist  großenteils künstlich, grundlos, irreal.
Wärme, Wasser, Information kommt per Leitung....und wird abgebucht. Die Quellen, Vorzüge, lokale Rohstoffe, Fruchtbarkeit der Böden und Ressourcen einer Region etc. ... die zu einer alten Besiedelung führten sind nur noch marginal bedeutsam im globalen Austausch.
Menschen werden verpflanzt und  wieder abgestoßen, besiedeln  beliebige Parzellen und ziehen weiter auf der Suche nach Lohn und Auskommen.
Tradition, Sprache, Dialekt, Sagen und Identität  verschwinden unweigerlich.
Fragt die Kinder wo ihr Wasser herkommt.... die wissen gar nicht dass hier schon 270 m in die Erde gebohrt wird um  damit die Fäkalien aus dem Klo zu spülen. Getrunken wird aus  Plastikflaschen (Frankreich, Spanien....) Die eigenen Wasserquellen sind versiegt (zum autolackieren z. B.......)
Tradition ist Barbie......die werden gesammelt.
Ich sammle am liebsten Jägerkulturen. Eine Sippe , ein Gedanke, mit der Natur. Die Plätze sind herrlich frei und öfters abgelegen.
Ja, es ist eine Flucht...ich mag nicht in den Zoo...ich will den Milan und Bussard an seinem Himmel sehn...die alten Wege der ersten Menschen hier erkennen und die Plätze finden wo sie die ersten Pflöcke setzten.
Da wo es damals gut war...denn sie hatten ein Gespür für einen Platz. Was da explizit rauskommt interessiert mich relativ wenig....eine  datierte Scherbe ist mir lieber als eine Metallpretiose ohne Hintergrund.
Manchmal bin ich stolz und dann schick ich es Euch.....
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

coinwhisper

hi queque,

für mich bedeutet das suchen, ständig etwas finden, aber sich nie damit zufrieden geben...!"   :kopfkratz:

lg

coinwhisper  :winke:

awo

Ich Suche und Sammle schon lange. Anstoss hat mir mein Opa gegeben, der mir damals stolz einen Hirschgulden und einige andere alte Münzen Zeigte, die er gefunden hatte.
Schon bald hatte ich eine ordentliche Sammlung an Abdrücken von Zeugen, die unter den Grenzsteinen im ganzen Landkreis liegen...ja er verstand sich gut mit den Archeologen und führte hier und da einige genehmigte Grabungen durch. ->Das Faszienierte mich.Ich war dabei, wenn er über Äcker ging, und mir geschichten von Steinzeitlichen Jägern erzählte, und wo Sie SIedelten....

Jetzt, Jahre später, wenn ich frümorgens mit dem Auto unterwegs zur Arbeit bin endecke ich sie, die Stellen wo sich die damaligen Jäger wohlfülten, wo vielleicht eine römische Warte war, oder ein Eichehain ;-)

Naja, es lässt mich nicht mehr los. Ich bin getrieben den "Code" der Landschaft zu Knacken, sie zu sehen wie vor 1000 Jahren...

Für mich ist es natürlich auch ein Weg Abschalten vom Tagesstress der Arbeit und natürlich auch die Zeit, die ich mir nehme, denn sobald ich aus dem Auto aussteige bin ich weg, für niemanden zu erreichen. Das ist dann meine Zeit.

mfg

Andreas

Loenne

Bei mir ist es ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren, die auch schon angesprochen wurden. Abschalten von Beruf und Familie, Gruppenerlebnisse wenn wir größere Prospektionen machen, der Drang zu entdecken, zu suchen und zu finden, Fragen stellen und Lösungen finden, sich im Kopf ein Bild zu malen, wie es mal war und was sich abgespielt hat, Ehrfurcht vor dem Vergangenen und dem fürchterlichen Überlebenskampf unserer Vorfahren (frieren, Hunger, Gefahren von außen) und ein ganz wichtiger Punkt bei mir - ich kann "Zeit" anfassen. Man bekommt ein Gefühl für die Vergänglichkeit und das eigene Sein. Ein Mensch, schon lange tot und niemand weiß mehr von ihm, er hat etwas in dieser Welt hinterlassen, hat es mit Stolz besessen und gepflegt, hat es als Geschenk geliebt, vielleicht über Generationen vererbt oder achtlos weggeworfen, weil es kaputt war und dann halte ich es in der Hand. Durch hunderte oder tausende Jahre hindurch sind wir über diesen Gegenstand für einen Augenblick miteinander verbunden. Wir wissen nichts voneinander und trotzdem gibt es dieses Fundstück, dass einen Tunnel durch die Zeit bildet und mir einen kleinen Einblick in sein Leben gewährt - Danke dafür!

Gruß
Michael
Mundus vult decipi, ergo decipiatur
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