Myzel

Begonnen von Marienbad, 16. September 2009, 20:06:46

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Marienbad

Hallo Leute  :winke:

Die ,,Wurzeln" vom Baumpilz, daß Myzel, wächst in den befallenden Stamm hinein und kann einige qm groß werden.
Das Material ist frisch ,,geerntet" sehr weich und elastisch. Gepresst und getrocknet wird es dünn wie Papier
und ist dabei recht elastisch und stabiel.
Hier eine Baumscheibe in der das Myzel sehr schön ausgeprägt ist.



Wenn der Stamm entsprechend gespalten wurde kann eine flächige Masse entnommen
und zugeschnitten werden.



Teilweise sind noch Holzstücke am Myzel.



Und diese schönen Gefäße kann man aus den Myzelen herstellen. Sie lassen sich
sehr gut vernähen wenn sie frisch also noch weich sind. Die Gefäße sollten
mit Sand ausgestopft werden, denn die Schrumpfung beim trocknen ist enorm
und verändert auch die Form.
Dieses Beispiel ist nicht archäologisch belegt!








Nevermore

Also, ich bin ja eher aus der "Metallbranche", lese aber natürlich auch alles andere hier im Board.

Was Du hier stellenweise so raushaust ist echt der Hammer! Das sind so ziemlich die interessantesten Beiträge hier im Board, finde ich.
Musste ich einfach mal los werden.


lg Micha
Ich suche mit Explorer SE (vorher: 6000 DI Pro SL, Relic Hawk).

Marienbad


eifelsucher

Hallo Marienbart,

bin eher durch Zufall über Deinen Beitrag gestolpert, deren Ausführung ich aber für absolut realistisch halte. Übrigens sehr schön gearbeitete "Experimente". Da versteht einer sein Handwerk  :super:

Zum eigentlichen Werkstoff.
Wie sieht es aus - das Myzel müsste nach dem trocknen eigentlich recht stark hygroskopisch sein, oder ist das eine Fehlannahme.
Ich meine, heut zutage würde man das mit Lack tränken, im späten Mittelalter vielleicht mit Wasserglas oder Wachs. Wie verhält sich das Myzel wenn es mit Tran oder anderen tierischen Fettprodukten imprägniert wird - gibt es da Versuche?

Außerdem enthält das Myzel meines Wissens bei giftigen Pilzen eine hohe Konzentration an Alkaloiden und diversen anderen Gift- oder Rauschstoffen. Hier blieben Überlegungen wie: Könnte man diese "Gefäße" zur Herstellung oder Lagerung von Rauschmitteln (Schamanentum) verwendet haben. Oder sind möglicherweise Todesursachen durch Vergiftungen auf diese Myzel-Verwendungen zurück zu führen. Dafür müsste natürlich ein Nachweis in den Knochen erbracht werden können - wie gesagt auch von meiner Seite, rein spekulative Denkmodelle - aber, es macht Spaß  :smoke:

Gruß
Thomas

Mitglied der NFG-Gruppe Ahrweiler
Infoblog: http://eifelsucher.de/category/news/

Marienbad

Zitat von: eifelsucher in 17. September 2009, 11:25:50
Hallo Marienbart,

bin eher durch Zufall über Deinen Beitrag gestolpert, deren Ausführung ich aber für absolut realistisch halte. Übrigens sehr schön gearbeitete "Experimente". Da versteht einer sein Handwerk  :super:

Zum eigentlichen Werkstoff.
Wie sieht es aus - das Myzel müsste nach dem trocknen eigentlich recht stark hygroskopisch sein, oder ist das eine Fehlannahme.
Ich meine, heut zutage würde man das mit Lack tränken, im späten Mittelalter vielleicht mit Wasserglas oder Wachs. Wie verhält sich das Myzel wenn es mit Tran oder anderen tierischen Fettprodukten imprägniert wird - gibt es da Versuche?

Außerdem enthält das Myzel meines Wissens bei giftigen Pilzen eine hohe Konzentration an Alkaloiden und diversen anderen Gift- oder Rauschstoffen. Hier blieben Überlegungen wie: Könnte man diese "Gefäße" zur Herstellung oder Lagerung von Rauschmitteln (Schamanentum) verwendet haben. Oder sind möglicherweise Todesursachen durch Vergiftungen auf diese Myzel-Verwendungen zurück zu führen. Dafür müsste natürlich ein Nachweis in den Knochen erbracht werden können - wie gesagt auch von meiner Seite, rein spekulative Denkmodelle - aber, es macht Spaß  :smoke:

Gruß
Thomas


Moin Thomas,

danke für die Blumen :super:  Ich werde nach deinen Hinweisen über die toxische und berauschende Eigenschaft mal testen wie das Myzel als Kautabak wirkt  :-D
Als Revalraucher sollte ich den zu erwartenden ,,Rausch" überstehen :smoke:
Ich werde über deine Denkensweise im Winterhalbjahr brüten und mal sehen was bei rauskommt.
Danke für die Anregung :super:

HG  Manfred
Irgendwie habe ich da auch schon drüber nachgedacht

jupppo

Zitat von: Marienbad in 19. September 2009, 22:05:39
Zitat von: eifelsucher in 17. September 2009, 11:25:50
Hallo Marienbart,

bin eher durch Zufall über Deinen Beitrag gestolpert, deren Ausführung ich aber für absolut realistisch halte. Übrigens sehr schön gearbeitete "Experimente". Da versteht einer sein Handwerk  :super:

Zum eigentlichen Werkstoff.
Wie sieht es aus - das Myzel müsste nach dem trocknen eigentlich recht stark hygroskopisch sein, oder ist das eine Fehlannahme.
Ich meine, heut zutage würde man das mit Lack tränken, im späten Mittelalter vielleicht mit Wasserglas oder Wachs. Wie verhält sich das Myzel wenn es mit Tran oder anderen tierischen Fettprodukten imprägniert wird - gibt es da Versuche?

Außerdem enthält das Myzel meines Wissens bei giftigen Pilzen eine hohe Konzentration an Alkaloiden und diversen anderen Gift- oder Rauschstoffen. Hier blieben Überlegungen wie: Könnte man diese "Gefäße" zur Herstellung oder Lagerung von Rauschmitteln (Schamanentum) verwendet haben. Oder sind möglicherweise Todesursachen durch Vergiftungen auf diese Myzel-Verwendungen zurück zu führen. Dafür müsste natürlich ein Nachweis in den Knochen erbracht werden können - wie gesagt auch von meiner Seite, rein spekulative Denkmodelle - aber, es macht Spaß  :smoke:

Gruß
Thomas


Moin Thomas,

danke für die Blumen :super:  Ich werde nach deinen Hinweisen über die toxische und berauschende Eigenschaft mal testen wie das Myzel als Kautabak wirkt  :-D
Als Revalraucher sollte ich den zu erwartenden ,,Rausch" überstehen :smoke:
Ich werde über deine Denkensweise im Winterhalbjahr brüten und mal sehen was bei rauskommt.
Danke für die Anregung :super:

HG  Manfred
Irgendwie habe ich da auch schon drüber nachgedacht

Bei Kugelbeeren oder Holzkeulen würde ich Dir aber dringend von einem Kauversuch abraten :-)

Khamsin

Moin Manfred!

Kann ja auf Dauer nicht ausbleiben, dass Du auch über genau jenes eigenartige, evtl. rätselhafte, auf jeden Fall aber hochinteressante "Wurzelgeflecht" von Fomes fomentarius stolperst!
Mich würde interessieren, um welche Baumart es sich bei der befallenen Scheibe handelt. Übrigens sehr schön die an eine Neuguineanische Penishülle erinnernde Konstruktion auf Bild 4, links.

Während die von Dir experimentell demonstrierte Nutzung archäologisch nicht nachgewiesen ist - wie Du ja auch dankenswerterweise schreibst - erlaube mir bitte noch einen Hinweis auf eine historisch-archivalisch belegte Nutzung des Myzels.

Da Letzteres nicht nur ins Holz, sondern auch unter der Rinde wächst, und zwar bei stark befallenen z.B. Buchen über viele Meter Länge des Stammes, ergeben sich so auch viele Meter lange Abschnitte von Myzel. Da das Myzel allem Anschein nach eine der Trama, der eigentlichen Zunderschicht, vergleichbare Eigenschaft aufweist, wurde es von den, z.B. in Bayern Haderern genannten, Zunderschwammsammlern ebenfalls geerntet. Kann mich nicht mehr erinnern und müsste das nachschauen, ob die zu Ringen aufgedrehten Myzelstränge dann wie die Trama weiter behandelt wurden oder nicht. Bitte aber nun nicht glauben, man habe das Myzel ebenfalls als Zunder verwendet, denn das war nicht so.

Die Myzelstränge wurden vielmehr als natürliche "Lunten" benutzt, da sie offensichtlich genauso glommen wie der Zunder aus der Trama (wie schon gesagt, ob chemisch ebenfalls glimmfähig gemacht durch Kochen/Tränken in Salpeterlösung oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis). Was mir wieder einmal so gut gefällt, ist die sich ja regelrecht aufdrängende Verwendung einer langgestreckten Naturform, die man ansonsten nur relativ aufwändig herstellen musste in Form gezwirnter und umsponnener, salpeterisierter Lunte.

Ach ja, Lunte brauchte man z.B. zum Abfeuern sog. Luntenschlosse von Luntenschlossgewehren, der frühesten mechanischen Zündung europäischer Feuerwaffen.

Literaturtipp zu Fomes f.:

Blau, Josef 1917: Böhmerwälder Hausindustrie und Volkskunst. I. Teil. Wald- und Holzarbeit. Beiträge zur deutsch-böhmischen Volkskunde XIV. Band, 1. Hälfte (Prag).

(Als Nachdruck im Morsak-Verlag/Grafenau 1993 erschienen, aber allein der Jugendstileinband ist die Jagd nach einem Original - wie meinem, na klar! - immer wert! Vor allem, wenn das dann sogar noch deutlich preiswerter ist als der Nachdruck! Unmöglich? Quatsch, nur eine Frage einer ausdauernden Suche im Net...).

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Tomcat

Ein Thread, der wirklich ganz andere Horizonte erschließt!
Vielen Dank an alle Beteiligten!
Tomcat
Life burns!

Marienbad

Zitat von: Khamsin in 21. September 2009, 17:47:32
Moin Manfred!

Kann ja auf Dauer nicht ausbleiben, dass Du auch über genau jenes eigenartige, evtl. rätselhafte, auf jeden Fall aber hochinteressante "Wurzelgeflecht" von Fomes fomentarius stolperst!
Mich würde interessieren, um welche Baumart es sich bei der befallenen Scheibe handelt. Übrigens sehr schön die an eine Neuguineanische Penishülle erinnernde Konstruktion auf Bild 4, links.

Während die von Dir experimentell demonstrierte Nutzung archäologisch nicht nachgewiesen ist - wie Du ja auch dankenswerterweise schreibst - erlaube mir bitte noch einen Hinweis auf eine historisch-archivalisch belegte Nutzung des Myzels.

Da Letzteres nicht nur ins Holz, sondern auch unter der Rinde wächst, und zwar bei stark befallenen z.B. Buchen über viele Meter Länge des Stammes, ergeben sich so auch viele Meter lange Abschnitte von Myzel. Da das Myzel allem Anschein nach eine der Trama, der eigentlichen Zunderschicht, vergleichbare Eigenschaft aufweist, wurde es von den, z.B. in Bayern Haderern genannten, Zunderschwammsammlern ebenfalls geerntet. Kann mich nicht mehr erinnern und müsste das nachschauen, ob die zu Ringen aufgedrehten Myzelstränge dann wie die Trama weiter behandelt wurden oder nicht. Bitte aber nun nicht glauben, man habe das Myzel ebenfalls als Zunder verwendet, denn das war nicht so.

Die Myzelstränge wurden vielmehr als natürliche "Lunten" benutzt, da sie offensichtlich genauso glommen wie der Zunder aus der Trama (wie schon gesagt, ob chemisch ebenfalls glimmfähig gemacht durch Kochen/Tränken in Salpeterlösung oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis). Was mir wieder einmal so gut gefällt, ist die sich ja regelrecht aufdrängende Verwendung einer langgestreckten Naturform, die man ansonsten nur relativ aufwändig herstellen musste in Form gezwirnter und umsponnener, salpeterisierter Lunte.

Ach ja, Lunte brauchte man z.B. zum Abfeuern sog. Luntenschlosse von Luntenschlossgewehren, der frühesten mechanischen Zündung europäischer Feuerwaffen.

Literaturtipp zu Fomes f.:

Blau, Josef 1917: Böhmerwälder Hausindustrie und Volkskunst. I. Teil. Wald- und Holzarbeit. Beiträge zur deutsch-böhmischen Volkskunde XIV. Band, 1. Hälfte (Prag).

(Als Nachdruck im Morsak-Verlag/Grafenau 1993 erschienen, aber allein der Jugendstileinband ist die Jagd nach einem Original - wie meinem, na klar! - immer wert! Vor allem, wenn das dann sogar noch deutlich preiswerter ist als der Nachdruck! Unmöglich? Quatsch, nur eine Frage einer ausdauernden Suche im Net...).

Herzliche Grüsse KIS


Hallo Kiss,
die Baumscheibe ist von einer Buche und die ,,Penishülle" dient als Messerscheide.
Ich habe bisher nur an Buchenstämmen dieses großflächige Myzel gefunden, daß es sich zum
,,Zündeln" sehr gut eignet habe ich auch erfahren. Mir waren die Dochte für die ertebölle
Lampen ausgegangen ( Röhren des Baumpilzes) und da habe ich getrocknete Myzelstreifen genuzt.
Es hat wunderbar geklappt und die Lämpchen brannten wunderbar. Die glimm und glüh Eigenschaften
vom Myzel sollten beim Feuerschlagen auch nicht unterschätzt werden. :zwinker:

HG  Manfred