Langzeit Feldversuch

Begonnen von Bavaricum, 11. November 2009, 16:18:06

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Bavaricum

Da ich mich schon immer gefragt habe, wie stark Funde durch das Ackern verlagert werden, habe ich mich jetzt entschlossen einen Feldversuch durchzuführen.

Dazu habe ich mir Marken aus Zinn gegossen. Um festzustellen wie die Marken sowohl horizontal als auch vertikal verlagert werden, wurden alle Stücke auf der Rückseite markiert.

Die Zinnmarken (Bild 1 & 2) wiegen 13 gr., so daß sie auch noch in größerer Tiefe zu orten sind. Für das Experiment habe ich mir zwei Flächen ausgesucht bei denen drei Kriterien maßgebend waren.

1. Abgelegener, schrottfreie Acker
2. Fundarme Gebiete
3. Mindestabstand zu einem Bodendenkmal von ~ 1 Km.

Eine Fläche, auf den ich die Stücke vergraben habe, ist relativ flach (Bild 3) die Andere stark erosionsgefährdet (Bild 4).

Jeweils 10 Marken wurden in 5 cm Tiefe (Bild 5, bis dahin kommt man beim eggen), in 20 cm Tiefe (Bild 6, mitten im Pflughorizont) und 35 cm Tiefe (Bild 7, Ende Pflughorizont / Anfang Mutterboden) vergraben.

Das alles mal 4, zwei mal im Flachen, zwei mal im Steilen.

Auf der Rückseite wurden die Marken mit Punkten markiert. Erste Reihe stellt die Tiefe in der die Stücke vergraben wurden dar, die zweite Reihe die Fläche auf der sie vergraben wurden.

1. Reihe: 1 Punkt - 5 cm, 2 Punkte - 20 cm, 3 Punkte - 35 cm
2. Reihe: 1 Punkt - Fläche 1 im Flachen,  2 Punkte - Fläche 2 im Flachen, 3 Punkte - Fläche 3 im Steilen, 4 Punkte - Fläche 4 im Steilen.

Fläche 1 und Fläche 3 sollen in 2 1/2 Jahren abgesucht und wieder ausgegraben werden, Fläche 2 und 4 in 5 Jahren (Falls sie dann noch da sind und ich noch unter den Lebenden bin).

Anhand der Markierungen müßte man dann erkennen wie weit die Teile horizontal und vertikal verlagert wurden.

Noch eine Bitte zum Schluß, sollte jemand mal so ein Teil finden (siehe Bild 1 & 2), bitte nicht mitnehmen sondern an gleicher Stelle wieder vergraben.

Bis in 5 Jahren

Andreas

Der Wikinger


Das ist wirklich sehr, sehr interessant.  :super:
Eine ständige Diskussion bei uns !  :engel:
Ich freue mich schon sehr auf ein Ergebnis in 5 Jahren !
Kann sich als ein besonders wichtiger Versuch entpuppen !  :winke:

mobilteil

In wie vielen Jahren möchtest du denn deine Schlüsse aus deinem Feldversuch ziehen? Die Bauern fliegen ja nicht jeden Tag über ihren Acker. :kopfkratz:
Gruß: Dirk

Bavaricum

#3
Was ich vergessen habe - Nach dem Vergraben der Münzen bin ich mal mit der Sonde drüber.

5 cm - Klar und deutlich
20 cm - immer noch klar und deutlich
35 cm - da wurd's schon schwierig. Ich bekam nur noch ein minimales Signal (das kann sich ändern wenn sich der Boden etwas gesetzt hat)

Ohne den genauen Ort der 35iger zu kennen halte ich es für fast unmöglich diese Marken wieder zu finden. Mal schaun wie es in 2 1/2 und 5 Jahren ist.

Falls ich sie nicht mehr finde würde mich interessieren was spätere Generationen über diese Funde so schreiben. Aber das schau ich mir dann (hoffentlich) von Oben an.

Servus

Andreas

Bavaricum

Zitat von: mobilteil in 11. November 2009, 16:40:30
In wie vielen Jahren möchtest du denn deine Schlüsse aus deinem Feldversuch ziehen? Die Bauern fliegen ja nicht jeden Tag über ihren Acker. :kopfkratz:
Gruß: Dirk

Grüß Dich Dirk,

die Äcker gehören einem Bauern mit Biogasanlage (Das mit dem Bio sollte man überdenken). Das heist, sie werden zwei mal im Jahr geackert und bebaut. Da müsste sich schon einiges tun.

Servus

Andreas

insurgent

Das ist sehr spannend :super:

An dem Ergebniss bin ich auch sehr interessiert :smoke:
Meine Bodenfunde werden gemeldet

dappeler

seeeehr spannender Feldversuch...
Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

Bavaricum

Noch mal was vergessen.

Unweit von der Fläche 1/2 befindet sich ein Acker, den ich seit ca. 6 Jahren abgehe. Bis vor drei Jahren tauchten da nie Scherben auf.

Vor 2 1/2 Jahren pachtete der Bauer, der auch die o.g. Flächen bewirtschaftet, diesen Acker an. Seit dem finde ich Kiloweise vorgeschichtliche Keramik.

Deshalb denke ich, daß sich auch auf den Flächen für den "Feldversuch" viel tun wird

Servus

Andreas

kery

Ein Wirklich toller Langzeitversuch.Fallst du doch in paar Jahren einige Marken liegenlässt und diese werden in paar Jahrzehnten gefunden,möchte ich mal gerne die Diskusionen(in zukünftigen Foren vielleicht) dazu sehen :-.klasse idee von dir die Jahrezahl Römisch geprägt zu haben.

gruss christian :winke:

Clumzy

Und nun sind es schon 4 Jahre.. spannend.. Habe gerade von Versuchen in England gelesen, die eine ähnliche Untersuchung mit Glaschips unternommen haben..  Nach Zwei Jahren haben die Teile dort Bewegungen von bis zu 30m gemacht und sind wohl z.T. bis in eine Tiefe von 30cm vorgedrungen.. Frage mich zwar, wie sie die Dinger wiedergefunden haben aber gut ;)

Lojoer

Hi Clumzy
Zitat von: Clumzy in 20. September 2013, 18:31:28
  Nach Zwei Jahren haben die Teile dort Bewegungen von bis zu 30m gemacht und sind wohl z.T. bis in eine Tiefe von 30cm vorgedrungen.
30 m bezweifele ich stark. Ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht. Bei römischen Münzen auf einem Militärlager waren 5-10 % der Münzen mehr als 10 m von der Lagergrenze entfernt. Eine einzelne als größter Ausreißer 60 m.

Gruß Jörg

Clumzy

Hallo Lojoer, hallo Bavaricum,

hab da glaube ich etwas blauäugig den Ausführungen von Holger Behm vertraut.

siehe PDF hier S. 34 unten rechts das mit dem Experiment .. übrigens S. 35 zerpflügter Hacksilberfund 11. Jh. von Cortnitz.. 60m Verschleppung kein Problem..  :zwinker:

http://www.landesarchaeologen.de/fileadmin/Dokumente/Dokumente_Verband/Publikationen/Archaeologie_und_Landwirtschaft.pdf

b] @ BAVARICUM: [/b]  selbe PDF, Abb.1:

Behm hat hier einen von Bosse 1969 angelegten Versuch zur Verlagerung von Messkörpern, der eigentlich aus rein agrarischem Interesse unternommen wurde, recht simpel aber eindrücklich auf die Archäologie übertragen, um die Verlagerung von archäologisch relevanten Objekten nachzuvollziehen. Diese Bewegungen scheinen aufgrund der meist wendenden Arbeitsweise der Geräte eher in vertikaler als in horizontaler Richtung stattzufinden. Objekte die also weit von ihrem Befund entfernt liegen wurden vielleicht von dem Arbeitsgerät mitgeschliffen aber sind nicht die Regel.

hier der link zu dem Experiment der Cranfield University was Behm versucht hat zusammenzufassen (etwas komplizierte Lektüre aber HOCHINTERESSANT!! )

http://e-a-a.org/Appendix_3.pdf     

oder das hier googlen: Appendix 3: Studying the effects of different cultivation systems on flat archaeological sites

Nicht enthalten sind Aussagen über die horizontale Bewegung der Funde denn da steht unter "Other common problems not considered here include" (S. 9) :  "movement of artefacts from their original position"

ich weiß also nicht wo Behm diese 30m her hat.. anderes Experiment? Weiß jemand mehr?

@ Lojoer: Deine Ausreißermünze  würde ich eher als einen Manuport werten kann aber auch durch den Pflug verschleppt worden sein.. niemand weiß es  :zwinker:

Viele Grüße

Clumzy  :winke:

Nertomarus

Hallo zusammen,

ich bin schon auf die Ergebnisse von Bavaricum gespannt!
Die 5 Jahre müssten ja bald um sein.

Ich habe vor 1 1/2 Jahren einen gleichen Versuch gestartet.
Der eine Pseudohort besteht aus 9 Stück Messingscheiben mit etwa 30 mm Durchmesser (Sesterzen).
Der zweite Pseudohort besteht aus 100 Stück 10-Groschen Münzen aus Aluminium.

Vor kurzem konnte ich oberflächlich die Verbreitung der Groschen dokumentieren; nach ca. 3 mal pflügen sind es jetzt bis zu 7 Meter, hauptsächlich in Bearbeitungsrichtung.
Möge Fortuna mit euch sein!

Nertomarus

#13
Hallo!

hat noch jemand Kontakt zu Bavaricum?
Mich würden die Ergebnisse (falls es die schon gibt) brennend interessieren.

Im Forum ist er ja anscheinend nicht mehr aktiv.

Hier noch ein Link zu einer interessanten Vorgänger-Diskussion.
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,25175.0.html
Möge Fortuna mit euch sein!

Nertomarus

Ich werde jetzt übrigens parallel zu meinem ersten Versuch einen zweiten starten.
Ich werde in einem 2 Meter Raster 100 Stk. nummerierte Messingscheiben mit Durchmesser 18 mm vergraben.
Versuchszeitraum rechne ich mit 5 Jahren, mit dem Wunsch die Verlagerung jährlich - ohne Ausgrabung - zu dokumentieren.
Vermutlich werden sich aber die einzelnen Objekte innerhalb kurzer Zeit untereinander verschieben.
Möge Fortuna mit euch sein!

palaeo1

#15
Passt hier vielleicht rein. Ein natürlich entstandener Langzeitversuch. Ich habe 2007 eine mesolithische Fundstelle ausgegraben. Die Hälfte der Artefakte befand sich im jahrelang gepflügten Mutterboden, die andere Hälfte im ungestörten Sand darunter. Wir haben alle Artefakte getrennt in dieses beiden Schichten einzeln eingemessen (ca. 8000). Der Unterschied liegt primär darin, dass sich die ehemaligen Fundkonzentrationen im Mutterboden aufgelöst haben. Die Verteilung grundsätzlich bleibt weitgehend erhalten, d.h. ehemals fundarme Zonen bleiben es auch im Mutterboden. Die Kartierung ist leider noch nicht vollständig, aber man kann es doch ganz gut sehen.

Ein zweites Experiment haben wir mit markierten Flintartefakten durchgeführt. In fünf Quadraten wurden jeweils 25 Artefakte in unterschiedlichen Tiefen eingegraben. Der Acker ist jedes Jahr oberflächig abgesucht und die Artefakte eingemessen worden. Nach 5 Jahren lag das weitest transportierte Artefakt 10 m vom Ausgangspunkt entfernt. Hier gab es jedoch eine andere Fragestellung, die lautete: Wieviele Artefakte kommen in diesem Zeitraum an die Oberfläche.

Gruß
P1

Nertomarus

Vielen Dank, sehr interessant.
Möge Fortuna mit euch sein!

Xerxes

Gibt es schon Neuigkeiten bezüglich der Feldversuche?

StoneMan

Zitat von: Xerxes in 19. April 2020, 21:12:15
Gibt es schon Neuigkeiten bezüglich der Feldversuche?

Bavaricum war zuletzt 2013 hier im Forum...

:winke:
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry