Das Gold der Birke

Begonnen von Marienbad, 29. April 2010, 23:16:57

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Marienbad

Hallo Leute,

nun ist es an der Zeit die Birkenpechgewinnung vorzustellen, ich werde zeigen wie ohne Topf und Sauerstoffentzug
Birkenpech hergestellt werden kann. Dieses ist eine Variante, andere werden folgen.
Die Rinde Stammt von Birken, die im Okt.gefällt wurden, frische Rinde ergiebt bei diesem vorgestellten Test eine
sehr flüssige Masse, daher weniger Birkenpech.



In Streifen werden Rindenstücke auf einem flachen Stein gelegt, mit der weißen Seite nach oben.
Zwei weitere flache Steine habe ich im Feuer liegen, sie sollten so etwa 15 Min. in den Flammen verbringen
und die Hitze Speichern.



Das Auflegen von dem Ersten erhitzten Stein bewirkt ein öffnen der Poren in der Rinde. Hierbei braucht kein
zusätzlicher Druck auf dem heißen Stein ausgeübt zu werden.So ca. 5 Min. sollte der Stein auf der Rinde verbleiben.



Der Zweite erhitzte Stein wird mit einem zusätzlichen Stein beschwert, damit die volle Hitze auf die Rinde
einwirken kann. Nun ist schon der typische Geruch vom Birkenpech zu Schnuppern.
Dieser Vorgang sollte mindestens 2 x wiederholt werden. Dann ist die Überraschung auf der unteren Seite
vom Stein etwas größer. :-)



Die Hitze von den Steinen hat das Pech austreten lassen, die Pechmasse verläuft auf der Rinde und auf dem
unten liegenden Stein.



Um nun das kostbare Pech vom Stein lösen zu können muß wie folgt vorgegangen werden.
Ein wassergefülltes Gefäß wird dazu gebraucht und der pechbehaftete Stein.
Der Stein wird in Schräglage von unten erhitzt, bis das Pech sich verflussigt und in das Wassergefäß tropfen kann.
Das eintropfende Pech erhärtet sofort im Wasser und schwimmt an der Wasseroberfläche.
Der Tropfen verteilt sich im Wasser flächig, wie eine Haut auf der warmen Milch. Nun kann das erstarrte
Pech mit einem Holzstab einfach aus dem Wasser gefischt werden und in einem anderen Gefäß abgestreift werden.
Dieser Vorgang wird so lange durchgeführt bis genügend Pechmasse vorhanden ist.
Das sich Wassertropfen am Pech anhaften ist unangenehm aber unvermeidlich.



Das Gefäß mit dem wasserbehafteten Pech wird auf der Glut (Holzkohle) vom Feuer langsam erhitzt.
Die Kunst ist es nun die richtige Temperatur zu erreichen und zu halten. Ich habe ein Thermometer genutzt, aber was
hatten die Ahnen?  :zwinker:
Denn wenn die Temperatur über 200 Grad ansteigt entzündet sich das Pech (die Gase) und verbrennt.
Dieser Vorgang ist der zeitaufwendigste bei der Herstellung von Birkenpech aber unvermeidlich. Denn die leicht elastische
Pechmasse soll ja fester und härter werden.



Mit einem Holzstab teste ich die Festigkeit vom Pech, indem ich den eingetauchten Stab in drehender Bewegung
mit dem anhaftenden Pech aufwickel. Verläuft die Masse, ist es noch zu weich und muß weiter eingeköchelt werden.





Wenn der eingesteckte Holzstab senkrecht im Topf stehen bleibt ist die Festigkeit vom Pech richtig.
Der Pechertrag betrug 25 Gramm und hat 2,5 Std. gedauert.
Es ist eine sehr anspruchsvolle und nicht ungefährliche Arbeit und sollte daher nur mit äusserster Sorgfalt und
Vorsicht durchgeführt werden. Giftige Gase und Verbrennungen sollten unbedingt bedacht werden.

Tschüß  Manfred   :winke:





Mark77

Ich lese und staune und verneige mich! :staun:
Alle Ehre Manfred! Wundervoll, das schwarze Gold der Eiszeit^^ :super:

:winke:, Markus

mc.leahcim

 :boh:

Einfach nur Genial.  :super:
Genial einfach und nicht wie ich es immer gelesen und im TV gesehen habe aufwendig mir verschiedenen Töpfen übereiandergestülpt und teilweise eingegraben wg. Sauerstoffentzug. Fast schon Destillationsanlagen.

Danke fürs Zeigen

Michael

P.S. Deine Beiträge haben was von "Sendung mit der Maus" Thema Steinzeit. Man sieht, staunt und begreift.
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

Freya

Hut ab Manfred
... klasse .... :super:
Gruß Marie  :winke:

Lojoer

Alle Achtung,
man sieht wieder....die einfachsten Lösungen sind doch die Besten.
Das Experiment solltest Du unbedingt in einer Fachzeitschrift veröffentlichen.
Gruß Jörg

Daniel

Respekt Manfred. :staun:
Bei Deinen Versuchen komm ich als Laie aus dem Staunen gar nicht mehr raus. :super:

Gruß Daniel
Spalttabletten, meine Dame, sind bekömmlich und gesund.
Doch verwirrend ist der Name, sie gehören in den Mund.

chabbs

Wirklich unglaublich und super geschrieben!

Danke Dir für´s Teilen!

Coinsearcher

wie immer einfach nur genial  :super:!!!!

mfg

C.S.

dappeler

 :super: :super: :super:
Danke für die anschauliche Erklärung, Respekt!
Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

awo

Wie immer, ein super Beitrag. Irgenwann solltest Du über ein Buch nachdenken. Wie kommst Du eigendlich immer auf die Ideen ? :super:

Silex

Wenn das Tsoich auch wirklich babbd .... Marienbad, dann allen Respekt
Hast Du schon Versuche  bezüglich der Klebefähigkeit, Zugfestigkeit gemacht?
Ich hatte mir das "Verfahren" mal aus einem Fachartikel eingesaugt und da klang es (wie oben schon angedeutet) eher wie eine chemisch-alchemistische Prozedur.....

Der Tinktur soll ja auch noch andere Wirkungen- z.B.  medizinische-  innewohnen.
Schön so etwas mitverfolgen zu dürfen!

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Marienbad

#11
Moin Leute,

danke für die "Blumen". :winke:


@ Edi       Zweifelst du an der Klebkraft? Es klebt wie doll, die Finger auf dem Foto sollten es zeigen  :-D.

              Die heilenden Kräfte vom Pech werden noch heute genutzt, Pilzkrankheiten und Infektionen werden damit in Rußland behandelt.
              Die Inhaltsstoffe vom Pech haben desinfizierende und Wundheilende Eigenschaften.
              Sicher wurde in der Vorzeit Birkenpech zum Kleben, Abdichten, Imprägnieren von Hölzern und medizinisch eingesetzt.

              Tschüß    Manfred   :winke:




Silex

Birken mag ich.
Es sollen auch die ersten Pionierbäume nach der letzten Eiszeit gewesen sein.
Es gibt/gab mehr Geheimnisse zwischen Himmel und Erde als wir träumen, lernen und wissen können.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Marienbad


Marienbad

#14
wer auf dieser Seite war  http://www.sucherforum.de/index.php/topic,39987.0.html  und alles gelesen hat, wird sicher verstehen
wie dieser topflose Pechherstellungsversuch geboren wurde.
Das entzünden und sofortige löschen der Flamme bewirkt schon ein Austreten vom Pech. Diese kurze Phase der Hitzeentwicklung genüg um das Pech
aus der Rinde austreten zu lassen.
Darum habe ich mir gedacht, dass ein heisser Stein aus dem Feuer etwa das gleiche bewirken kann. Die Temperatur vom Stein der auf die Rinde kommt sollte
etwa 350 - 380  Grad haben. Eine gefährliche Angelegenheit ist es den heissen Stein aus dem Feuer zu bugsieren. Es sollte eine vernünftige und haltbare
Holzkonstruktion genuzt werden. Mein hölzernes Gerät hierzu hat eine Ähnlichkeit mit einer übergroßen " Gurkenzange"  :smoke:

:winke:   Manfred





thovalo

Lieber Manfred,

Du zeigst sehr eindrucksvoll welche Qualitäten eine wirklichen Archäologen auszeichnen:
                                       
                                       studieren und probieren!


Dazu noch Deine außerordentliche Fähigkeit zu Faszinieren, Wissen und Erfahrung durch klare Dokumentation zu transportieren und mit(uns)zuteilen.

Herzlichen Dank dafür!  :winke:


GlG aus dem Rheinland  

thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Marienbad

Hallo Thomas,

ich bin kein Archäologe, nur ein experimentierfreudiger und geschichtsliebender Geselle. :zwinker:
                        (dieses nur um Missverständnisse zu vermeiden)

HG   Manfred   :winke:

thovalo

Nimm das einfach als tief ernst gemeintes Kompliment und Anerkennung an!!!!  :zwinker:

Ich beziehe mich auf Deine Fähigkeiten und Kompetenzen und nicht auf akademische Studienabschlüsse!

:-)
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Marienbad


thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Marienbad

Dieser pechbehaftete Stein beherbergt noch einige Gramm von dem wertvollen Kleber.  :zwinker:
Damit können noch 2-3 Querschneiden eingeklebt werden.



In der keramiklosen Zeit könnte so das Aufbewahrungsgefäß ausgesehen haben,
ein schlichter Röhrenknochen.



Meine selbstgebrannten Gefäße haben schon einige Jahre ihren Dienst getan
und erfüllen nun im leicht ledierten Zustand auch noch ihren Zweck.

Hier ist die grobe Magerung sehr schön zu sehen



Dieses Töpfchen hatte schon beim Brennen diesen kleinen "Ditsch", es knallte
laut als das kleine Stückchen wie ein Geschoss herausplatzte.



Mein Fingerabdruck ist für die Ewigkeit konserviert :-D .



Tschüß und  :winke:   Manfred

Marienbad

Gibt es eigentlich Pechanhaftungen auch an anderen Gegenständen ausser bei den Schäftungen?
Ich habe Lindenbastschnüre, Leder und Hölzer mit dem flüssigen Pech getränkt.
Diese Gegenstände dürften nun wasserresistent sein und länger halten.
Trockenrisse im Holz können auch sehr gut damit abgedichtet werden. ( Einbaum )
Wenn jemand etwas über pechbehaftete Funde sieht oder hört, würde ich mich sehr
über Hinweise freuen.

Tschüß    Manfred

ps.     

die Pechklumpen mit Zahnabdrücken sind mir bekannt

thovalo

Ciao Meister!

Ich gehe mal fest davon aus, dass du sie langschmalen Gerölle, sogenannte "Lötkolben" kennst, mit denen Birkenpech aufgenommen/übertragen worden sein soll!  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Marienbad

Hallo Thomas,

das hört sich ja spannend an,..........Lötkolben.
Hast du mehr Hinweise oder Infos darüber?
Ich habe davon noch nichts gesehen oder gehört, leider :zwinker:

Tschüß   Manfred

thovalo

#24
Sorry, hab erst spät hier rein geguckt! Bemühe mich um Literaturhinweise und Abbildungen!      :winke:

z.B.

http://www.vml-verlag.de/e/inhalt.php?ISBN=978-3-89646-719-5    :glotz:  

Erwähnung in der Zusammenfassung:

"Eng mit der Verwendung des Birkenpechs in Zusammenhang steht eine bislang wenig beachtete Fundgattung, die sogenannten ,,Lötkolben". Es sind zumeist Geröllsteine mit ein- oder beidseitigen schwarzen Kappen an den sich verjüngenden Enden. Versuche haben gezeigt, daß diese Stücke zum Verschmieren des Pechs auf den zu klebenden Nahtstellen verwendet worden sind."

scroll immer weiter nach Unten:

alles Artikel über B I R K E N P E C H  und  T E E R

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

fuchs

Hallo Manfred,
auch von mir großes Lob! Die Birkenpechherstellung zu früheren Zeiten wird so viel plausibler! Der immer wieder geforderte Luftabschluß hat anscheinend keinen Einfluß auf die Qualität des Pechs. Vielmehr ist den Jungs beim Experimentieren das Zeug wohl verbrannt. Dieses Problem hast du elegant gelöst. Vielleicht ist das Birkenpech auch so entdeckt worden: Feuerholz (Birke) auf einem vom Feuer erhitzten Stein abgelegt und plötzlich kam der Kleber raus. Heureka!
Wieviel Birkenrinde hast du für die 25 gr Pech gebraucht?
Herzliche Grüße, Christian

thovalo

 :winke:

Ein Bild von "Lötkolben" und die Literatur dazu!

LG  thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Marienbad

Hallo und  :winke:

@ Thomas     Danke für die Mühe  :super:

@ Christian    210 gr  trockene Rinde waren es

    :winke:  Manfred

thovalo

Gern geschehn! LG   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

#29
Lieber Marienbad,

ich bin in der Literatur noch auf weitere nicht geschäftete Gegenstände mit Pechanhaftungen gestoßen:


Boden eines Daubengefäßes (randumlaufend) S. 9

mehrere Spinnwirtel (im Bereich der Lochung) S. 116 und 117

Hechelkamm S. 294

Eckzahn mit Birkenpech S. 355


Schweiz: Kanton Thurgau; Platz: Arbon Bleiche 3

Kulturhorizont: Übergang Pfyn/Horgen


In: Annick de Capitani, Sabine Deschler-Erb, Urs Leutzinger, Elisabeth Marti-Grädel und Jörg Schibler, Archäologie im Thurgau 11: "Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon (Bleiche 3) Funde", Departement für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau. 2002.


LG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.