Pilgerabzeichen (Blei) Motiv: Pieta

Begonnen von hauptmann-koch, 26. Juni 2013, 10:46:20

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hauptmann-koch

Hallo Sucherforum, Hallo Gratian,

hier ein Fund, den ich eigentlich schon vor einiger Zeit gefunden habe, aber nie dazu gekommen bin euch zu zeigen und euch um eure Hilfe zu bitten.

Ich gehe davon aus, dass es bei weitem nicht vollständig ist. Leider ist es mir auch nicht möglich die Schrift zu entziffern.

Würde mich sehr freuen, mehr über das Gezeigte zu erfahren, insbesondere Verwendung und Alter. Schön wäre es auch, wenn jemand ein Vergleichsstück hat. Würde sehr gerne wissen, wie das Bild ganz ausgesehen hat, aber mehr Kleinteile konnte selbst mein Tesoro nicht finden.

VG

Koch

hauptmann-koch

Der lange Strich unten im ersten Bild sind übrigens 10cm

stratocaster

Hallo Hauptmann,

das ist ja gerade nicht mein Fachgebiet, aber irgendwie sieht mir das wie eine
"Miniatur-Grabplatte" aus.
Im Bild mal als Beispiel eine mannshohe Grabplatte vom Kreuzgang im Magdeburger Dom aus dem 16. JH
Die Schrift in Deinen Bruchstücken ist eine astreine Minuskelschrift, geschätzt 15. JH (ohne Gewähr)

Gruß  :winke:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

Derfla

Das ist ein ganz typisches Pilgerzeichen aus dem Mittelalter mit Maria und Kind. Hier sollte man man schauen, welche Stadt hier in Frage kommt. Könnte sogar auch noch Köln sein, wenn die heilige 3 Könige noch dabei wären.
Derfla  :winke:

insurgent

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thovalo

#5
Eine Angabe zur Fundregion wäre unterstützend!

Ikonografisch handelt es sich um eine PIETA, die Mutter Gottes mit dem toten Sohn auf dem Schoß.
Dieses spezielle Pilgerzeichen scheint noch nicht bekannt zu sein!
Die Bilder lassen die Buchstaben nicht gut erkennen!
Wäre ein bessere Ausleuchtung in scharfen Aufnahmen möglich?

15. Jh.

Einige der Schriftfragmente könnten direkt aneinander passen.
Das Ganze ergab ein Viereck das das Bild umfängt mit gotischen Giebel direkt über der Darstellung.
Je Ecke eine der Ösen.

Setz mal die beiden kleineren "Spitzen" nach Oben (dazwischen gehörte der gotische Baldachin).
Bild 449 ... darauf gehört eine der Spitzen, nämlich die rechte (ohne Öse)!
An die Spitze könnte noch der Rest des gotischen Baldachins anpassen.
Der Text müsste doch zu weit mehr als 50 % erhalten sein und nennt ggf. den Ort.
Die drei Kreuze repräsentieren Golgatha, die Stätte der Vollendung.
Darüber befand sich das Gnadenbild!
Die beiden Stücke mit den drei Kreuzen gehören schon mal direkt aneinander!
Was Du der Maria an den "Bauch" gesetzt hast gehört da dem Eindruck nach nicht hin!
Eher ist das ein Teil der Christusfigur (Arme) oder eine dritten Figur.
Was Du Christus links an die Seite gelegt hast scheint da auch nicht hin zu gehören!

Es gibt ein Zeichen mit dem heiligen NIK(o)LA(u)S (um 1444) der dort rechts der Pieta steht/ggf. auch ein Adorant).

http://www.bendorf-geschichte.de/bdf-0082.htm

Puzzel mal ein wenig!

Vielleicht sind es auch Fragmente von zwei Pilgerzeichen?
Ein "Esel" passt da gar nicht zu. Ist vielleicht auch gar kein Tierkopf!

lG Thomas  :winke:



Die Pietà (italienisch für ,Frömmigkeit, Mitleid') dt. auch Vesperbild, ist in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus. Im Gegensatz zur Beweinung Christi liegt der Leichnam Jesu immer auf Marias Knien.
Das Motiv ist in der Bildhauerkunst seit dem frühen 14. Jahrhundert gebräuchlich und wird von der älteren Forschung in Verbindung mit der Entstehung des Andachtsbildes gebracht. Der frömmigkeitsgeschichtliche Ursprung ist in der verstärkten Hinwendung zum Leiden Christi am Kreuz und des Mitleidens seiner Mutter mit ihrem Sohn zu sehen. Der formale Ursprung der Vesperbilder in mehrfigurigen Beweinungsdarstellungen wird immer wieder behauptet, ist aber nicht bewiesen. Die Pietà zählt zu den bekanntesten ikonographischen Darstellungen des Mittelalters.
Vesperbilder sind in den meisten katholischen Kirchen zu finden. Die Szene bildet die vorletzte Station der Kreuzwegandacht; sie ist ein Hauptinhalt des Gedächtnisses der Schmerzen Mariens. Die Bezeichnung Vesperbild beruht auf der Vorstellung, dass Maria der Leichnam ihres Sohnes am Karfreitag ungefähr zur Zeit des Abendgebets, das heißt zur Stunde der liturgischen Vesper, in den Schoß gelegt wurde.

z.B:

http://www.vhghessen.de/inhalt/zhg/ZHG_114/04_Eckhardt_Wallfahrt.pdf
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Ishtar

@thovalo

:super: Schön erklärt!

15. Jahrhundert war auch meine Idee. Denke bei der Herkunft an Kreuzberg / Rhön.
Není všechno zlato, co se třpytí.

hauptmann-koch

Vielen Dank Thovalo und euch anderen!
Sehr schön beschrieben und mit dem zusätzlichen Wissen bin ich jetzt ne ganze Weile am Puzzle gesessen. Leider scheint es mir an manchen Stellen nicht zu passen. Anhand der Ösen schien mir aber keine andere Anordnung sinnvoll.
Ich hoffe die neuen Bilder helfen bei der Entzifferung der Schrift.

thovalo

Da passen doch einige der Bruchstellen gut und deutlich an! :glotz:

Das kommt dem Eindruck des zerbrochenen Originals nun deutlich näher!  :super:

Für Leseversuche müsste ich mir Zeit nehmen.
Ist auch aufgrund der Zerstörungen nicht so leicht.

Dieses Exemplar scheint noch nicht bekannt zu sein.
Daher schicke doch die gute Rekonstruktion der Anpassung im ersten Bild an die Dokumentationsstelle im link!

Die Qualität der Ausführung ist wirklich gut, daher ist das auch als Fragment ein wissenschaftlich wertvolles Stück zu dem man Dir gratulieren kann!

lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

hauptmann-koch

#9


Welche Dokumentationsstelle meinst du den genau? Verein für hessische Landesgeschichte?

insurgent

Zitat von: hauptmann-koch in 27. Juni 2013, 09:25:45
Oh vergessen habe ich noch als Angabe zur Fundregion: Ostwürttemberg hinterm Kloster  :-)

Welche Dokumentationsstelle meinst du den genau? Verein für hessische Landesgeschichte?

Nein, die hier

http://www.pilgerzeichen.de/
Meine Bodenfunde werden gemeldet

Gratian

hallo wirklich guter Rekonstruktionsversuch.

Ich bin mir relativ sicher das der Beginn des Textes (Von links oben nach unten) UNSER LIEBE FRAW ZV lautet danach der Name des Gnadenortes und eine Gebetsformel. 15. evtl 16. Jahrhundert. würde ich sagen.

Rein optisch wären das Stück noch etwas enger zu fassen wie dieses Vergleichsstücke aus Dettelbach und Klausen (Beides Bilder aus der Kunera Datenbank).Rücke doch die Teile so zusammen das du ein Verhältnis 2:1 von Höhe zu Breite hast und mach nochmal ein Foto.

Vielleicht solltest du noch ein hochauflösendes Foto der unteren Zeile mit den markanten drei Kreuzen (sollen den Berg Golgotha darstellen) hier einstellen damit wir die Leseversuche intensivieren. und links in der Ecke das Rechteckige könnte das geöffnete Grab in Form eines Sarkophag sein. 
Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

hauptmann-koch

#12
Hier noch ein Bild von der Unterseite. Jetzt wo du mir die linke Seite vorgelesen hast, scheint der Herkunftsort geklärt:

Die Wallfahrtskirche Mentlberg bei Innsbruck.

Ich zitiere mal Wikipedia:

An Stelle der heutigen Kirche hatte Ferdinand 1622 einen Vorgängerbau erstellen lassen. Der Überlieferung zufolge hatte sein Sohn, der kaiserliche Offizier Christoph II. von Khuepach, 1638 während der Rückkehr vom Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) auf dem Weg nach Tirol im protestantisch gewordenen Holzheim (bei Neu-Ulm) in der verfallenen Kapelle die Holzplastik einer Pietà gefunden, die er in die Schlosskapelle Mentlberg überführte.

Und weiter:

Das um 1500 entstandene Gnadenbild thront über dem Altar und ist in eine Nische integriert, die zur 13. Station des Kreuzweges ausgestaltet ist. Diese Nische ist flankiert von den Assistenzfiguren der heiligen Katharina von Alexandrien und der heiligen Barbara.

Würde zu passen... wir müssten nur das alter des Pilgerabzeichen eher ins 17 Jh ändern.

Gratian

#13
Klasse das trifft es 100 % jetzt kann man Ment(e)lberg auch lesen und das mit dem Kreuzweg passt zu den drei Kreuzen....  :winke: :super: :super: :super:

Spannende Frage: gibt es bekannte Vergleichsstücke  oder haben wir es hier mit einem bisher unbekannten Stück zu tun? Gibt es von Mentlberg bzw. "Maria auf der Gallwiese" wie das Gnadenbild ja umgangssprachlich genannt wird überhaupt bekannte Andenken?



Gut Fund!   :engel:
Gratian

ANTE ROMAM TREVERIS STETIT ANNIS MILLE TRECENTIS
PERSTET ET AETERNA PACE FRUATUR. AMEN.

thovalo

 :-)

Klasse die schrittweise Erschließung!
Und dann der profunde Abschluß durch geballtes Fachwissen!  :super:

lG Thomas  :winke: :winke: :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.