Silberlöffel mit unbekannten Stempel u. interessantem Wappen

Begonnen von viktorh, 05. Oktober 2009, 11:05:51

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viktorh

Liebe Leser,
in einem Anfall von spontaner Begeisterung habe ich auf dem Flohmarkt 2 Silberlöffel gekauft, mit denen ich nun mein morgendliches Müesli mit Vergnügen esse.

Ich bin aber neugierig auf die Geschichte der Löffel geworden und habe schon auf den entsprechenden www.sites mich über Silberstempel in deutschen u. anderen europäischen Ländern und verwandte Themen kundig gemacht. Aber ich kann nichts passendes finden.

Auf der Rückseite des Löffelstiels befinden sich 5 Stempel in dieser Reihenfolge:
- direkt unterhalb der Löffelkelle:  P & N, unter dem "&" ein S, über dem "&" eine stilisierte französische Lilie und darüber ein Krönchen
- darunter folgt diese Prägung: eine Krone, aus der unten so etwas wie ein Federbusch herauswächst
- dann etwas langes nicht eindeutig identifizierbares: sieht aus wie ein Szepter
- dann zwei sehr kleine nicht genau erkennbare Stempel

Außerdem befindet sich auf der Rückseite auf dem breiter werdenden Stielende ein eindrucksvolles Wappen eingraviert:
- Auf dem Wappenschild im Zentrum ein nach links aufspringender Windhund
- Hinter dem Wappenschild ragen die Enden eines Kreuzes hervor. Auf jedem Ende sieht man Buchstaben: links- RE, oben- STI, rechts- TU, unten- TQI
- Das ganze wird eingerahmt von einer ovalen Kette aus Buchstaben, die jeweils durch Kreuze verbunden sind. Linke und rechte Hälfte der Kette sind symetrisch gleich (die gleiche Buchstabenfolge). Unten an der "Kette" von Buchstaben hängt ein Kreuz.
- Über allem steht eine Helmzier mit 3 Federbüschen und Rankwerk.

Beide Löffel unterscheiden sich in der Qualität und Deutlichkeit der Stempel. Auch die Wappen sind nicht exakt gleich, sondern weisen kleine Unterschiede in den Proportionen auf. Sie sind definitiv auf jedem Löffel individuell eingraviert (nicht geprägt).

Die Vorderseite der Silberlöffel ist schlicht ohne jede Gravur. Die Form ist sehr weit verbreitet und heißt -glaube ich- Augsburger Spaten.

Fällt jemanden dazu etwas ein?

RonnyNisz

Vielleicht kann Meister Mero was dazu sagen, wenn er seine Geburtstagsfeierlichkeiten überstanden hat....
Jeder Steinbruch ist meine Heimat

viktorh

Meine nachträglichen Glückwünsche zum Geburtstag. Ich bin gespannt auf Meister Mero...

Die Klärung der Wappengeschichte verspricht auch recht spannend zu werden. Momentan bin ich über einen Erzbischof in Mainz gestolpert aus der Famlie v.Ostein. Er führte einen springenden Windhund im Wappen und die vielen Kreuze drumherum würden sich dann auch erklären. Der letzte männliche Namensträger der Familie verstarb aber schon 1809. Ich kann nicht glauben, dass meine Löffel schon so alt sind. Zweifelzweifel...

Interessant ist das aber doch, dieser Parforceritt durch die Geschichte auf den Spuren  meiner Müeslilöffel: Wer hat mit meinen Löffeln gegessen? Wenn sich die Erkenntnisse weiter konkretisieren, werde ich wieder berichten.


viktorh

#3
Liebe Leser,

von einem anderen Silberkundigen habe ich folgende Deutung der Punzen auf meinen Silberlöffeln erhalten:

Das Silber sieht meiner Erfahrung nach alt aus - sofern die Fotoansicht eine Beurteilung erlaubt- d.h. in diesem Fall 18. Jahrhundert. Auch die Art der Gravur deutet in diese Epoche. Das Muster des Bestecks ist eines der beliebtesten überhaupt, es heißt "Englisch-Faden", auch "Augsburger Faden" und wurde durch alle Zeiten hindurch produziert, selbst heute noch. Wenn sie also ähnliche Löffel bereits gesehen haben, will das nichts heißen.

Nun zu den Stempeln/ Punzen:
Es sind ganz eindeutig französische Marken und genauer: Pariser Silberstempel. Die Zeit der Punzen läßt sich ebenfalls recht genau für die 2. Hälfte der 1780er Jahre abgrenzen, also unmittelbar vor der Französischen Revolution.  

Im einzelnen (dabei muß beachtet werden, daß alte Stempel immer in eine andere Richtung geschlagen wurden, also nicht untereinander zusammenhängend gelesen werden können), beginnend von unten:

- Der unterste Stempel mit gekrönter Lilie und drei Buchstaben um ein kleines Symbol (P S ? ; P ? S) kommt so eigentlich nur bei französischen Provinzstädten vor, dürfte hier aber auch gemäß den Buchstaben für PARIS stehen.

- Der nächste Stempel, der wie eine Qualle oder gekrönte Quaste aussieht, ist ein pflanzlich stark stilisiertes großes "A" mit geschlossener Königskrone darüber- im ganzen 18. Jh. (bis 1789) verwendet.
In dieser speziellen sehr florealen Form: Gros Charge, Paris 1781-1789.

- Der nächste längliche Stempel ist ein stark stilisiertes "P" mit geschlossener Krone darüber (die Krone bei Löffel 1 links leicht beschnitten, bei 2 nur schwer erkennbar), der Bogen des florealen P umspielt dabei den unteren Stamm. Beim zweiten Löffel ist das P dagegen ein einfacher Druckbuchstabe. Diese Stempel stehen für: Paris, poinçon de la maison commune 1784-1789.
Wobei das floreale P früher ist, das Buchstaben-P dagegen tendenziell in die Jahre 1788/89 weist. Wichtig: zwischen Krone und P müßte die genaue Jahreszahl bestehend aus zwei kleinen Zahlen stehen: Ich sehe bei Löffel 1 eventuell "89" (?). Das muß man aber mit einer Lupe nachkontrolllieren.

-Die letzten beiden Stempel liegen dazu im 90° Winkel und sind auf Löffel 2 klarer zu sehen:
ein Vogelkopf mit Schnabel (nicht Taschenkrebs), genauer Greifenkopf. Und eine kleine Blume. Sie stehen ebenfalls für: Paris 1781-89 décharge moyens (tête de griffon), décharge très petits (fleur).
Literatur: Tardy, Poinçon d´Argent, 21° édition, Mayenne 2000, S. 130, France (Paris-Charge), S. 134 France (Paris)


Ich habe, ganz ehrlich gestanden, keine Ahnung von der Materie, kenne gerade mal die Zeichen Halbmond und Krone und gewisse andere handelsübliche Markierungen.

Daher bin ich völlig überrascht von der obenstehenden Deutung, die meinen Löffeln ein Alter von über 200 Jahren zuweist.

Aber die heraldische Deutung der eingravierten Wappen weist in eine ähnliche Richtung: es geht um eine Adelsfamilie mit einem springenden Windhund, wovon ein oder mehrere Mitglieder zum königlich dänischen Danebrogorden gehörten. Der springende Windhund kommt in recht vielen Wappen vor. Die genaue Einordnung steht noch aus. Ich werde hier die Ergebnisse berichten.

Wenn sich jemand angerecht fühlt, die obige Deutung zu verifizieren, so stelle ich hier noch einmal Fotos ein, leider kriege ich sie hier nicht größer untergebracht: