Alte Taschenuhr

Begonnen von Hanseat, 11. Oktober 2005, 18:47:16

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Hanseat

Hallo,
hat jemand von Euch Ahnung bzw. Interesse an alten Uhren ?
Diese Taschenuhr ist schon lange in Familienbesitz. Genutzt wurde sie wahrscheinlich schon von meinem Ur-Ur-Großvater (1811-1888), ehemals wohnhaft in Weimar.
Über evtl. Antworten würde ich mich freuen.
Viele Grüße
Hanseat

Hanseat


Hanseat


Tomcat

Schönes Erbstück!
Der von Dir genannte Zeitrahmen passt im Großen und Ganzen auch,
von der Technik her könnte die Uhr sogar noch älter sein.
Merowechs Meinung zur Gestaltung würde mich interessieren,
ich finde, die passt ganz gut ins 19. Jahrhundert.
Es ist zwar schwierig, bei Klappdeckeluhren die inneren Werte zu fotografieren,
für eine nähere Bestimmung wäre es aber sehr wichtig, ein Bild oder
eine Beschreibung der Unruh zu haben- vielleicht lässt sich dann noch näheres sagen!


mfg
Tct
Life burns!

Hanseat

Hallo Tomcat,
ich danke Dir schon mal für Deine Ausführungen. Ich werde ein entsprechendes Bild vom Innenleben gleich mal reinstellen. Leider im Moment nur der Scanner vor Ort.
Viele Grüße
Hanseat

Hanseat

Hier folgt die bessere Innenansicht.
Ich freue mich auf Nachrichten von Euch.
Viele Grüße
Hanseat

Merowech

Hallo Männers,
die Gestaltung des Deckels sowie die Ränder der Rückseite ist eine Kornguillochierung.
Es ist eine klassische Stahlgraveurarbeit wie sie etwa ab 1750 Verwendung fand.
Das Innenleben dieser wirklich schönen Uhr mit der aufwendigen Verarbeitung des Werkes deutet auf hohes künstlerisches und handwerkliches Können hin. Von meinem Gefühl her würde ich die Uhr wesentlich älter als 1900 einschätzen.Ich liebäugle da mit 1800-1850 .
Funktioniert die Taschenuhr noch ?
Grüße    MICHA   Und nutze den Tag - na ja ? - die Nacht auch !  :zwinker:

Hanseat

Hallo Micha,

da geht jetzt schon wieder ein ganz dickes Lob an Dich raus. :super: :super: :super:
Mein Ur-Ur-Grossvater Christian Gottlob wurde am 25.07.1811 in Apolda geboren und starb am 03.04.1888 in Weimar im 77-sten Lebensjahr.
Vielleicht kann man über einige Auszüge seines Lebens, Rückschlüsse auf die Herkunft dieser Uhr schließen und vielleicht interessiert es den einen oder anderen Leser hier im Forum.

Dieser Ur-Ur-Grossvater war wohl der bisher berühmteste aus unserer Familie. Er besuchte das Gymnasium in Weimar, wurde Lieblingsschüler seines Direktors, und durfte u.a. das Osterprogramm der Schule dem grossen, ja vielleicht grösstem deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe persönlich übergeben. Der "Geheime Rat" Goethe muss damals schon ziemlich betagt gewesen sein, denn er starb 1832 in Weimar.

Als Folge seiner Leistungen hatte Christian Gottlob mancherlei Vergünstigungen und Erleichterungen. 1833 bezog er dann die Universität Jena und blieb dort bis zum Wintersemester 1837/38. Weimar war zur damaligen Zeit eine Ansammlung von einzelnen Fürsten- und Herzogtümern. Von meinem Ur-Ur-Grossvater gibt es Fotos und Ölgemälde, ebenso Fotos seiner Freundin in Moskau uns seines Freundes in Moskau (des Fürsten Plato Meschtscherski), sowie seiner Frau.

In der Weimarischen Zeitung vom 14. April 1888 steht, beginnend auf Seite 1, ein grosser Nachruf auf Gottlob, in dem die wichtigsten Stationen und Erfolge seines Lebens umrissen und beschrieben sind. "Nach dem Studium der Theologie in Jena", so heisst es da, "nach naturwissenschaftlichen, philologischen und mathematischen Semestern" machte Gottlob 1839 seinen Doktor: eine Arbeit auf dem Gebiet der höheren mathematischen Analysis. Doch er wollte Pädagoge werden.

Mit seinem Freund Facius, so heisst es im Nachruf, "begründete G.T. in Jena die höhere Knabenschule." Facius muss ein Sohn oder Verwandter des damals berühmten und in alten Lexica (so Meyers Conversationslexicon von 1886) erwähnten, in Weimar lebenden Stein- und Stempelschneiders Friedrich Wilhelm Facius gewesen sein. Aus der von den beiden gegründeten Knabenschule ging das spätere Stoysche Institut hervor. 1839 ging G.T. nach Moskau, wo er schliesslich sieben volle Jahre bleiben sollte. G.T. hatte sich als Erzieher ins Haus des Generals von Schöppingck nach Moskau verdingt. Er sollte dort später den jungen Fürsten Soymonow für den Eintritt in die Universität vorbereiten. G.T. verliebte sich – zusammen mit dem russischen Fürsten Plato Meschtschersky, in Ekaterina Soymonow, die Schwester des jungen Fürsten, und sie sich ihn ihn. Liebesbillets der beiden sind noch im Besitz. In einem heisst es nur: "Schreib, schreib, geliebter T........"

In Moskau lernte G.T. alle möglichen Menschen kennen, darunter den grössten russischen Dichter Leopold Tolstoi. Später besuchte Tolstoi Weimar, traf sich mit G.T., und erwähnt ihn mehrfach in seinen Tagebüchern. Ein anderer Dichter den G.T. (vielleicht !) kennenlernte, war Alexander Puschkin. Puschkin starb in einem Duell in Petersburg. Im gleichen Jahr (1837) kam G.T. in Russland an, und zwar in Moskau, und nicht in Petersburg. Es ist also nicht sicher, ob er und Puschkin sich kennenlernten. G.T. und sein Freund Bodenstedt, übersetzten später einige von Puschkins Werken ins Deutsche. In Moskau freundete sich G.T.  mit Friedrich Martin von Bodenstedt an, ein bedeutender Anglist und Slawist. Spätere Freunde oder Korrespondenzpartner von G.T. waren der Dichter Ernst Wildenbruch und Alfred Brehm (Brehms Tierleben), der in einem Brief an den Ur-Ur-Großvater "die Rücksendung einiger Sperlinge" anmahnt.

Nach der Rückkehr aus Moskau ging G.T. in das Dorf Maua in der Nähe von Weimar, um sich offenbar erstmal für ein Jahr zu erholen. Dann ging er zurück in seine Vaterstadt Apolda. Statt in Jena zu bleiben, ging G.T. nach Weimar an das Grossherzogliche Gymnasium. Das muss nach 1845 gewesen sein. Denn der Leiter des Gymnasiums in Weimar war damals Hermann Sauppe. Sauppe ging 1845 als Gymnasialdirektor nach Weimar, 1856 als ordentlicher Professor der alten Sprache nach Göttingen. 1856 wird G.T. seitens des Grossherzoglichen Staatsministerium aufgefordert, die Leitung der neugegründeten städtischen Realschule zu übernehmen. Er war zudem während zweier Wahlperioden Mitglied des Gemeinderates von Weimar. Er gehörte dem Verein der "inneren Mission zur Rettung sittlich verwahrloster und gefährdeter Kinder" an, und war überdies "Meister vom Stuhl" einer Freimaurerloge. 1877 tritt G.T. wegen seiner angegriffenen Gesundheit in den Ruhestand. Sein Landesherr verleiht ihm "Das Ritterkreuz I. Klasse des Ernestinischen Hausordens". ..............

Ein bewegtes Leben also und irgendwann in dieser Zeit wird er zu dieser Uhr gekommen sein.

Die Taschenuhr funktioniert leider nicht mehr, der Schlüssel fehlt und die Kette des Aufzuges ist gerissen aber noch vorhanden.
Viele Grüße und schon mal Danke für weitere Infos.
Hanseat

Merowech

Jetzt bin ich aber von den Socken.
Hoch interessant - und tolle Geschichte.
Grüße    MICHA   Und nutze den Tag - na ja ? - die Nacht auch !  :zwinker:

Hanseat

Ja, ja so war es damals in unserer Familie.
Was bin ich doch für "ein kleines Licht"! :idee:
Bringt uns die Geschichte denn irgendwie weiter ?
Gruß Mario

Merowech

#10
Zitat von: Hanseat in 13. Oktober 2005, 14:30:30

Bringt uns die Geschichte denn irgendwie weiter ?
Gruß Mario

Hallo Mario,
ich denke was die Uhr angeht nein.
Ich habe keinen Punkt wo ich ansetzen könnte.
Und die Uhrenwelt von damals war schon manigfaltig - tut mir leid.
Suche mal im Internet nach Uhrenforen vielleicht kann dir dort weitergeholfen werden.
Ich drücke dir die Daumen !

Zum Beispiel hier : http://www.schmuckecke.de/index.html

HAAAAA ! ich werd verrückt die Schmuckstücke die dort abgebildet sind stammen von ...  :irre:. sind von 2003  :narr: olle Kamellen !
Grüße    MICHA   Und nutze den Tag - na ja ? - die Nacht auch !  :zwinker:

Hanseat

Hallo Micha,
alles klar und nochmals DANKE für die bisherige Hilfe !
Viele Grüße
Mario

Tomcat

Aloha zusammen!
Meros Ausführungen zur Gravur sind gut,
sie passen genau zur Technik der Uhr!
Leider ist die Unruh derart wohlverkleidet, dass ich daraus nicht mehr schliessen kann,(ausser, dass sie weder mit Schrauben besetzt, noch Schockgelagert ist)generell kann man aber sagen, dass diese Art Uhr ab 1750-1770 bis etwa 1850-1880 hergestellt wurde.
Da sowohl sämtliche Mechanikteile als auch die Schrauben gefühlsmäßig einfach "älter" erscheinen
(d.h. z.B. die Schrauben sind etwas größer als bei späteren Uhren...) glaube ich auch an eine frühere Datierung.
Uhren wurden zwar in höheren Schichten auch eher gekauft und getragen, dennoch dürften Zäsuren wie Firmung/Konfirmation, Berufseintritt, Militärzeit-ende etc. als klassische "Kaufdaten" gewertet werden.
Schönes Stück!!!

mfg
Tct
Life burns!

Merowech

Zitat von: Tomcat in 14. Oktober 2005, 22:00:31
Aloha zusammen!
Meros Ausführungen zur Gravur sind gut,
sie passen genau zur Technik der Uhr!
Leider ist die Unruh derart wohlverkleidet, dass ich daraus nicht mehr schliessen kann,(ausser, dass sie weder mit Schrauben besetzt, noch Schockgelagert ist)generell kann man aber sagen, dass diese Art Uhr ab 1750-1770 bis etwa 1850-1880 hergestellt wurde.
Da sowohl sämtliche Mechanikteile als auch die Schrauben gefühlsmäßig einfach "älter" erscheinen
(d.h. z.B. die Schrauben sind etwas größer als bei späteren Uhren...) glaube ich auch an eine frühere Datierung.
Uhren wurden zwar in höheren Schichten auch eher gekauft und getragen, dennoch dürften Zäsuren wie Firmung/Konfirmation, Berufseintritt, Militärzeit-ende etc. als klassische "Kaufdaten" gewertet werden.
Schönes Stück!!!

mfg
Tct


@ Tomcat - fühle dich umarmt ! :zwinker:
Grüße    MICHA   Und nutze den Tag - na ja ? - die Nacht auch !  :zwinker:

Hanseat

Hallo Tomcat,
vielen Dank auch für Deine Informationen, habe ich doch wieder eine Menge dazu gelernt. Kann man übrigens anhand der Uhrengestaltung erkennen, ob es sich um ein deutsches Stück handelt ?
Viele Grüße Hanseat