Was tun die Archäologen?

Begonnen von Schuhnagel, 16. September 2010, 21:28:49

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Schuhnagel

Hallo!
Seit kurzem hat es auf unserem Bauernbetrieb einen Metalldetektor, den ich einsetze, um gebrochene Mähmesserklingen und anderen Unrat einzusammeln, der das weidende Vieh gefährden könnte. Es kommen aber auch andere Sachen zum Vorschein, etwa uralte Hufeisen und handgeschmiedete Nägel. Dabei wurde mir bewusst, dass ich über die Geschichte meines Wohnortes bedenklich wenig weiss, aber nach Recherchen und Lektüre offenbar fast alles, was überhaupt an Wissen zur Verfügung steht. Z. B. hat es in der näheren Umgebung drei Ruinen von Festungen. Niemand weiss, wer da gemauert hat, warum der ganze Aufwand getrieben wurde und wann und warum das Gemäuer aus der Mode kam. Na ja, zeitlich fallen die Bauten wohl in das schwarze Wissensloch, das entstund, als die Römer abzottelten und die Schreibkunst mitlaufen liessen. Trotzdem ist es verwunderlich, dass sich in den 60 Jahren, die ich hier lebe und gedeihe, kein(e) Archäologe(in) für die Gegend interessiert hat.
Vermutlich wurde früher einmal gegraben. In einem Buch von 1938 steht jedenfalls geschrieben, dass bei einer der Festungen "sogenannte Hunnengräber mit Grabbeigaben" zum Vorschein  kamen, welche aber inzwischen verloren gegangen seien.
Das ist doch eher dürftig wie ich finde.
Darum meine Frage: Sind Archäologen Schatzsucher und graben nur dort, wo Sensation, Ruhm und Ehre winken? Oder sind sie wie die Feuerwehr und graben dort wo`s brennt? Oder heben sie sich bestimmte Gebiete für spätere Untersuchung auf um nicht plötzlich Aufgabenlos zu werden? Letzteres wäre irgendwie ulkig: Immerhin verursachen wir gegenwärtig wesentlich mehr spätere Funde als wir jemals ausbuddeln könnten;)
Viel Grüsse
Schuhnagel

Denarius

Nett geschrieben und vorab erstmal ein freundliches "Hallo"!

Die Antwort auf Deine Frage ist ein Stück weit abhängig von Deinem Wohnort, wobei hier allerdings nur das Bundesland gemeint ist.

Für Forschungsgrabungen nach dem Motto "Hier war mal was, also lasst uns mal nachschauen", fehlt der staatlichen Bodendenkmalpflege - bis auf geringe Ausnahmen und dann spärlich ausgestattete Budgets - einfach das Geld. Hier sind eigentlich nur Notgrabungen präsent, die sich aus der Bautätigkeit, bzw. in seltenen Fällen aus landwirtschaftlicher Nutzung o. anderen Störungen (Sturmschäden, Aufforstungen, Renaturierungen, etc.) ergeben.

Reine Forschungsgrabungen werden zumeist durch universitäre Institutionen durchgeführt, sind in ihrer Anzahl und der aufgedeckten Fläche im Bereich der BRD allerdings eher als gering zu bemessen.

So bleiben die meisten, oftmals nur durch Erzählungen, Sagen und Oberflächenfunde bekannten historischen Plätze unter dem Deckmantel der Geschichte und Gegenwart verborgen. Bis der Pflug sie erwischt, oder eben ein geneigter interessierter Bürger mit entsprechendem Gespür ;-)

Ich kam, sah und fand !

Zollhund

Wilkommen Schuhnagel  :winke:


Ich bin mir sicher, die Archäologen haben Kenntinss von diesen Sachen, nur leider kein Geld diese zu erforschen.

andreasluecke

Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen.

Zuerst einmal: Alles wissenschaftliche Graben kostet Geld, viel Geld.

Da noch nie viel Geld für die "unproduktiven" Wissenschaften ausgegeben worden ist, gibt es eben hier auch bei den Denkmalschutzbehören ein großes Defizit an Flüssigkeit.

Da nun also auf der einen Seite wenig Geld da ist, zum Graben und auf der anderen Seite jede Ausgrabung einer kompletten Zerstörung des Denkmals gleich kommt, hat man sich wissenschaftlich darauf geeinigt, dass Funde in nicht gestörtem Boden (vulgo: Wald und Wiese, nicht Acker) deutlich besser dort aufgehoben sind, wo sie liegen.
Man gräbt also nicht, weil es immer invasiv sein muss und zerstörerisch wirkt und wartet auf den großen Technologiefortschritt, die Sachen ohne Eindringen in den Boden gut untersuchen zu können.

Das ist auch der einzig richtige Weg! Die Archive und Regale sind voll, und kein Mensch braucht 20000000 Fibeln des gleichen Typs, oder hundertausend Kilo Scherben der gleichen Zeitstufe.

Wichtig ist der Befund. Und der wird nur dann aufgetan, wenn eine direkte Gefahr für das Denkmal besteht. Deshalb besteht die Hauptarbeit der Archäologen heutzutage in sog. Notgrabungen. Es wird was gebaut, da könnte was sein/ist was, dann müssen wir wohl graben.

Die "Archäologen" sind keine Sammler von Funden, sondern von Befunden. Wobei natürlich herausragende Stücke gerne gesehen sind, da sie die Menschen in die Museen strömen lassen. Aber das nur nebenbei.


Ein weiterer Punkt mag sein- auf Deine Gegend bezogen- das einfach nicht viel veröffentlicht worden ist. Soll heißen, es haben im 19. und Anfang des 20. Jhdt.Grabungen stattgefunden, die auch protokolliert sind, aber einfach noch keinen Eingang in die VOlksliteratur (Ortschroniken, Jahrbände etc.) gefunden haben.

Der sicherste Weg ist hier, die Archäologen selbst zu fragen und gut mit ihnen zusammenzuarbeiten- mit Sicherheit haben die noch mehr Infos für Dich.

andreasluecke

Oh, es haben in der Zwischenzeit zwei weitere Kollegen geschrieben- doppeltes bitte ich zu überlesen :super:

Schuhnagel

Andreas und Zollhund, danke für die Antworten.
Was bei euch die Bundesländer sind bei uns in CH die Kantone. Aber die Bedingungen, unter denen die Archäologischen Dienste arbeiten, werden sich wohl nicht wesentlich unterscheiden. Geldmangel ist überall ein Thema. Aber die Beschaffung von Mitteln ist auch eine Frage des Wollens.
In einer Nachbargemeinde hat ein Verein eine Burgruine restauriert und einen Bauunternehmer während zwei Sommern beschäftigt. Während dieser Zeit hätte die Infrastruktur für Ausgrabungen zur  Verfügung gestanden, was aber nicht ausgenutzt wurde. Fazit: Grosser privater Aufwand, die Ruine kann nun touristisch genutzt werden, Erkenntnisgewinn null.

Schuhnagel

Andreas, na ja, ist wohl eine philosophische Frage, warum der Mensch wissen will und dazu die Erde umwühlen muss.
Das Warten auf neue Technologien leuchtet ein und scheint mir vertretbar. Damit könnte ich leben;)

Schuhnagel

Inzwischen habe ich von Neugier geplagt eine nahe Waldlichtung abgesucht und eine kiloschwere unbearbeitete Bronzegussplatte gefunden, was mein Sohn einem ihm bekannten Archäologen gebeichtet hat. Falls dieser kein Interesse zeigt, werde ich das Ding wohl an seinen Platz zurücklegen.

Schuhnagel

@Denarius
"ein geneigter interessierter Bürger mit entsprechendem Gespür"
Das hast Du sehr schön gesagt;)

Schuhnagel

"Ein weiterer Punkt mag sein- auf Deine Gegend bezogen- das einfach nicht viel veröffentlicht worden ist. Soll heißen, es haben im 19. und Anfang des 20. Jhdt.Grabungen stattgefunden, die auch protokolliert sind, aber einfach noch keinen Eingang in die VOlksliteratur (Ortschroniken, Jahrbände etc.) gefunden haben.

Der sicherste Weg ist hier, die Archäologen selbst zu fragen und gut mit ihnen zusammenzuarbeiten- mit Sicherheit haben die noch mehr Infos für Dich."

Andreas, damit müsstes Du eigentlich Recht behalten: Drei Festungen aus dem  Mittelalter und keine dokumentierten Grabungen und Funde, das kann fast nicht sein, und ich werde Deinen Rat befolgen.
Allerdings sind die Verfasser des Buches von 1938, das ich oben erwähnt habe, sehr gründlich vorgegangen. Zu diesem Schluss komme ich, wenn ich mir die Quellenangaben anschaue. Und ich bin mir sicher, dass es seither keine Grabungen gab.

Etwas besser schaut es mit der Steinzeit aus: Kaum ein Balm oder eine Höhle, die nicht untersucht wurde, allerdings auf private Initiative. Ein schöner Teil einer Bärenhöhle wurde dabei unberührt belassen im Hinblick auf bessere und neuere Forschungsmethoden. Dieser Höhlenteil ist noch heute jungfräulich. Bewundernswerte Weitsicht, würde ich sagen.

Viele Grüsse
Schuhnagel

emil17

Falls es noch aktuell ist: In deinem Kanton dürfte es eine naturforschende Gesellschaft sowie eine Gesellschaft für Ur-und Frühgeschichte geben.
Beide können Dir weiter helfen. Ein guter Einstieg ist die Kantonsbibliothek.

Es gibt übrigens Fälle, wo Landwirte aufgrund ihrer Beobachtungsgabe und ihres Scharfsinns und ihrer Geländekenntnis ganz wesentlich zur Kenntnis des Ur- und Frühgeschichte beigetragen haben, so hat z.B. der Bauer auf der Abendsmatt bei Lampenberg BL aufgrund der Funde auf seinem Acker eine neolithische Station entdeckt und nur dank seiner Beharrlichkeit wurde das von den Experten überhaupt zur Kenntnis genommen.