Wissenswertes über die Entstehung der Müll- oder Güllefelder von Platinrubel

Begonnen von xxGräberxx, 19. Juli 2013, 00:13:00

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xxGräberxx

Hallo an alle Anfänger der Sondlergemeinde und Hobbyarchäologen,

ich habe diesen Thread von 2008 hier im Forum gefunden und finde ihn sehr interessant
und wissenswert. Und wollte es den Anfängern (so wie auch ich einer bin) nicht vorenthalten.

Autor: anscheinend Platinrubel
Threadsteller: Moderator Thor
Thread Datum: 24. Oktober 2008

Die Entstehung der Müll- oder Güllefelder

Dieser Artikel soll interessierten Lesern und Neulingen im Forum die Entstehung der sogenannten Müll- oder Jauchefelder sowie die möglichen Funde auf diesen näherbringen, sowie mögliche Lösungsansätze zu Fragestellungen der historischen und stadtgeschichtlichen Einordung der eigenen Funde geben. Gleichzeitig soll er dazu anregen, eigene Nachforschungen und Recherchen, z. Bsp. zu Funden betreffenden aufkommenden Fragen, durchzuführen.  Eine Fundbestimmungshilfe ist dies allerdings nicht.

1.: Wie wurden in früheren Zeiten Müll, Unrat und menschliche Hinterlassenschaften entsorgt?

Die hygienischen Bedingungen einer Stadt  waren im Mittelalter bis in die frühe Neuzeit hinein katastrophal und eine Brutstätte für Seuchen und Krankheiten wie Pest, Typhus und Cholera. Die Straßen waren bis auf wenige Ausnahmen ungepflastert. Bei Regen wurden sie zu nahezu unüberwindbaren Schlammpisten. Der Regen vermischte sich mit Fäkalien, Hausmüll, Essensresten und dergleichen. Ratten, Schweine, Hühner und Ungeziefer tummelten sich dazwischen. Jeder warf damals seinen Unrat einfach auf die Verkehrswege.  Innerhalb von  Städten gab es auch Kloaken oder Senkgruben, zumeist hinter den Häusern. Der Inhalt versickerte häufig im Erdreich, sofern sie nicht aus Bruchstein oder Backstein gemauert waren. In der unmittelbaren Nähe waren auch oft  die Frischwasserbrunnen, welche dadurch stetig verunreinigt wurden. In aufgelassen Brunnen wurde gleichzeitig auch der alltägliche Abfall entsorgt,  wenn er nicht in die Landschaft gekippt wurde, und
diese einfach zugeschüttet.
Die Flüsse und Bäche wurden genutzt um die Abwässer der Betriebe und Privathaushalte  zu entsorgen. Wäschereien, Färbereien, Schlachtbetriebe und der gleichen kippten alles unbehandelt hinein, während dasselbe Wasser andernorts Bach- oder Flussabwärts zur Trinkwassergewinnung genutzt wurde. Diese damit auftretenden Probleme waren den Menschen damaliger Zeiten wohl bewusst. Es gab Beschwerden bei den örtlichen Gerichtsbarkeiten und die Obrigkeiten erließen Gesetze und Verordnungen um die Missstände zu Beseitigen, allerdings   besserten sich diese Verhältnisse erst nach und nach mit dem Ausbau der kommunalen Infrastrukturen in den Städten ab dem 19.  und  frühen 20. Jahrhundert. Noch heute bezeugen Straßen und Flurnamen diese Verhältnisse. Beispiele dafür sind: Am Faulbach, An der Senkgrube, Blaubach oder Rotgerberbach. Zugeschüttete Senkgruben und Kloaken werden im Zuge von Baumaßnahmen gelegentlich frei gelegt und auch
archäologisch Untersucht. Diese in sich geschlossenen Fundkomplexe beinhalten nahezu alle Gegenstände des täglichen Bedarfs der Zeit bis sie zugeschüttet wurden. Teilweise sind durch luftdichte Versiegelung  sogar Lebensmittelreste erhalten. In den menschlichen Ausscheidungen lassen sich sogar Parasiten nachweisen, unter welchen die Städter seinerzeit zu leiden hatten. Man kann Rückschlüsse auf Essgewohnheiten ziehen, ja sogar heute teilweise ausgestorbene Nutzpflanzen und Nutztierarten nachweisen. Ein großer Beitrag also, die  Geschichte der Urbanisierung zu rekonstruieren.

2.:Was gelangte auf einen Gülleacker oder Müllacker und welche historischen Betrachtungen ergeben sich?

Auf einem Acker finden sich alle Arten von Abfällen und Hinterlassenschaften der Jahrhunderte in welchem der Acker genutzt wurde. Unterscheiden müssen wir zwischen den Objekten welche im Zuge der Abfallentsorgung und denjenigen welche im Zuge der Kloakenentleerung  auf den Acker gelangten und solchen natürlichen Ursprungs. Wie auch heute vieles in der WC-Schüssel und danach in der Kanalisation landet, was eigentlich nicht dort hineingehört, so war es auch in den vergangenen Zeiten.
Der Inhalt der  Kloaken, welche von den Bauern, „Abfuhrunternehmern“ oder Tagelöhnern zumeist kostenlos entleert wurden, wurde als Dünger auf die Felder gestreut, so wie heutzutage die Gülle oder Kunstdünger, den es erst seit ca. 150 Jahren gibt. Dieser Humandünger war auch mitverantwortlich für Krankheiten und Seuchen aller Art, welche die Bevölkerung der Städte und Dörfer regelmäßig heimsuchten. Die Reste der Ausscheidungen gelangten ja an und in den Lebensmitteln wieder beim Menschen über die Nahrungsaufnahme. Auch Müll wurde, sofern er nicht in Müllgruben entsorgt, oder gesammelt und wiederverwertet wurde, oft auf die Felder gekippt. Allerdings muss man beachten, dass die Müllmenge seinerzeit zwar schon beachtlich war, aber zum größten Teil entweder biologisch abbaubar war, recycelt werden konnte und zumindest nicht gesundheitsschädlich war. Da es noch keine Kunststoffe gab, fiel auch kein immenser Müllberg an, wie wir ihn
heute kennen. In den Städten gab es keine Supermärkte, Fastfood - Ketten und dergleichen, Coca- Cola, Perwoll und Blendamed waren noch nicht erfunden. Sein Bier holte man im Syphon aus dem Wirtshaus, der Fisch vom Wochenmarkt  wurde in die Zeitung vom Vortag gewickelt und die Kleidung mit Kernseife gewaschen. Alle Dinge des täglichen privaten oder gewerblichen Bedarfs konnten so auf die Felder gelangen, welche besonders um die großen Städte lagen und liegen. Durch die Urbanisierung sind viele Felder heute unwiederbringlich überbaut und vernichtet wurden. Anhand der Funde kann man das Leben in einer Stadt der Vergangenheit ein Stückweit greifbarer machen. Sie liefern bedingt Rückschlüsse auf das tägliche Leben, Ess- und Trinkgewohnheiten, die Arbeit der Städter, sowie auf Warenströme in die Stadt, die Versorgung und Entsorgung und die Verbreitung von Luxus- und Konsumgütern. Allerdings ist mit diesen Funden nur ein grober Abriss möglich
und eine aufs Jahr genaue Bestimmung, wann die Objekte auf das Feld gelangten ist in den seltensten Fällen möglich. Man muss bedenken, dass diese Felder zum Teil seit Jahrhunderten genutzt wurden und werden, sowohl als Abladeplatz, wie auch landwirtschaftlich. Durch Pflügen und Feldbearbeitung bleiben  die Objekte nicht an einem Ort und durch den Einsatz von Gerät und Düngemitteln und Insektiziden, sowie durch die Witterung (Wasser, Kälte, Eis, etc.) werden sie jeden Tag aufs Neue in Mitleidenschaft gezogen, beschädigt oder gar zerstört.


Münzen

Besonderes Interesse gilt den Münzfunden. Zum einen findet sich hier das lokale Kleingeld der verschiedenen Epochen sowie gelegentlich eine silberne Großmünze und sehr viel seltener eine Goldmünze.
Auch damals haben die Menschen auf Ihr Geld geachtet. Sehr leicht nachvollziehbar, dass jemand, der gerade festgestellt hat, dass er einen seiner Dukaten in der Kloake versenkt hat, doch mal den Griff in Selbige gewagt hat um ihn zu retournieren. Auch bei Metallqualität und  Feingehalt der Münzen der jeweiligen  Epochen kann man hier unter Umständen historische Lücken schließen, sollten aus eben einem Zeitraum keine oder zu wenige Vergleichsobjekte vorhanden sein. Aufschluss über Zeiten mit Geldknappheit z. Bsp. bei Belagerungen (Klippen, viereckige, häufig einseitig geprägte Münzen, oder Notmünzen und Münzen mit Gegenstempeln). Auch frühe Münzfälschungen (Geld wurde gefälscht seit es welches gibt) und z. Bsp. die Kipperzeit sowie die damaligen Herrschaftsverhältnisse können geldgeschichtlich betrachtet und belegt werden.

Noch interessanter wird es bei Fremdmünzen: woher kommen die Münzen, in welcher Häufigkeit treten sie auf, sind es Großmünzen oder Kleinmünzen, wer könnte sie mitgebracht haben. Anhand von Fremdmünzen lässt sich zum Teil auch einiges über Handelsbeziehungen vergangener Zeiten sagen, aber auch über eventuelle Wanderbewegungen und Truppenbewegungen. Die Menschen der früheren  Jahrhunderte reisten noch nicht so durch die Welt wie wir heute. Mancher Bauer kam sein Leben lang nicht ins Nachbardorf. Wer könnte solche Fremdmünzen mitgebracht haben? Händler und Kaufleute, Vagabunden und Tagelöhner, oder auch Pilger können hierfür eine Erklärung sein.
Auch moderne Münzen welche Bauer, Wanderer oder andere Personen verloren haben, gehören zu den Fundobjekten. Jeder Sondler weiß: Sich regen bringt Segen!

Rechenpfennige, Gewichte und Münzgewichte zeugen ebenso von Handelsgeschäften, wie Plomben von Waren (z. Bsp. Salzplomben oder Plomben von Postsäcken) den Zugang von Warenströmen in eine Stadt bezeugen. Hier ist besonders von Interesse, von wo Waren bezogen wurden und mit wem Handel getrieben wurde. Wie weit reichten die damaligen wirtschaftlichen Vernetzungen, welche Personen und Unternehmen waren beteiligt sind einige interessante Fragestellungen welche hier mit Recherche aufgezeigt werden können.

Nahrungsmittel und Küchenzubehör:

Häufig sind Knochen und auch Muschelschalen auf Äckern zu finden. Anhand dieser kann man z. Bsp. Auf Essgewohnheiten Rückschlüsse ziehen. Dies vor allem durch Bearbeitungsspuren an selbigen. Dazu zählen Verletzungen an der Knochensubstanz durch Messer, Sägen oder Beile, sowie Spuren, welche beim Öffnen der Muschel entstehen. Ebenso kann man auf die Arten des damaligen Nutzviehs, seine Größe und Körperbau oder Herkunft schließen. Muscheln können u. U. allerdings auch versteinerte Zeugnisse aus dem erdgeschichtlichen Altertum sein. Reste von Küchengeschirr und Scherben von Porzellan, Keramik und Glas tauchen in Massen auf. Auch Besteck gehört zu den häufigen Fundobjekten. Interessant sind solche Objekte, an denen man auf den Hersteller oder Ursprung schließen kann, wie z. Bsp. bei Flaschen oder Wasserflaschen aus Ton. Manchmal hat man Glück und man findet ein Bruchstück mit der Aufschrift der Brauerei oder des Wasserlieferanten.

Kleidung und Accessoires:

Anhand von Fibeln, Knöpfen und Schnallen für Kleidung, Gürtel und Schuhe kann man im Verbund mit historischen Aufzeichnungen und Bildern die Kleidungsgewohnheiten der damaligen Bevölkerung aufzeigen. Manchmal tauchen z. Bsp. auch Miederhaken auf. Die Funde können aber auch viel darüber aussagen, wer in der Stadt von auswärts tätig war (Reste von Trachten, Uniformen, etc.) oder welche fremden Moden importiert wurden.

Werkzeug und Gerät:

Produktionsreste aus Handwerksbetrieben geben u. U. Rückschlüsse auf Fertigungstechniken oder regionale Besonderheiten in der Produktion. Eingesetztes Werkzeug aus Handwerk und Landwirtschaft können ebenso auf damalige Arbeitsverhältnisse hinweisen (z. Bsp. Reste von Pferdegeschirr und Hufeisen) wie auf mögliche Herkunftsorte dieser Arbeitsutensilien. Häufige Funde sind u. a. Nägel, Ösen, Feilen, Schleifgeräte, Äxte und Hammerköpfe oder Schlacke. So kann man von vielen alten Berufen Zeugnisse finden wie z. Bsp. von Schmied, Schneider, Küfer, Schuhmacher, aus der Glasmanufaktur oder vom Steinmetz.

Militaria:

Wurde das Feld im Laufe der Geschichte ein Ort kriegerischer Auseinandersetzungen, so finden sich auch gehäuft Überreste militärischer Herkunft. Dies kann Hinweise auf Schlachten, Truppenlager oder Durchmärsche geben. Hierzu gehören Bleigeschosse/ Geschosse aller Art, Armbrustbolzen, Kanonenkugeln, Reste von Waffen, Uniformen und Ausrüstung, wie  z. Bsp. Knöpfe, Orden und Abzeichen, Offizierspfeifen, Gewehrschlösser und Pferdegeschirr.

Frühzeitliche/Römische/Keltische Funde:

Auch Objekte aus der Frühzeit des Menschen wie Faustkeil, Schaber und Feuerstein sind auf einem Acker durchaus mögliche Funde. Auf vielen Feldern die im früheren Herrschaftsbereich des römischen Reiches lagen und schon seit dieser Zeit landwirtschaftlich genutzt werden, finden sich auch deren Hinterlassenschaften, wie Münzen, Schmuck, Fibeln, Werkzeuge, Tonscherben u. ä. . Selbiges trifft auch im keltischen Siedlungsgebiet zu.  Dies solle hier aber nur am Rand erwähnt sein.

Sonstiges:

Alles andere was in Müll oder Kloake landete, tauchte über kurz oder lang wieder auf den Feldern auf. Häufig sind u. a. Fingerhüte, altes Kinderspielzeug (Trümmer von Porzellanpuppen, Figuren), Uhrenschlüssel, Schlüssel, Petschaften, Buchschließen, Beschläge, Möbelgriffe, (Taschen-)Uhren und Schmuck.

Funde natürlichen Ursprungs:

Zu nennen wären hier Fossilien von Pflanzen und Tieren und ganz selten interstellare Zeugnisse (Meteoriten). Ebenso durch Blitzeinschläge zusammengeschmolzenes Erdreich (hauptsächlich Silikate) findet man mit etwas Glück.

Neuzeitliches:

Auch alle Arten neuzeitlicher Hinterlassenschaften tauchen auf Feldern auf. Dazu gehören Militaria der beiden Weltkriege, bedingt durch mögliche, im Areal vor gekommenen Kampfhandlungen.  Weiters Kronkorken, Dosen und Ziehlaschen oder Teile von neuzeitlichem Werkzeug und landwirtschaftlichem Gerät (oder was der Bauer sonst noch verliert) und Kunststoffabfälle oder Aluminiumfolie aller Couleur. Diese jedoch fast ausschließlich aufgrund unsachgemäßer Entsorgung einiger Zeitgenossen. Auch alles was beim Bauern heutzutage auf dem Misthaufen landet, taucht hier wieder auf.

viel Spaß beim lesen

Gruß und GF

Gräber

platinrubel

ja, das war von mir.
ist auch später im schatzsuchermagazin erschienen.
grüsse platinrubel
Ich warte immer noch auf meine erste Goldmünze!!!