Scheibenbeil (chen)

Begonnen von StoneMan, 23. Oktober 2015, 22:27:51

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

StoneMan

Moin,

Fundort: Deutschland/SH, Acker, Ostseeküste 1 km
Maße: 61,5 x 44,0 x 13,5 mm
Gewicht : 30,7 g
Trapezoide Form und Querschnitt

"Das hässliche Entlein"...

...ist aus Bryozoenflint mit Einschlüssen korallenartiger Stiele und Moostierchen.

Der Flint ist opak und die Flut fossiler Einschlüsse erschwert das Erkennen der Bearbeitungsmerkmale.
Zur Unterstützung habe ich mich an einer digitalen Zeichnung versucht (Bild sf7).

Im Bereich des Nackens befindet sich Schäftungspolitur. Ringsum, auf den hervorstehenden Partien
und Grate, sind Glanzspuren, auch sind dort die Kanten stärker verrundet als der übrige Teil.

Eine kleine Besonderheit (?).
Ventral ist die Schneide des Beilchens offensichtlich auf einem Schleifstein geschärft worden. Die Schleiffase ging
über die ganze Breite der Schneide, das kann ich unter dem Binokular deutlich sehen. Teils ist diese vom Gebrauch
wieder unkenntlich.  Der Ausschnitt auf ´Bild sf5´ zeigt den deutlichsten Teil der Schleifkante.

Solche lateralretuschierten Scheibenbeile  waren in der spätmesolithischen Ertebølle-Kultur
zwischen 5100 v. Chr. und 4100 v. Chr. in Dänemark und Norddeutschland häufig.
Als Vergleich (Bild sf8) die Abbildung 138 aus Peter Vang Petersens "Flint fra Danmarks oldtid", Seite 96,
Skiveøkse, symmetrisk kanthugget (symmetrische Kanten geschlagen), ca. 70 x 56 mm.

Auch ein nettes Beispiel Bild sf9 Ertebølle - Køkkenmødding (Küchenabfall)

Die bisherigen Fundbelege von diesem Platz wurden vom ALSH ins Neolithikum datiert, daher würde ich es ebenfalls ins Neolithikum stellen.
Ein paar Beispiele von diesem Fundplatz:
> http://www.sucherforum.de/index.php/topic,56210.0.html
> http://www.sucherforum.de/index.php/topic,58149.0.html
> http://www.sucherforum.de/index.php/topic,52959.0.html

In einem anderen Thread, Peter zu Scheibenbeilen:
Zitat von: Furchenhäschen in 16. Oktober 2015, 21:28:55
...
Ich habe den Hahn bemüht und musste feststellen, ein komplexes Thema.
...

Während im "Hahn" zur Chronologie und Verbreitung lediglich die mesolithischen Kulturgruppen
wie Maglemose, Komsa, Ertebölle, Duvensee (unvollständige Aufzählung) erwähnt werden, wird
zur Chronologie im "Floss" auch das Neolithikum genannt.

Für diejenigen, die nicht über die genannte Lektüre verfügen, zitiere ich aus "Steinartefakte vom
Altpaläolithikum bis in die Neuzeit"
von Harald Floss 2012

Steinartefakte des Mesolithikums

61. Kern- und Scheibenbeile
Stefan Wenzel
Zitat Seite 631 ff:
Chronologie und Verbreitung
Kern- und Scheibenbeile gelten als typische Geräte des Mesolithikums Südskandinaviens und des nördlichen Mitteleuropas.
[...]
... Schließlich kommen Kern- und Scheibenbeile auch in Mittel- und Nordeuropa nochim Neolithikum vor...
[...]
... Kern- und Scheibenbeile wurden in unterschiedlichen Regionen und Zeitabschnitten immer wieder hergestellt,
ohne dass in jedem Fall eine Tradition der Herstellung solcher Beilklingen bestand.
Da die Form der Kern- und Scheibenbeile oftmals weitgehend durch das Ausgangsstück
vorgegeben war und diese Geräte meist intensiv genutzt und oft nachgeschärft wurden,
sind sie als Sammelfunde meist schwer einem Zeitabschnitt oder einer Kultur zuzuordnen.
Zitat Ende
PDF >> https://www.academia.edu/1815691/Kern-_und_Scheibenbeile

Gruß

Jürgen  
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

#1
Hallo Jürgen,

das ist ja eine aparte Schönheit, die Du uns hier zeigst.

Durch die Moor-/ Feuchtbodenpatinierung wurde das Teil opak braun durchgefärbt.
Die Einschlüsse verweigerten sich der Farbe und sind besonders deutlich sichtbar.
Wäre nicht untypisch für Fehmarn.

Die Ähnlichkeit mit der Zeichnung zu Nr. 138 bei PVP ist auffällig.

Ein Stück zum Hinschauen!

LG

Jan


RockandRole

Hallo Jürgen,

Den Beitrag hast du wirklich liebevoll und sehr schön gestalltet. Inhaltlich kann man sich damit schon ne Weile beschäftigen.
Das bringt mir die nordische Welt wieder ein Stückchen näher.

Danke und liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Marienbad


   nordisch schön, Festland oder Insel ?

StoneMan

Moin,

@ Jan, von jemandem der Scheibenbeil-Preziosen aller Couleur hat, geht auch bei mir "aparte Schönheit", runter wie Honig  - danke.

@ Daniel, das ist meine Art unseren Altforderen Hochachtung auszudrücken.

@ Manfred, Jan liegt mit seiner Einschätzung richtig - Fundort Fehmarn.

Danke euch dreien.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo



Das ist ein toll fotografierter  :super:  eindrücklicher und informativer Beleg.
Das Farbspiel und der spezielle Silex haben ihren eigenen Reiz!

Danke fürs Zeigen!  :


Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: thovalo in 24. Oktober 2015, 11:14:39
...
Danke fürs Zeigen! 
...
Moin,

ja gerne - dafür sind wir hier doch zusammen gekommen.

Habe mich riesig gefreut. In den Tagen danach war die Egge wieder auf dem Acker.

@ Thomas, danke auch Dir fürs Lob.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Scherbenauge

Lieber Jürgen,

das ist nicht nur ein spannender Fund einer Gattung die ich noch nicht kannte,
sondern wieder einmal eine überaus gelungene und präzise Präsentation, Erklärung und Recherche wie sie ihresgleichen sucht!!! :Danke2:

Tolle Anschaulichkeit!!!, stark auch das Foto des noch im Boden steckenden Beiles, Mann-O-Mann, da muss man schon arschcool sein
um erst einmal die Kamera zu zücken ...

Liebe Grüße
Mike

Pipin

Moin Jürgen,

na das ist doch ein klasse Teil. Ich muss schon sagen, Dein Beitrag ist wirklich klasse. Ich glaube den werde ich mir auch noch ein 2. Mal ansehen.

:winke: Christian


StoneMan

Zitat von: Scherbenauge in 25. Oktober 2015, 16:36:20
...
das ist nicht nur ein spannender Fund einer Gattung die ich noch nicht kannte...
...
Moin,

@ Mikeson mein Lieber, ich kannte die "Gattung" schon, doch es ist meine erstes in dieser Art. :jump:

@ Christian, schau auch ruhig dreimal hin, dann findest Du sicher weitere. Ich hoffe ja,
dass ich nicht auf ´Deinem´ Acker war... (?)

Für eure wohlgesonnenen Worte danke ich euch beiden.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Sprotte

Hallo Jürgen,

ich kann mich den anderen nur anschließen: Ein wirklich schöner Beleg für ein neolithisches Scheibenbeil.

Viele Grüße
Sprotte

Kelten111

 :super:

Echt ein tolles Stück  :super: :super:

Mfg  :winke: :winke:

StoneMan

Moin,

"schöner Beleg", "tolles Stück", da freut sich das "Hässliche Entlein", dass es mit so feinen Attributen bedacht wird.

@ Sprotte, in diesem Falle freue ich mich gar nicht, dass Du meine Datierung ins Neolithikum bestätigst.

Dank auch euch beiden.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Sprotte

Zitat von: StoneMan in 27. Oktober 2015, 01:11:46
Sprotte, in diesem Falle freue ich mich gar nicht, dass Du meine Datierung ins Neolithikum bestätigst.

Hallo Jürgen,

in der frühen Trichterbecherkultur gehören Scheibenbeile eben noch zum allgemeinen Repertoire (was immer noch nicht allgemein bekannt ist). Aber Scheibenbeile mit Schliff sind schon etwas Besonderes. Vielleicht gelingt dir auf diesem Fundplatz auch einmal der Fund eines der recht seltenen spitznackigen "frühneolitischen" (nach norddeutscher Nomenklatur) geschliffenen Flintbeile (speziell Nr. 153 in "Flint fra Danmarks oldtid").

Viele Grüße
Sprotte

steinwanderer

Zitat von: Sprotte in 27. Oktober 2015, 19:57:28
Hallo Jürgen,

in der frühen Trichterbecherkultur gehören Scheibenbeile eben noch zum allgemeinen Repertoire (was immer noch nicht allgemein bekannt ist). Aber Scheibenbeile mit Schliff sind schon etwas Besonderes. Vielleicht gelingt dir auf diesem Fundplatz auch einmal der Fund eines der recht seltenen spitznackigen "frühneolitischen" (nach norddeutscher Nomenklatur) geschliffenen Flintbeile (speziell Nr. 153 in "Flint fra Danmarks oldtid").

Viele Grüße
Sprotte

Moin moin,
Scheibenbeile gab es sogar noch im Spätneolithikum.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

StoneMan

Moin,

Rückmeldung vom ALSH
Fundbeschreibung: ...Scheibenbeil, Typ Ellerbek...*1
Datierung: Spätmesolithikum - Frühneolithikum

*1 von StoneMan hinzugefügt > Zitate Wikipedia :

Die Ertebølle-Kultur ist eine spätmesolithische Kultur, die zwischen 5100 v. Chr. und 4100 v. Chr.
in Dänemark und Norddeutschland verbreitet war. Sie ist nach dem Fundort Ertebølle am Ostufer des Limfjordes
in Jütland, in der Nähe von Farsø, benannt.
In Deutschland wird die Kultur nach einem weiteren Fundort auch Ertebølle-Ellerbek-Kultur genannt...
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Erteb%C3%B8lle-Kultur

Nordisches Frühneolithikum (FN)
[...]
In Nord- und Nordmitteleuropa (südlicher Ostseeraum) datiert das Frühneolithikum (FN) viel später und wird
dort durch die ältere Trichterbecherkultur repräsentiert... Es wird als Nordisches Frühneolithikum bezeichnet und
stellt auch hier den Übergang zur überwiegend bäuerlichen Lebensweise dar.
Ältere Trichterbecherkultur (,,Nordisches Frühneolithikum", nicht synchron! Die Datierung beträgt hier 4400–3300 v. Chr.)...
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChneolithikum


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Signalturm

Die Fotografische Aufarbeitung des Fundes ist absolute Spitzenklasse. Ich ziehe meinen Hut. Es macht richtig Freude den Fund ausgiebig zu betrachten. Ich freue mich schon auf weitere Fundberichte in diesem Stil. Danke
Finderglück ist Finderlohn genug.

StoneMan

Moin mein Lieber,

danke, freut mich sehr, dass Du das sagst.

Du hast mir ja auch geduldig meine vielen technischen Fragen zur "Knipse" beantwortet, und mit Deinen
fachlichen Ratschlägen dazu beigetragen, dass es so gut werden konnte - danke   :Danke2:

Und dann kommt noch dazu, dass es mir Spaß macht.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Danske

Moin Jürgen, moin zusammen,

zunächst erst mal meine Glückwünsche zu diesem tollen Fund und danke für die super Präsentation.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich noch was dazu schreiben sollte, weil der Thread nun schon 2 Jahre alt ist, habe mich aber dafür entschieden.

Seit meinem Fund zweier Scheibenbeile in MeckPomm habe ich mich ein bisschen intensiver mit dem Gerätetyp befasst und komme zu dem Ergebnis, dass die Beurteilung des ALSH aus meiner Sicht nicht korrekt ist.

Bei Stefan Wenzel ist im Floss folgendes zur Chronologie der Scheibenbeile zu lesen:

Der häufigste und im Mesolithikum und Neolithikum auch räumlich am weitesten
verbreitete Scheibenbeiltyp hat von der Unterseite aus zugeschlagene Schmalseiten,
während die Oberseite nicht flächig retuschiert und die Schneide nicht besonders
bearbeitet ist. Diese Scheibenbeile wurden von H. Schwabedissen (1944, 153) als Typ
Oldesloe bezeichnet. Die Scheibenbeile mit flächig retuschierter Oberseite
(und Zurichtung
der Schmalseiten von der Oberseite , meine Ergänzug) gehören der Ertebølle-/Ellerbekkultur
an, in der aufgrund der Verbreitung von Scheibenbeiltypen sogar die Existenz lokaler
Gruppen fassbar zu sein scheint.


Das Beil von Jürgen hat von der Ventralseite aus zugeschlagene Kanten und die Dorsalseite ist nicht flächig retuschiert. Es wäre also ein Beil Typ Oldesloe.

PVP bezeichnet es auf Seite 97 Nr. 138 als symmetrisch kantengeschlagenes Scheibenbeil, ohne den Begriff "Typ Oldesloe" zu verwenden, der den Dänen ohnehin nicht gebräuchlich ist. Er datiert den Typ in die späte Ertebølle-/ Dolmenzeit.

Und hier beginnt meine Unsicherheit und Verwirrung.
Gehört das Scheibenbeil Typ Oldesloe in die Zeit der Oldesloer Gruppe, die in SH auf 6000 bis 5000 v.Chr. datiert wird? Oder erscheinen Beile dieses Typs dort nur erstmals und werden auch in späterer Zeit noch hergestellt?
Wenn Stefan Wenzel schreibt, dass flächenretuschierte Beile der Ertebølle-/ Ellerbekkultur angehören, gehören dann die anderen Beiltypen nicht der Oldesloer Stufe an? Oder ist der Rückschluss falsch? Denn der gleiche Autor stellt im Absatz vorher fest: Da die Form der Kern- und Scheibenbeile oftmals weitgehend durch das Ausgangs-stück vorgegeben war und diese Geräte meist intensiv genutzt und oft nachgeschärftwurden, sind sie als Sammelfunde meist schwer einem Zeitabschnitt oder einer Kultur zuzuordnen.

Gibt es denn überhaupt eine Chronologie der Kern- und Scheibenbeiltypen?

Kann mir einer der Kenner unter euch hier weiterhelfen, wäre echt super.

LG
Holger


Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

StoneMan

Moin,

Danke Dir Holger.

Heut ist es zu spät  :gaehn: mit Deinem Beitrag werde ich mich erst die nächsten Tage beschäftigen.

Nur so viel, das Scheibenbeil (chen), hat dieses Jahr ein kleines Schwesterlein bekommen  :jump:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Scherbenauge

Na dann schon mal Glückwusch zum Nachwuchs lieber Jürgen! :Danke2:
Gruß Mike

Steinkopf

#21
Holger 'Danske' fragt:

       "Gibt es denn überhaupt eine Chronologie der ... Scheibenbeiltypen?"

So wie ich es aus meiner Nord-Mitteleuropäischen Perspektive sehe:  Nein!

Unterschiedliche Typen sind eher regionale Ausprägungen.

Scheibenbeile sind in wenigen Minuten (im Experiment eines Flintknappers 6 Minuten) gemacht

und wurden wohl auch in recht kurzer Zeit aufgebraucht. Bei großen Erteböllesiedlungsplätzen

findet man aufgebrauchte Stücke zu Tausenden. Nach Peter Vang Petersen:

'Pa större Erteböllebopladser kan findes kasserede skiveökser i tusindtal'.

Diese sind dann abgenudelt bis zur Unkenntlichkeit - Die   )(  Linien der Kantenreduktion ist zumeist

noch zu erkennen.

Wer Fundstellen bearbeitet, wird die für sein Forschungsgebiet passende Literatur bzw Typologie
benutzen.

Eine Typologie wie aus dem von Dir zitierten "Floss" muss (bei allem gebührenden Respekt vor diesem Werk)
daran scheitern, dass versucht wurde, eine für alle Regionen passende Beschreibung zu liefern.

So wird denn dort auch (wie schon oben erwähnt) zusammengefasst:

"Da die Form der Kern- und Scheibenbeile oftmals weitgehend durch das Ausgangs-stück vorgegeben war und
diese Geräte meist intensiv genutzt und oft nachgeschärft wurden, sind sie als Sammelfunde meist schwer einem
Zeitabschnitt oder einer Kultur zuzuordnen."

LG

Jan










StoneMan

Moin Jan,

Danke für Deine, von mir erhoffte, Meinung zu Scheibenbeilen.

Einen Beitrag dazu habe ich bereits verfasst, wollte ihn nur noch durch eine Skizze ergänzen.
Und nun ist mein PC mit der Arbeit und den Bildern blockiert - schreibe vom Laptop aus.

Du schreibst im Kern genau das was ich hier liegen habe  :super:

Leider schreibst Du aber auch, dass es dazu kaum / keine Literatur gibt. Dazu hatte ich auch nun aus
gegeben Anlass noch einmal recherchiert - Ergebnis  :heul: dabei hatte ich auf Dich gebaut.

Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

#23
Moin,

@ Holger et @ll,

keineswegs bin ich Kenner von Scheibenbeil & Co, dennoch hier der Antwortversuch von mir (bevor Jan dazu schrieb).

Klar, all die bisher gefundenen Hinterlassenschaften wurden nach derzeitigem Wissenstand beschrieben und typologisch gegliedert.
Was einst "gewachsen" ist, ist noch nicht vollendet.

Wenn wir nun neue Funde einem bestimmten Typ zuweisen wollen, kommen wir mitunter in Schwierigkeiten.

Es gab für verschiedene Werkzeuge tradierte Grundformproduktionen mit dem Ziel gleiche Produkte zu gewinnen.
Wenn die Formengruppe der Klinge noch relativ gleichartig ist, sieht es bei der Grundform Abschlag (Grundform für Scheibenbeile),
schon ganz anders aus.
Ich denke das muss man bei einer Zuweisung von Formen und Typen immer einbeziehen.

In Deinem Zitat von Stefan Wenzel wird das ja auch bestätigt (grün markiert).

Wichtig finde ich auch den Absatz vor Deinem eingestellten Zitat:

"Das sporadische Auftreten atypischer Scheibenbeile auf bandkeramischen Fundplätzen wie auch das
häufige Auftreten von Kern- und Scheibenbeilen in mittel- und jungneolithischen Siedlungen Westeuropas
(Vermeersch 1980) hat dieselbe Aussage wie das Vorkommen geschlagener Beile in vormesolithischer Zeit:
Kern- und Scheibenbeile wurden in unterschiedlichen Regionen und Zeitabschnitten immer wieder hergestellt,
ohne dass in jedem Fall eine Tradition der Herstellung solcher Beilklingen bestand.

Da die Form der Kern- und Scheibenbeile oftmals weitgehend durch das Ausgangsstück
vorgegeben war und diese Geräte meist intensiv genutzt und oft nachgeschärft wurden, sind sie als Sammelfunde
meist schwer einem Zeitabschnitt oder einer Kultur zuzuordnen."

Quelle: Kern- und Scheibenbeile, Stefan Wenzel. Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit, Harald Floss.

Und ich denke dies ist nicht auf LBK beschränkt.

Das bei Stefan Wenzel abgebildete Formenspektrum zeigt zwar Funde von Norddeutschland und Dänemark, aber
es ist kaum repräsentativ für die Scheibenbeile des Nordens.


PVP hat Dir doch bereits eine Hilfe gegeben.

Fehmarn liegt zwischen  Ertebølle im Norden Dänemarks und Ellerbek (Kreis Pinneberg in Schleswig-
Holstein), nordöstlich Hamburg.

Auch wenn Oldesloe ebenso dazwischen liegt, vermute ich, dass der Begriff, Ertebølle- Ellerbek-Kultur, der diese
ganze Region / Kulturgruppe bezeichnet, für die Ansprache des Fundstückes ausschlaggebend war.

Vielleicht !?) aber auch, weil bei meinem Scheibenbeil die rechte Kante nicht wirklich eine steile Kante ist wie links.
Stattdessen verläuft sie, ausgehend von der rechten Kante partiell über die Dorsalseite.
Diese rechte Kante bildet mit spitzem Winkel zur Ventralseite eine Art ~ Schneide (Centerline).

So ist das mit Fotos und Zeichnungen, nicht immer kann man alles so sehen wie man muss.
Am besten kann man es auf meiner Zeichnung sehen. Aber eben nicht genau, da ich dort doch
ein paar, über die Dorsalseite - bis fast zur Mitte reichenden - feinste Details, nicht gezeichnet hatte.

Aber auch das ist nur eine Vermutung von mir, ob das zur Typologie beigetragen hatte.

Bei der nächsten Gelegenheit werde ich nachfragen.

Gruß


PS sorry - mein PC spackt die letzten Tage rum, sodass ich auch keine Bilder zur
Erläuterung des schwierigen :glotz: Bereiches nachliefern kann.
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Danske

Moin,

@Jan und Jürgen,
zunächst erst einmal vielen Dank für eure umfangreichen Antworten aif meine Frage. Leider kann ich mich erst jetzt melden, weil ich kurzfristig im dienstlichen "Auslandseinsatz" in SH, also im schönen Norden unserer Republik, unterwegs war und eben erst zurückgekommen bin.

Wenn euch beide richtig verstanden habe, seid ihr der Meinung, dass aus den verschiedenen Typen und Formen von Kern- und Scheibenbeilen keine allgemeine Chronologie hergeleitet werden kann. Unterschiedliche Typen und Formen sind eher regionale Ausprägungen und letztlich auch abhängig von den Grundformen.

Ich glaube inzwischen auch, dass eine Chronologie, wenn überhaupt, nur für bestimmte Regionen und nur anhand von stratigraphischen Befunden herausgearbeitet werden kann. Und da hilft Peter Vang Petersen weiter. Mir wäre nur lieb, wenn es inzwischen eine Übersetzung gäbe, mit dem Dänischen tue ich mich sehr schwer. Wobei auch zu den Ausführungen von PVP Fragen bleiben. Er schreibt u.a., dass die Scheibenbeile vom Ertebølletyp die unterschiedlichsten Formen haben kann (breite oder schmale Schneide, meiselartig, mit mehr oder weniger konvergierenden Schmalseiten, etc.), und die größeren Beile eher in die mittlere, die kleineren eher in die jüngste Ertebøllezeit gehören. Aber letztlich können nur die Beile vom Barmosetyp frühmesolithisch (früheste Maglemosezeit) sein. Ist diese typen-/ zeitmäßige Einteilung nun relativ verbindlich oder können nicht auch die Ertebølletypen schon in der Magelemosezeit auftauchen?

Ich habe die Abende in Kiel genutzt und mir alle Beiträge im Forum zu Kern- und Scheibenbeilen angeschaut. In einem älteren Thread zu einem Scheibenbeil mit retuschiertem Nacken, welches der Form nach eigentlich ein Ertebølletyp ist, schreibt der Wikinger, dass der retuschierte Nacken für eine Datierung in die Maglemosezeit spricht. Unter Berücksichtigung der Ausführungen von PVP verstehe ich das nicht.

In den meisten Beiträgen zu Kernbeilen werden diese als maglemosezeitlich angesprochen, obwohl sie nach PVP auch in die ältere Ertebøllezeit gehören können. Sind das jetzt nur Einschätzungen oder Vermutungen, oder gibt es doch Merkmale, die eine genauere Datierung möglich machen?

So richtig glücklich bin ich noch nicht, was sicher daran liegt, dass ich ein ausgeprägter "Chronologie-Fanatiker" bin. Also werde ich weiter Fachliteratur zu der Thematik wälzen, vielleicht bringt`s mich weiter. Wenn alle Stricke reißen, werde ich Peter Vang Petersen einfach mal anschreiben. Aber nicht auf dänisch, das würde er sicher nicht verstehen :-D

Liebe Grüße und nochmals vielen Dank, Jan und Jürgen
Holger

Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

StoneMan

Moin,

es ist mal wieder zu spät für eine ausführliche Antwort, zudem würde sie weitestgehend
Wiederholungen beinhalten, deshalb lasse ich es.

Du wirst erst einmal mit Deiner Frage allein bleiben, na ja nicht so ganz, wir sind ja bei Dir  :zwinker:

Zitat von: Danske in 11. Oktober 2017, 00:50:37
[...]
So richtig glücklich bin ich noch nicht, was sicher daran liegt, dass ich ein ausgeprägter "Chronologie-Fanatiker" bin.
Das ist schlecht, wo sich die Kulturen da doch auch überschneiden.

Zitat von: Danske in 11. Oktober 2017, 00:50:37
[...]Wenn alle Stricke reißen, werde ich Peter Vang Petersen einfach mal anschreiben. Aber nicht auf dänisch,
das würde er sicher nicht verstehen :-D

Mach das! Peter Vang Petersen versteht sehr gut deutsch und antwortet auch auf deutsch. Ich hatte
bereits des Öfteren mit ihm E-Mail Kontakt.


Die Fundmeldung vom oben erwähnten "Schwesterchen" (und weitere Scheiben-/Kern-Kandidaten), wird mit
dieser Frage, paralell an Dr. Sönke Hartz gehen. Keiner kennt das Inventar dieser Region so gut wie er.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry