Scheibenkeule

Begonnen von Marienbad, 04. September 2013, 23:13:09

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Marienbad

Moin,
bin wieder mal pickend tätig gewesen.   :dumdidum:
Da ich am 25. Sept. im Steinzeitspark Albersdorf etwas über die Felsgesteinbearbeitung zeigen und berichten werde muß ich noch
einige Keulen vorbereiten um die verschiedensten Bearbeitungsprozesse vorstellen zu können.
Das Gestein habe ich wie immer vom Ostseestrand, die Grundform stimmte schon fast. Es ist ein rötlicher feinkörniger Quarzit.
Die Mulde hatte ich mit dem abgebildeten länglichen Flint schon gestern eingepickt, bevor nun das Loch fertiggestellt wird habe ich
den Rand ersteinmal grob zugerichtet. Das Teil hat etwa einen Zentimeter vom Durchmesser in zwei Std. verloren. Der flach zugearbeitete
Flintpickstein hat ordentliche "Narben" an den Schlagstellen davongetragen.
Die aufgezeichnete gestrichelte Linie wird der äusserste Rand der Keule und muß noch weiter abgetragen (picken) werden.
Dann erst wird das Loch fertiggestellt und geschliffen.
Hier nun die Fotos.
  :winke:  Manfred

Marienbad

hier noch der Flint mit seinen zertrümmerten Arbeitskanten, er wurde nur für die randliche Bearbeitung der
Keule gebraucht.


thovalo

#2

Die von Dir verwendete Grundform erinnerte mich sofort an dieses Stück aus mitteljngsteinzeitlichen Rössener Kontext.
Da die Rössener Kultur weisse marmorartige Gesteine für Keulenköpfe weit bevorzugt haben passte das.

..........  ausdrücklich beziehe ich das aber nur auf die Gestaltung der Grundform und deren plan-konvex angelegten Bearbeitungszustand.
Das wäre das der "Kopf" einer besonders eindrucksvollen Scheibenkeule in der klassischen Rössener Färbung "weiß" geworden!


Bis Heute kenne ich zu diesem bemerkenswerten Stück keinen einzigen Vergleichsfundbeleg!

Gefunden wurde die weisse plan geschliffene Stein"scheibe" zusammen mit einem gebrochenen Keulenkopf
der Rössener Kultur in rötlicher Färbung.

Weiss wenn es irgend nur ging oder rötlich sind die für Keulenköpfe der Rössener Kultur verwendeten Gesteine Marmor, Quarzit etc.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Marienbad

der Vorteil bei Deiner Scheibe liegt auf der Hand.  :zwinker:
Ich würde den Stein jedenfalls für eine Scheibenkeule gebrauchen können. :dumdidum:
Die natürliche Formvorgebung spielte sehr sicher eine große Rolle bei der Auswahl der damaligen Steinmetze.
Ich habe ein größeres Depot von solchen Rohlingen, sie werden bei den Streifzügen durch unsere schöne
Natur gefunden, also nicht gezielt gesucht. Es muß aber alles passen, Form und Größe, sowie das Material.

   :winke:  Manfred

Marienbad

und weiter gehts  :zwinker: die Technik mit dem Pickstein lässt ungeahnte Möglichkeiten zu.
Auf den folgenden Fotos habe ich am Keulenrand verschiedenste Möglichkeiten ausgetestet, es wurde alles nur gepickt, nichts geschliffen.
Der Stein hat wieder etwas von seinem Dm verloren und zeigt einen Absatz, eine gerade Fläche und ein zugespitztes auslaufendes Ende.
Weitere Arbeiten werde ich nicht vornehmen da der Stein so wie er ist mehr aussagen kann.

:winke:   Manfred

Marienbad

hier nun der weitere Arbeitsablauf.  :zwinker:
Das Loch für die Schäftung wurde nur etwas weiter gepickt, der Rest wird folgen, aber die Formgebung der Scheibe ist vollendet.
Die nun fast kreisrunde frischgepickte äußere "Picknaht" wurde nur kurzzeitig mit dem Flintpickstein etwas geglättet. Also mit dem
Flint über die aufgepickte Oberfläche "geschabt". Es ist also noch kein Schliff an der Außenkante erfolgt, sondern es wurde bisher nur mit dem
Pickstein gearbeitet.
Die bisherigen Arbeitsabläufe und die dazugehörigen "Werkzeuge" haben übrigens die "Fachleute" beim Treffen in Albersdorf sehr beeindruckt.
Da konnte ich so einige Ohs und Ahas hören.  :dumdidum:
Die Archäologen haben sicher einiges von der Technik und Handhabung der Werkzeuge besser verstanden.
Nur schade das der Eric Biermann nicht kommen konnte, dass wäre sicher etwas für ihn gewesen.
Hier nun die Fotos von der fast kreisrunden Scheibenkeule.

:winke:  Manfred

Daniel

Ich bewunder Deine Geduld,die Du für die Arbeiten aufbringst.
Größter Respekt! :super:
Spalttabletten, meine Dame, sind bekömmlich und gesund.
Doch verwirrend ist der Name, sie gehören in den Mund.

Marienbad

und weiter gehts mit der Lochherstellung von der Scheibenkeule.
Das bisherige Loch wird nun mit dem abgebildeten Flint auf den ersten Fotos "aufgedreht".
Dieses Aufdrehen wird nun auf beiden Lochseiten ausgeführt und dann wird wieder im Wechsel gepickt und dann wieder aufgedreht.
Dieser Vorgang ist sehr effektiv und trägt mehr Material ab als bei einer direkten Bohrung.

Marienbad

hier nun die eindeutigen Spuren von dem "Aufdrehen"

  :winke:    Manfred

dappeler

Ich schaue mir immer wieder deine handwerklichen Fähigkeiten an und bin
restlos begeistert!
Wann filmst du deine Arbeiten, gerne würde ich bewegte Bilder einzelner
Arbeitsabläufe sehen,
weiter so!  :winke: :winke: :winke:
Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

mc.leahcim

Hallo Marienbad,
du hast auf der Scheibe Pfeile angezeichnet. Drehst du beim Aufdrehen nur in eine Richtung? Das würde bedeuten das du beim drehen mit dem Flint immer umgreifen musst. Wieso kann man nicht hin und herdrehen? Das wäre aus meiner Sicht einfacher als umgreifen. :besorgt: Bricht dann die Flintspitze schneller aus? Genauso könnte ich mir vorstellen den Flint einzuklemmen und die Scheibe zu hin und her zu drehen. 
Oder verstehe ich die Pfeile einfach falsch? :kopfkratz:

Ich glaube das man wenn man nur theorisiert, so wie ich im Moment beim Anschauen der Bilder, schon mal Mist schreibt. :-D
Aber ich denke/hoffe du nimmst mir so blöde Fragen nicht übel. :dumdidum: Ich bewundere neben deinem Geschick vor allem die Art wie du dich in die Herstellung der Werkzeuge hineindenkst. "Was will ich machen, wie muss da ein Werkzeug optimal beschaffen sein und wie stelle ich es mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln her." Es hat einfach auch etwas von einem Künstler der einen Stein sieht und einfach mal alles entfernst das nicht zum Endprodukt/Werkzeug gehört.
Danke für deine ansehnlichen Bilderserien! Filme wären das Größte, aber ich denke das wäre sehr aufwendig und würde die Arbeit zu sehr behindern.

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

Marienbad

moin Michael,
super, du hast es erkannt  :super:
Die Richtung der angezeichneten Pfeile stimmen nicht, sie sollten vor und zurück anzeigen.
Im Eifer der Malerei mit dem Bleistift habe ich einen Pfeil falsch herum eingezeichnet.
Danke für den Hinweis  :Danke2:

  :winke:  Manfred

Marienbad

der Lochdurchmesser hat weiter zugenommen, es wurde weiter im Wechsel gepickt und aufgedreht.
Die Innenwandung von dem Loch wird langsam geradwandig.  :zwinker:
:winke:   Manfred

insurgent

Sehr schöne und eindrucksvolle Arbeit Manfred :super:
Meine Bodenfunde werden gemeldet

Marienbad

Zitat von: insurgent in 19. Oktober 2013, 20:58:25
Sehr schöne und eindrucksvolle Arbeit Manfred :super:


Danke Jochim, alles heute im Pfostenhaus geschaffen  :dumdidum:

nemcice

wieviele stunden für ein loch?

Chapeau!

Marienbad

Zitat von: nemcice in 19. Oktober 2013, 23:11:58
wieviele stunden für ein loch?

Chapeau!


bisher wurden 13 Std. an dem Loch gepickt und geschabt.

           :winke:  Manfred

nemcice

Zitat von: Marienbad in 20. Oktober 2013, 11:11:24

bisher wurden 13 Std. an dem Loch gepickt und geschabt.

           :winke:  Manfred


nochmal Chapeau! toll das allen zu verdeutlichen:  "Die hatten früher sooooviel Zeit!!!!" :dumdidum: und mußten nicht kochen, aufräumen, arbeiten gehen, auto putzen,  :ironie: 

nur ihr leben bestreiten.... :kunst: :ironie:

Marienbad

Zitat von: nemcice in 21. Oktober 2013, 12:08:35

nochmal Chapeau! toll das allen zu verdeutlichen:  "Die hatten früher sooooviel Zeit!!!!" :dumdidum: und mußten nicht kochen, aufräumen, arbeiten gehen, auto putzen,  :ironie: 

nur ihr leben bestreiten.... :kunst: :ironie:


na kochen und aufräumen mußte wohl doch auch schon damals sein.  :dumdidum:

mal so nebenbei:    :-D

wenn Du heute so ein Loch herstellen wolltest müßte eine Bohrmaschine und ein hochwertiger  Bohrer angeschafft werden !
Die Maschine liegt ja nicht auf dem Feld herum.  :-D
Bohrer und Maschine kosten etwa 150,- Euronen und die müssen erst einmal verdient werden.
Mit dem Auto zur Arbeit, Stau auf der Straße, Stress am Arbeitsplatz usw. und am Monatsende dann die mickrige Lohntüte. :zwinker:
Bei meiner Arbeit ( alles in Ruhe und in meiner Behausung ) liege ich dann doch etwas günstiger was die Zeit angeht.  :dumdidum:
13 Std. x 11,54 Eu  wären dann mein netto Stundenlohn.  :smoke:
Und das dann alles noch aus natürlichen Rohstoffen und umweltschonend.  :zwinker:

:winke:  Manfred

Marienbad

und nun geht es an die Schleifarbeit, obwohl die Oberfläche schon recht glatt ist.   :zwinker:
In einem Gefäß mit Flintgranulat wird die vorläufig für diesen Zweck geschäftete Keule zwischen den Händen gedreht, so wie beim "buttern". :zwinker:
Die ersten Fotos zeigen den Stein vor dem Schliff, dann geht es weiter.


Marienbad

diese Fotos sind ohne Wasser im Flint entstanden, nach etwa 15 Min. "buttern".
Im trockenem Zustand flutschten sehr viele Flintpartikel beim Drehen aus dem Gefäß und der Abrieb war gering.

Marienbad

nun habe ich Wasser auf den Flintgrieß gegossen und die Splitterchen bleiben im Topf.
Der Abrieb ist auch wesentlich größer.

Marienbad

#22
die Flintstücke werden immer kleiner und es entsteht eine richtige Flintpampe.
Achtet mal auf die ehemalige Kennzeichnung mit dem wasserfesten Filzstift, es wird langsam weniger von der Farbe.  :zwinker:
Es fängt an zu Regnen, daher ist für heute Schluß. Das Schleifen hat 2,5 Std. gedauert.

  :winke:  Manfred


nemcice

Zitat von: Marienbad in 21. Oktober 2013, 12:50:11

13 Std. x 11,54 Eu  wären dann mein netto Stundenlohn.  :smoke:
Und das dann alles noch aus natürlichen Rohstoffen und umweltschonend.  :zwinker:


das mit dem rohstoffschonend usw. kannste echt prima vermarkten. da schreibst du ein buch drüber welches auf recyclingpapier gedruckt ist, mit den richtigen analysen, auflistungen, gegenüberstellungen..... kannst eine doktorarbeit drüber schreiben.....

und dass du mit der bohrmaschine die noch gar nicht erfunden ist, weil der strom fehlt nur ein einziges loch bohren wolltest mußt du auch mal schön begründen!!!

  :kopfkratz:

ich habe mal gehört, dass so erfindungen wie der Dreul (ich habe auch einen :frech:----für metall) nur erfunden worden sind, weil der mensch faul sei..... nett oder?

:-)

Levante

Manfred außer Saugeil fällt mir leider nicht sein, bin einfach nur sprachlos.

Grüße

Patrick

P.S. normalerweise nicht ganz mein Sprachgebrauch.  :zwinker:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Marienbad

Zitat von: nemcice in 21. Oktober 2013, 22:55:47
ich habe mal gehört, dass so erfindungen wie der Dreul (ich habe auch einen :frech:----für metall) nur erfunden worden sind, weil der mensch faul sei..... nett oder?
:-)


ja doch   :super:

Marienbad

so, nun noch die endgültige Schäftung anbringen.
Das Holz ist ein abgelagerter Weißdornspross mit einer eingewachsenen Waldrebenspur.
Passend zugeschnitten wurde das Holz in die Öffnung gesteckt und mit einem Knochenkeil "drehsicher" fixiert.
Der eingeschlagene Keil drückt das Holz in der nicht ganz runden Öffnung stramm an die Innenwandung.
Genauere Abmessungen folgen noch.
  :winke:  Manfred


Marienbad

hier nun das fertige Gerät   :winke:

Marienbad

die Abmessungen:
Der Keulenkopf ist nicht kreisrund daher sind es 9,5 x 8,5 cm
Schaftlänge 47 cm

  :winke:  Manfred

nemcice

 :Danke2: für die ausführliche und wunderschöne erklärung, bebilderung, zurschaustellung!!! super :super:

das fertige gerät ist ästhetisch geworden, die farbe des quarzites auf den fotos gefällt mir sehr gut.
aber wozu verwendete man so eine keule? um jemand (z.b. Tier) zu erschlagen?
ich habe gegoogelt und deine seite mit dem eingewachsenen ast gefunden! du bist ja spitze!!! :Danke2:
an sowas hätte ich auch nie gedacht/wär ich nicht draufgekommen!

habe sehr viel gelernt! :winke: